Arktische Arten im Wandel

Die Arktis ist ein Lebensraum für Spezialisten. Mit den erstaunlichsten Tricks haben sich die Arten im hohen Norden des Planeten an die dortigen Herausforderungen angepasst. Im kalten Wasser schwimmen Fische mit körpereigenen Frostschutzmitteln im Blut. Eisbären haben ihren Körper so gut isoliert, dass sie kaum Wärme abgeben. Und die Augen von Moschusochsen funktionieren wie eine Kombination aus Schneebrille und Nachtsichtgerät. Doch die Zukunft all dieser Überlebenskünstler ist ungewiss. Denn die Lebensbedingungen in der Arktis haben sich in den letzten Jahrzehnten so rasant gewandelt wie in kaum einem anderen Ökosystem der Erde. Die Lufttemperatur ist dort seit den 1970er Jahren dreimal so schnell gestiegen wie im weltweiten Durchschnitt. Damit aber haben sich auch die Wassertemperatur, die Eis- und Nährstoffverhältnisse und die Lebensgemeinschaften verändert. Die Karten für ein Überleben in der Arktis werden neu gemischt. 

Der Arktische Ozean

Anders als im Süden des Planeten liegt im hohen Norden kein Kontinent, sondern ein Ozean. Dieses auch als „Nordpolarmeer“ bekannte Gewässer schwappt vor den nördlichen Küsten von Skandinavien, Russland, Nordamerika und Grönland. Es liegt komplett innerhalb des nördlichen Polarkreises und beherbergt sowohl den geografischen Nordpol als auch den Arktischen Magnetpol und den Arktischen Geomagnetischen Pol. Mit einer Länge von 4000 Kilometern, einer Breite von 2400 Kilometern und einer Fläche von rund 14 Millionen Quadratkilometern ist das Nordpolarmeer der kleinste Ozean der Erde. Auch sonderlich tief ist es nicht. So liegt der Meeresboden im Schnitt nur 987 Meter unter der Oberfläche, die tiefste Stelle bringt es auf 5669 Meter. Die einzige Tiefseeverbindung zu anderen Ozeanen liegt in der Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen. Einen Rekord stellt der Arktische Ozean allerdings mit seinen extremen Temperaturen auf. Direkt unter dem Meereis herrschen im Wasser meist eisige minus 1,8 Grad Celsius.

Überlebenskünstler: Säugetiere in der Arktis

Die vierbeinigen Bewohner der Arktis haben sich perfekt an die Herausforderungen ihres harschen Lebensraums angepasst. Eisbären zum Beispiel sind größer als ihre Verwandten in anderen Weltregionen. Im Vergleich zu ihrem Volumen haben sie daher eine relativ kleine Oberfläche und verlieren entsprechend weniger Wärme. Zusätzlich hüllen sie sich in einen dichten Pelz, dessen hohle Haare ein isolierendes Luftpolster bilden. Unter dem Fell liegt eine schwarze Haut, die Sonnenlicht optimal aufnimmt und in Wärme verwandelt. Darunter folgt dann noch eine fünf bis zehn Zentimeter dicke Fettschicht. Auch Moschusochsen setzen auf ein Spezial-Fell mit bis zu 70 Zentimeter langen Deckhaaren und einer dichten Unterwolle, um ihren massigen Körper warm zu halten. Ihr Verdauungssystem arbeitet so effektiv, dass es selbst aus harten, trockenen Ästen Nährstoffe gewinnen kann. Ihre Augen kommen sowohl mit dem grellen Licht sonniger Polartage als auch mit der Finsternis der Polarnacht zurecht. Und dank eines speziellen Hufdesigns laufen sie im Winter wie auf Schneeketten, sind im Sommer aber auf ebenen Sohlen unterwegs. Rentiere kommen mit ihren breiten, spreizbaren Hufen im Schnee ebenfalls gut voran. Etliche Stoffwechseltricks erlauben es ihnen, Zeiten mit knapper Nahrung gut zu überstehen und winterlichen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden. Auch Gene, die den Tagesrhythmus steuern, haben die arktischen Hirsche verändert. Dadurch können sie ihre innere Uhr an den Wechsel zwischen Polartag und Polarnacht anpassen. 

Zahlen und Fakten

3,1

Grad Celsius

Um 3,1 Grad Celsius hat sich die Luft in der Arktis zwischen 1971 und 2019 erwärmt. Damit stieg die durchschnittliche Jahrestemperatur dort dreimal so schnell wie auf der Erde insgesamt.

