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Nachlass
Teile des Nachlasses von Alfred Wegener sowie historische Aufnahmen von seinen Expeditionen bewahrt das
Archiv für deutsche Polarforschung
Einer gegen alle, hieß es am 6. Januar 1912 auf der Hauptversammlung der Geologischen Vereinigung in Frankfurt am Main. An jenem Tag hielt der damals 31-jährige Meteorologe Alfred Wegener seinen Vortrag über die Entstehung der Ozeane und Kontinente und brachte damit die althergebrachten Vorstellungen ins Wanken. In unseren Geschichten und Interviews (oben) erfahren Sie unter anderem, wie Alfred Wegener damals zu seiner Annahme kam und was junge Geologen heute noch von ihm lernen können. Seine Lebensdaten zeigt die Zeitleiste unten.
Alfred Lothar Wegener wurde 1880 in Berlin in eine Pastorenfamilie geboren. Seine Kindheit und Jugend verlebte er jedoch in Zechlinerhütte bei Rheinsberg. Seine Schulzeit verbrachte er allerdings am Köllnischen Real-Gymnasium in Berlin-Neukölln. Nach dem erfolgreich bestandenen Abitur studierte er von 1900 bis 1904 Physik, Meteorologie und Astronomie in Berlin, Heidelberg und Innsbruck.
1905 wurde er in Astromomie von Julius Bauschinger an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin promoviert. Seine erste Anstellung fand er im selben Jahr als Assistent am Aeronautischen Observatorium Lindenberg bei Beeskow.
Von 1906 bis 1908 ging er als Teilnehmer der dänischen Expedition unter Leitung von Ludvig Mylius-Erichsen auf seine erste Grönlandfahrt. Nach seiner Rückkehr wurde er Privatdozent für Meteorologie, praktische Astronomie und kosmische Physik an der Philipps-Universität Marburg. 1909/10 arbeitete er an seinem Buch "Thermodynamik der Atmosphäre", in dem er auch zahlreiche Ergebnisse der Grönland-Expedition verwertete.
Zu Beginn des Jahres 1912 stellte er der Öffentlichkeit erstmals seine Überlegungen zur Kontinentalverschiebung vor. In den Jahren von 1912 bis 1913 nahm Wegener zum zweiten Mal an einer Forschungsreise nach Grönland teil. Die dänische Expedition unter Johan Peter Koch überwinterte erstmals auf Grönland.
Nach seiner Rückkehr heiratete er Else Köppen, die Tochter seines Mentors Wladimir Köppen. Nach der Hochzeit zog das Paar nach Marburg. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs wurde Wegener als Reserveoffizier sofort eingezogen, kämpfte an der Westfront und wurde nach zweimaliger Verwundung für felddienstuntauglich befunden. Er wurde dem Heereswetterdienst zugeteilt und unterrichtete als Meteorologe u. a. Offiziere, die Luftschiffe führen sollten. In dieser Zeit arbeitete er auch an seinem Hauptwerk "Die Entstehung der Kontinente und Ozeane", das 1915 erstmalig als Buch erschien.
1919 wurde Wegener zum Leiter der Abteilung "Meteorologische Forschung" der Deutschen Seewarte in Hamburg ernannt, weshalb die Familie Wegener nach Hamburg umsiedelte. 1921 wurde er zum außerordentlichen Professor an die Universität Hamburg berufen. Drei Jahre später erhielt Wegener den Ruf auf den ordentlichen Lehrstuhl für Meteorologie und Geophysik an der Karl-Franzens-Universität im österreichischen Graz. Dort wandte er sich zunächst der Physik und der Optik der Atmosphäre sowie dem Studium der Tromben (Wirbelstürme) zu.
Dann erst konzentrierte er sich wieder auf die wissenschaftliche Auswertung seiner zweiten Grönland-Expedition (Eismessungen, atmosphärische Optik etc.) und publizierte 1929 die vierte Auflage der "Entstehung der Kontinente und Ozeane". Im selben Jahr begab er sich zusammen mit seinen Mitarbeitern Johannes Georgi, Fritz Loewe und Ernst Sorge auf seine dritte Grönland-Expedition, um die günstigste Stelle für den Aufstieg der im Folgejahr geplanten Hauptexpedition ins grönländische Inlandeis zu finden. Auf dieser Expedition sollte von drei festen Stationen aus die Mächtigkeit des Festlandeises und das ganzjährige Wetter gemessen werden.
Die Forschungsreise selbst verlief aber unglücklich: Bedingt durch strikte Haushaltspolitik der Regierung Brüning standen für den Haushalt des auch für die Wissenschaft zuständigen Reichsinnenministeriums und damit für den Haushalt der Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft und für den Etat der Expedition deutlich weniger finanzielle Mittel als vorgesehen zur Verfügung. Die Aussicht, weitere Gelder zu erhalten, war gering.
Der Erfolgsdruck auf Wegener als Expeditionsleiter war mithin enorm. Durch ungünstige Eisverhältnisse bei der Landung an der Westküste kam es zudem zu einem Zeitverlust von 38 Tagen, der im Folgenden nicht wieder aufgeholt werden konnte. Darüber hinaus konnte die Forschungsstation 'Eismitte' (im Wesentlichen eine in das Eis gegrabene Höhle) nicht vollständig ausgerüstet und mit Lebensmitteln versorgt werden; ein Umstand, der ein Überwintern dort zu einem schwierigen Unterfangen werden ließ.
