Double-Trouble

Die Auswirkungen von kumulativem Stress durch Erderwärmung und anthropogene Schadstoffbelastung auf das zentralarktische Nahrungsnetz.

Leitung:

Dr. Doreen Kohlbach

Die globale Erderwärmung verursacht Veränderungen im marinen Lebensraum der Arktis mit unabsehbaren Folgen für polare marine Nahrungsnetze. Pelagische Nahrungsnetze im zentralen Arktischen Ozean sind stark von eisassoziierten Nahrungsquellen abhängig (Abb. 1), aber wie sich die jetzigen trophischen Beziehungen mit dem Eisrückgang verändern werden, bleibt unklar. Neben veränderten Umweltbedingungen wird das zentralarktische Ökosystem u.a. durch einen weiteren Stressfaktor belastet: Zunehmender Einstrom atlantischen Wassers und aus Flüssen sowie zunehmender Schiffsverkehr transportieren mehr anthropogene Schadstoffe selbst in abgelegene arktische Regionen, wo sie mit Wasser und Meereis ins gesamte Nahrungsnetz übertragen werden.

Abbildung 1. Kohlenstofffluss in polaren Ökosystemen. Meereisalgen und Phytoplankton bilden die Grundlage des Nahrungsnetzes, von der Kohlenstoff (=Energie) über Zooplankton und Fisch zu Spitzenprädatoren transportiert wird. Ungenutzte Algen sedimentieren zum Meeresboden und werden vom benthischen Nahrungsnetz verbraucht.

Die Folgen einzelner Stressoren auf die Struktur und Funktionsweise mariner Nahrungsnetze sind teilweise bekannt, aber Informationen über kumulative Auswirkungen mehrerer Stressquellen, insbesondere in der schwer zugänglichen Zentralarktis, sind praktisch nicht vorhanden. In diesem Zusammenhang zielt Double-Trouble darauf ab, i) trophische Strukturen und das Ausmaß der Schadstoffbelastung unter jetzigen Umweltbedingungen zu untersuchen, und ii) die kumulativen Auswirkungen der Erderwärmung und der zunehmenden Schadstoffbelastung auf das zukünftige zentralarktische Nahrungsnetz zu simulieren (Abb. 2).

Abbildung 2. Kohlenstofffluss in der Zentralarktis unter Meereisrückgang und zunehmender Schadstoffbelastung, die Veränderungen vorherrschender Ökosystemstrukturen- und Funktionsweise erwarten lassen. Schadstoffe können aus unterschiedlichen Quellen in das zentralarktische Nahrungsnetz eindringen, z.B. durch Kontamination von Meereis und -wasser aus der Atmosphäre, Freisetzung aus dem im Eis gespeicherten Schadstoffe während der Schmelze, und Zunahme des Schiffsverkehrs und Fischereitätigkeiten.

Abbildung 3. Methoden zur Analyse trophischer Marker, die Aufschluss über trophische Beziehungen im zentralarktischen Nahrungsnetz geben.

Das Ziel von Double-Trouble ist es, die Bedeutung von Ökosystemveränderungen für ein zukünftig nachhaltiges Fischereimanagement in der Zentralarktis herauszuarbeiten. Zusätzlich sollen trophische Interaktionen und der Verschmutzungsgrad im südlichen Ozean beleuchtet werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Resistenz bzw. Anfälligkeit sich ändernder Umweltbedingungen und Schadstoffbelastung zwischen den beiden Polargebieten abschätzen zu können.

Trophische Strukturen und Interaktionen sollen mithilfe einer Kombination verschiedener moderner analytischer Methoden untersucht werden (Abb. 3). So kann zum Beispiel die Lipid- und stabile Isotopenzusammensetzung Aufschluss darüber geben, ob ein Konsument überwiegend von diatomeen- oder dinoflagellaten-produziertem Kohlenstoff abhängt und ob dieser vorwiegend aus dem Eis oder der Wassersäule stammt. Es ist besonders wichtig, die Abhängigkeit des zentralarktischen Nahrungsnetzes von eisalgenproduziertem Kohlenstoff zu quantifizieren, um die Folgen einer temporär und räumlich veränderten Verfügbarkeit von Eisalgen infolge des Klimawandels erfassen zu können. Die Ergebnisse stellen eine Basis für Prognosen über zukünftige Strukturen und Funktionsweise des zentralarktischen Ökosystems dar. 

Für die Inventur der gegenwärtigen Schadstoffbelastung des zentralarktischen Nahrungsnetzes konzentrieren wir uns sowohl auf die Identifizierung und Quantifizierung toxischer, zum Teil durch die Stockholm Konvention regulierter und verbotener Substanzen (Persistent Organic Pollutants- POPs) als auch auf neue Stoffe, deren toxisches Potential für die Umwelt und unsere Gesundheit angenommen wird, jedoch noch genauer untersucht werden muss (Chemicals of Emerging Arctic Concern- CEAC). Mithilfe von Feldproben und eines experimentellen Ansatzes sollen der Status quoder Schadstoffbelastung und die Weitergabe dieser Substanzen innerhalb des Nahrungsnetzes untersucht werden (Bioakkumulation, Biomagnifikation). Zusätzlich interessieren wir uns für das Ausmaß der Mikroplastikbelastung im zentralarktischen Nahrungsnetz. Trotz großem wissenschaftlichen Interesses sind Informationen über die anthropogene Verschmutzung in der Arktis bis jetzt stark limitiert, besonders für schwer zugängliche Regionen wie der Zentralarktis. Folglich muss der Forschungsaufwand hinsichtlich dieser Thematik bedeutend erhöht werden.