200

Tage pro Jahr

war der Kongsfjord auf Spitzbergen Anfang der 1980er Jahre zugefroren. Dreißig Jahre später lag er höchstens noch für 40 Tage unter einer Eisdecke.

3,27

Millionen Quadratkilometer

Mit einer Fläche von 3,27 Millionen Quadratkilometern hat das Meereis der Arktis im September 2012 die geringste bisher gemessene Ausdehnung erreicht.

FAQ

Welche arktischen Meerestiere sind heute schon gefährdet?

Zu den prominentesten Opfern des Klimawandels gehört der Eisbär, der bereits in der Kategorie „gefährdet“ (vulnerable) auf der Roten Liste der Weltnaturschutzunion IUCN steht. Andere an das Eis gebundene Säugetiere wie die Ringelrobbe gelten zwar noch nicht als weltweit bedroht. Doch auch ihre Bestände könnten mit einem weiteren Rückgang des Eises schrumpfen. Zudem hängen vom Meereis auch viele kleine und unscheinbare Tiere ab, die wichtige Nahrungsquellen für andere Arten sind. Bestimmte Flohkrebse an der Eisunterseite oder Fadenwürmer im Eis sind in einigen Regionen bereits deutlich seltener geworden.

Wie verändert der Klimawandel die Lebensbedingungen in der Arktis?

Eine der wichtigsten Veränderungen betrifft das Meereis, von dem viele Tiere des hohen Nordens abhängig sind. Mit den steigenden Luft- und Wassertemperaturen wird der gefrorene Panzer des Ozeans nicht nur kleiner und dünner. Das Eis wird auch nicht mehr so alt wie früher, es bewegt sich mehr, bricht im Frühjahr eher auf und bildet sich im Herbst erst spät wieder neu. Zudem fließt durch schmelzendes Meereis und stärkere Niederschläge heute mehr Süßwasser in den arktischen Ozean als früher. Dieses legt sich wie ein Deckel auf die tieferen, salzigen Wasserschichten. Dadurch gelangen weniger Nährstoffe aus der Tiefe an die Oberfläche, und weniger Sauerstoff wird in umgekehrter Richtung transportiert. Eine weitere Folge des Klimawandels ist eine zunehmende Versauerung des Ozeans durch im Wasser gelöstes Kohlendioxid. Diese Veränderung macht vor allem Arten mit Schalen und Skeletten aus Kalk zu schaffen, die ihre Rüstungen bei sinkendem pH-Wert immer schlechter aufbauen können. 

Warum ist das Meereis so wichtig für das arktische Meeresleben?

Viele Polarbewohner nutzen das Meereis als Lebensraum, Kinderstube oder Nahrungsgrundlage. So lebt im Eis und an seiner Unterseite eine hochspezialisierte Lebensgemeinschaft von kleinen Organismen wie Bakterien, Eis-Algen und Mini-Krebsen. Diese ernähren dann direkt oder indirekt größere Meeresbewohner wie Fische, Seevögel, Robben und Wale. Für viele Robben ist das Eis zudem ein wichtiger Ruheplatz, manche nutzen es auch als Kinderstube. Und Eisbären finden nur auf dem gefrorenen Panzer des Ozeans gute Jagdreviere.

Was bedeutet der Klimawandel für die Algen in und unter dem Eis?

Zu den Eis-Algen gehören all jene Arten, die unter den Schollen oder in den Solekanälen im Inneren des Meereises leben. Zwar können diese Spezialisten dort auch bei schummriger Beleuchtung wachsen und Photosynthese betreiben. Doch wenn das dünner werdende Eis mehr Licht durchlässt, kurbeln sie ihre Produktion zunächst kräftig an. Zudem wachsen sie verstärkt in den Schmelzwassertümpeln, die sich im Sommer auf dem Eis bilden und die im Herbst überfrieren. In vielen Regionen der Arktis dürfte das Schmelzen des Meereises daher kurzfristig zu einer größeren Produktivität der Eis-Algen führen. Es kann allerdings durchaus sein, dass diese Massenproduktion nicht den ganzen Sommer anhält. Denn dafür enthält der Arktische Ozean nicht genug Stickstoff. Zudem können die an Schwachlicht angepassten Eis-Algen bei zu viel Licht auch unter Stress geraten und den Betrieb einstellen. Und wenn das Meereis irgendwann ganz verschwindet, fehlt den daran angepassten Algen schlicht der Lebensraum. 