Angesichts dieser Situation nahm Wegener es selbst auf sich, diese Station mit zusätzlichen Lebensmitteln und Brennstoff zu versorgen. Auf dem Rückweg von Eismitte starb Wegener vermutlich um den 16. November 1930. Am 12. Mai 1931 fand eine von Sorge und Karl Weiken geführte Suchexpedition Wegeners Grab, das von dessen grönländischem Begleiter, Rasmus Willumsen, sorgfältig angelegt worden war. Als Todesursache Wegeners konnte nur Herzversagen in Folge von Überanstrengung angenommen werden, da Willumsen und mit ihm Wegeners Tagebuch verschollen blieben.
Unmittelbar nach Wegeners Tod wurde seine wissenschaftliche Leistung eher in der Meteorologie und in der Polarforschung verortet. Heute wird dagegen als seine bedeutendste wissenschaftliche Leistung die Theorie zur Kontinentalverschiebung gewertet, die erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts anerkannt und in den folgenden Jahren die Grundlage der Theorie der Plattentektonik wurde.
Autor: Christian Salewski
Alfred Wegener und sein Bruder waren begeisterte Ballonfahrer. Im Jahr 1906 gelang ihnen ein besonders langer Ballonflug. Schlecht mit Kleidung und Proviant ausgerüstet, landeten sie von Hunger und Kälte gezeichnet erst nach 52,5 Stunden, womit sie den damals gültigen Weltrekord um 17 Stunden überboten hatten.
Wegeners erster meteorologischer Artikel erschien schon im Jahr 1905 und schildert den Einschlag eines Blitzes in eine Drachenstafette, bei der sechs Drachen mit über 9000 Metern Draht in der Luft standen. Der oberste Drachen trug die selbstregistrierenden Instrumente. Als Wegener wegen eines aufziehenden Gewitters mit dem Einholen begann, sah er plötzlich einen Feuerstrahl unter explosionsähnlichem gewaltigen Zischen längs dem Draht bis zu der zwei Meter vor ihm befindlichen äußersten Ablaufrolle herunterfahren. Wegener hatte Glück und entging einer Verletzung. Der Draht war allerdings vollständig verglüht.
Auf der dänischen Mylius-Erichsen Expedition 1906-08 in Nordostgrönland hat Alfred Wegner innerhalb von 90 Reisetagen 1500 km per Hundeschlitten zurückgelegt. Mit dem Handschlitten war er 43 Tage unterwegs, wobei er rund 500 km zurücklegte.
Bei der Querung Grönlands 1912/13 auf etwa 77°N musste er zusammen mit seinen Kollegen Koch, Vigfuß und Larsen gut 1200 km marschieren, wobei der größte Teil auf Skiern in Höhen um 3000 Meter bewältigt wurde. Die eigentliche Querung des Inlandeises dauerte 75 Tage.
Wegener hat auf der Expedition 1906/08 mit dem Rauchen begonnen. Auf Kritik antwortete er mit einem Lobgedicht auf den Tabak, das wie folgt beginnt:
Ich lobe mir die kurze Pfeife!
Damit der Geist nicht ziellos schweife,
Und die Probleme fest ergreife,
So daß die Arbeit richtig reife, ….
Eine besondere Vorliebe hegte Wegener für die Lyrik Christian Morgensterns. Er selbst versuchte sich zu konkreten Anlässen gelegentlich mit humorvoll, komischen Gedichten – zum Beispiel:
Auf hoher See Hipp! Hipp! Hurra! Wir fahren nach Amerika!
Wir stampfen gegen Wind und See, sieben Meilen Fahrt, Herrjemineh!
Windstärke neun von vorn o Schreck! Wir nehmen Wasser über Deck.
Doch wenn erlahmt des Sturmes Kraft, entfaltet sich die Wissenschaft.
Der Doktor schon zu diesem Zwecke, füllt den Ballon hier in der Ecke.
Erst muss er tüchtig >Auftrieb< kriegen, dann läßt ihn der Professor fliegen.
Das weitere ist gar nicht schwer: Man guckt von unten hinterher.
Und rechnet dann im Kämmerlein, wie wohl der Wind mag oben sein.
Als sich Alfred Wegener und seine Expeditionskammeraden Anfang Juli 1913 am Ende der Grönlandquerung der Westküste näherten, war das letzte verbliebene Pferd, Grauni, sehr geschwächt. Die Männer hatten sich aber in den Kopf gesetzt, dieses Pferd unbedingt zu retten.
Unter dem 28. Juni heißt es in Wegeners Tagebuch: … Etwa zwei Kilometer legten wir auf eine originelle Weise zurück, für welche wir – soweit mir bekannt ist – die Priorität besitzen: Wir packten Grauni auf den Schlitten und banden ihn dort fest, und dann zogen wir selbst den Schlitten! … Nach diesem ersten Versuch, wie Wegener es nannte, wurde Grauni in den folgenden Tagen noch mehrfach auf dem Schlitten transportiert. Das Pferd hat aber die Westküste nicht erreicht. Unter dem 4. Juli heißt es: Wir haben schon lange kein Brot mehr gegessen, sondern alles an Grauni abgetreten, wir haben uns mit kleinen Tagesmärschen begnügt, wo wir mit Hilfe des Segels große hätten machen können, wir haben ihn auf den Schlitten gelegt und selbst gezogen – viele Meilen – und nun stirbt er uns eine Meile vor dem Depot.
Teile des Nachlasses von Alfred Wegener sowie historische Aufnahmen von seinen Expeditionen bewahrt das
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