Welche Folgen hat das zunächst verstärkte Wachstum der Algen unter der dünneren Eisdecke?

Beobachtungen von AWI-Fachleuten haben gezeigt, dass sich durch diesen Effekt das gesamte Nahrungsnetz im Polarmeer in nur zwei Monaten verändern kann – und zwar von der Wasseroberfläche bis in 4000 Meter Tiefe. Durch den Algen-Boom an der Oberfläche haben Krebse, Fische und andere Meeresbewohner dort kurzfristig mehr zu fressen, wenn auch die Qualität der Nahrung vermutlich geringer ist. Und da die Algenteppiche irgendwann auf den Meeresgrund sinken, entsteht dort ein Schlaraffenland für Seegurken, Haarsterne und andere Bodenbewohner. Diese wachsen dadurch besser und werden schneller geschlechtsreif. 

Was passiert mit den Lebensgemeinschaften, wenn das Meereis ganz auftaut?

Wenn die Eis-Algen keinen Lebensraum mehr finden, könnte das viele Arten in Bedrängnis bringen, die direkt oder indirekt von diesen Organismen leben. Denn eine AWI-Studie hat gezeigt, dass die Eisfans unter den Flohkrebsen, Ruderfußkrebsen und Flügelschnecken 50 bis 80 Prozent ihres Kohlenstoffbedarfs aus Eis-Algen decken. Und selbst bei Arten, die in größeren Tiefen zuhause sind, liegt der Anteil noch bei 20 bis 50 Prozent. Freischwebende Algen werden diesen Verlust an Grundnahrungsmitteln wohl zum Teil kompensieren können. Doch sie werden wahrscheinlich nicht überall ausreichen, um die hungrigen Mägen zu füllen. Vor allem nicht im Herbst, wenn sie schon längst auf den Meeresgrund gesunken sind.

Welche Probleme haben die Eisbären mit dem Rückgang des Meereises?

Nach Einschätzung vieler Experten haben gerade die Eisbären besonders unter dem Rückgang des Meereises zu leiden. Schließlich liegen dort ihre Wanderrouten, die Schauplätze ihrer Rendezvous, in manchen Regionen auch ihre Kinderstuben. Vor allem aber ihre Jagdreviere. Die Tiere können zwar durchaus einen Teil des Jahres an Land verbringen. Ihre Beute aber machen sie vor allem auf dem Eis. Abgesehen haben sie es dabei vor allem auf Robben. Und obwohl Eisbären sehr gute Schwimmer sind, haben sie im Wasser kaum eine Chance, so ein Opfer zu erwischen. Also liegen sie manchmal stundenlang bewegungslos neben einem Eisloch und warten, bis einer der Meeressäuger zum Luftholen auftaucht. Dann schlagen sie blitzschnell zu. Die Regionen, in denen diese Strategie Erfolg verspricht, werden aber bei schwindender Eisdecke immer kleiner. Und an Land finden die hungrigen Jäger kaum Alternativen. Rentiere laufen ihnen zumindest auf längeren Strecken locker davon. Also müssen sich die bis zu 800 Kilogramm schweren Eisbären bei ihren Landgängen oft mit Wühlmäusen, Vögeln oder Eiern begnügen. Manche spezialisieren sich auch auf Müll aus Siedlungen, was zu gefährlichen Begegnungen zwischen Mensch und Tier führen kann.

Was bedeuten steigende Temperaturen und das Verschwinden des Meereises für Fische wie den Polardorsch?

Der Polardorsch Boreogadus saida ist ein Kältespezialist. Wenn die Wassertemperatur unter null Grad sinkt, verhindern spezielle Glycoproteine das Gefrieren seines Blutes. Solange die eisigen Bedingungen im Arktischen Ozean anhalten, ist er damit klar im Vorteil gegenüber Fischarten ohne einen solchen Frostschutz. Doch bei steigenden Temperaturen könnte sich das Blatt zugunsten von Konkurrenten aus wärmeren Regionen wenden. Zumal der Polardorsch bei zu hohen Wassertemperaturen Probleme mit dem Stoffwechsel bekommt. Laborversuche am AWI haben gezeigt, dass diese Fische schon in vier Grad Celsius kaltem Wasser nicht mehr so gut wachsen wie bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Zudem besteht die Gefahr, dass Polardorsche zumindest in einigen Regionen ihre Kinderstube verlieren. Denn diese Fische legen ihre Eier im Winter unter dem Eis ab, und die Brut reagiert besonders empfindlich auf Wärme. Zudem leben viele Jungtiere in ihren ersten beiden Lebensjahren in und unter dem Eis, wo ihnen Höhlen und Gänge Schutz und reichlich tierisches Plankton als Nahrung bieten. Ob ein Teil der Population auch ohne diese kalten Refugien auskommen kann, ist bisher unklar. 

Warum sind Generalisten im Klimawandel im Vorteil?

Während Kältefans wie der Polardorsch Boreogadus saida und der Grönlanddorsch Arctogadus glacialis zunehmend in Schwierigkeiten geraten dürften, könnte der Arktische Ozean für Arten mit weniger speziellen Ansprüchen neue Chancen bieten. Der Atlantische Kabeljau Gadus morhua zum Beispiel fühlt sich bei Wassertemperaturen von vier bis zehn Grad Celsius wohl und kann seinen Stoffwechsel, den Kreislauf und andere Körperfunktionen gut an wechselnde Bedingungen anpassen. Auch in Sachen Nahrung, Salzgehalt und Wassertiefe ist er flexibel. Das hat es ihm ermöglicht, aus der Nordsee und dem Nordatlantik weiter nach Norden zu wandern, wo er beispielsweise vor Spitzbergen gute Lebensbedingungen findet. Kürzlich haben AWI-Forschende einzelne Kabeljaue sogar im zentralarktischen Ozean nachgewiesen.

Verändern sich durch den Klimawandel die Fanggebiete und Fangmengen der Fischereiflotten?

Etliche der rund 240 bekannten Fischarten im Arktischen Ozean sind auch für die Fischerei interessant. Bisher konzentrieren sich die Flotten dabei vor allem auf flache Küstengebiete wie die Barentssee nördlich von Norwegen und Russland. Da Arten wie der Kabeljau dort inzwischen häufiger auftauchen, sind die Fangmengen in den letzten Jahren gestiegen. Das Verbreitungsgebiet des Polardorschs dürfte künftig allerdings nicht mehr so weit nach Süden reichen wie früher. Und beliebig weit nach Norden werden die Fangflotten ihre Aktivitäten auch erst einmal nicht ausdehnen können. Zwar werden die Hochseegebiete der Arktis durch das Schwinden des Meereises immer besser zugänglich. Doch am 25. Juni 2021 ist ein internationaler Vertrag in Kraft getreten, der die Fischerei in den Hochseegebieten der Zentral-Arktis zunächst für 16 Jahre verbietet. In der Zeit soll erst einmal erforscht werden, welche ökologischen Folgen eine solche Nutzung hätte. Eine lohnende Nutzung der marinen Ressourcen ist ohnehin wegen der geringen Nährstoffmengen im zentralarktischen Ozean für lange Zeit nicht zu erwarten.

Gibt es in der Arktis außer Fischen schon weitere Zuwanderer aus dem Süden?

Tatsächlich ist die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen zu einer beliebten Reiseroute für neue Arktisbewohner geworden. Seit jeher strömt hier wärmeres Wasser aus dem Atlantik ins Nordpolarmeer, im Zuge des Klimawandels hat dessen Temperatur in den letzten Jahrzehnten jedoch zugenommen. Das hat vielen Atlantik-Bewohnern den Weg nach Norden geöffnet. Zu den Neuankömmlingen gehören zum Beispiel die Flügelschnecke Limacina retroversa, der Flohkrebs Themisto compressa sowie verschiedene Arten von Ruderfußkrebsen und Quallen. Sogar die Orcas haben ihre Jagdgebiete inzwischen weiter nach Norden ausgedehnt.

Was bedeuten solche neuen Arten für die Ökologie der Arktis?

Die Nahrungsnetze im hohen Norden verändern sich durch die Zuwanderer aus dem Süden: Neue Beutetiere, neue Räuber und neue Konkurrenten tauchen auf. Das kann weitreichende Folgen haben. Der arktische Flohkrebs Themisto libellula ist zum Beispiel traditionell eine wichtige Beute für Fische, Robben, Seevögel und Wale. Mit einem einzigen der bis zu sechs Zentimeter langen Tierchen bekommen diese Jäger rund 40 Milligramm Fett in den Magen. Wenn die angestammten Leckerbissen durch die aus dem Atlantik zugewanderte Art Themisto compressa verdrängt werden, haben es die Krebsfresser allerdings schwer. Denn der atlantische Flohkrebs bringt es höchstens auf zwei Zentimeter Länge und enthält nicht mehr als drei Milligramm Fett. Fische, Vögel und Co. müssen also viel mehr davon fressen, um ihren Energiebedarf zu decken. Was das alles langfristig für die Lebensgemeinschaften der Arktis bedeuten wird, ist schwer zu prognostizieren. 

Gibt es auch arktische Arten, die vom Klimawandel profitieren können?

Vorübergehend könnte das durchaus der Fall sein. So gibt es Hinweise darauf, dass der Polardorsch vor Grönland positiv auf das frühere Aufbrechen des Eises und die leicht gestiegenen Wassertemperaturen reagiert hat. Fraglich ist allerdings, wie lange solche positiven Effekte anhalten, wenn die Temperaturen weiter klettern.

Können die arktischen Arten in andere Regionen ausweichen?

Vor allem für die Küstenbewohner der Tierwelt wird das kaum möglich sein. Denn nördlich ihrer bisherigen Verbreitungsgebiete herrschen zwar durchaus noch kältere Temperaturen. Allerdings liegen dort Tiefsee-Regionen, in denen es keine passenden Lebensräume für sie gibt. Der Polardorsch zum Beispiel findet dort keine geeigneten Laichgründe. Etliche Arten des Zooplanktons dagegen könnten auch in diesen Regionen zurechtkommen. Allerdings dürften sie dort nur einen Bruchteil ihrer bisherigen Bestände aufbauen. Denn für eine höhere Produktivität gibt es in der zentralen Arktis nicht genug Nährstoffe. 

Hat der Klimawandel für Meeresbewohner in der Arktis und Antarktis ähnliche ökologische Folgen?

Tatsächlich gibt es eine ganze Reihe von Gemeinsamkeiten. So leben in beiden Regionen Arten, die mit steigenden Temperaturen und anderen Folgen des Klimawandels nicht gut zurechtkommen. Auch hat das Meereis in beiden Regionen eine essenzielle Bedeutung für die Ökosysteme. Erwärmt sich der antarktische Ozean, können die Organismen genau wie in der Arktis nicht unbegrenzt in Richtung des Poles ausweichen, da sie auf den antarktischen Kontinent stoßen. Doch es gibt Unterschiede, die in der Arktis zu noch dramatischeren Folgen führen dürften als im tiefen Süden des Planeten. So reicht der Arktische Ozean vom 75. Grad nördlicher Breite bis zum Nordpol, das eisbedeckte Südpolarmeer erstreckt sich dagegen nur etwa vom 60. bis zum 70. Breitengrad. Daher erlebt der Norden im Laufe des Jahres viel drastischere Unterschiede in den Lichtverhältnissen. Die ständige Dunkelheit der Polarnacht, in der Algen nicht wachsen können und es daher auch wenig Futter für Tiere gibt, dauert dort viel länger. Auch deshalb können viele Arktis-Bewohner und Neuankömmlinge nicht in die kälteren Regionen weiter nördlich ausweichen: Sie vertragen die lange Hungerphase einfach nicht. Vor allem, wenn auch noch das Meereis als Algenlieferant wegfällt. Dazu kommen Unterschiede in der Nährstoffversorgung. In der Arktis fehlt es an Stickstoff, so dass dort unabhängig von den Temperatur- und Lichtverhältnissen kein Garten Eden wachsen kann. In der Antarktis dagegen ist die Nährstoffversorgung ziemlich gut. Allerdings begrenzt Eisenmangel das Algenwachstum dort in weiten Gebieten stark.

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Portraitfoto von Dr. Hauke Flores.

Hauke Flores

Meereisökologe Dr. Hauke Flores, Experte für das Leben im Polarmeer
Portraitfoto von Dr. Ilka Peeken

Ilka Peeken

Meeresbiologin Dr. Ilka Peeken, Expertin zum Thema Leben im Polarmeer und Mikroplastik im Meereis
Portraitfoto von Prof. Dr. Bettina Meyer in den Dünen.

Bettina Meyer

Meeresbiologin Prof. Dr. Bettina Meyer, Expertin für polare Schlüsselarten