Dem Alter auf der Spur
Dank eines Hightech-Geräts kann das Alfred-Wegener-Institut viele der polaren Klimaarchive endlich wissenschaftlich neu erschließen. Im sogenannten C-14-Labor (Micadas-Facility) bestimmen AWI-Wissenschaftler:innen das Alter von Proben anhand von radioaktivem Kohlenstoff. Genutzt wird dazu eines der modernsten Beschleuniger-Massenspektrometer, das es auf dem Markt gibt.
Um das „Geburtsjahr“ etwa von Mikrofossilien, Holz, Blättern, Muscheln oder anderen Bestandteilen in Proben aus dem Meeresboden herauszufinden, ist hochpräzise analytische Arbeit gefordert. Eine Aufgabe, die am Alfred-Wegener-Institut im C-14-Labor gelöst wird. Genutzt wird dazu die sogenannte Radiokohlenstoffdatierung, auch 14C-Methode (sprich: C-14) genannt.
Die 14C-Methode beruht auf der Bestimmung des Isotopenverhältnisses von radioaktiven Kohlenstoff 14C zum stabilen Isotop 12C. Der radioaktive Kohlenstoff entsteht in der Atmosphäre und wird später von allen Lebewesen auf der Erde aufgenommen. Während der Lebenszeit bleibt der 14C -Gehalt in den Organismen weitgehend konstant, da diese im steten Austausch mit der Atmosphäre stehen. Wenn jedoch etwa ein Organismus stirbt, endet der Austausch mit der Atmosphäre. Der 14C -Gehalt wird nun allein durch den radioaktiven Zerfall bestimmt, der mit einer bestimmten Halbwertszeit vonstatten geht, während die stabilen Kohlenstoff-Isotope erhalten bleiben. Aufgrund dessen lässt sich durch Bestimmung des Isotopenverhältnisses 14C/12C das Alter der Probe bestimmen.
Schon geringste Kohlenstoff-Mengen können analysiert werden
Üblicherweise wird für die 14C-Methode ein Beschleuniger-Massenspektrometer verwendet, traditionell ein riesiges Gerät, das eine ganze Halle füllt und zeitaufwendig von viel Personal betreut werden muss. Bislang wurden Proben daher immer an Großlabore geschickt, die mit dieser Technik ausgestattet sind, was allerdings stets ein kostspieliges und zeitintensives Unterfangen war. Die Weiterentwicklung des herkömmlichen Beschleuniger-Massenspektrometers hat ermöglicht, dass seit einiger Zeit sehr viel kleinere auf die 14C-Messung spezialisierte Geräte erhältlich sind. „Die hohen Kosten der externen Analysen waren einer der Gründe, weshalb das AWI jetzt ein eigenes 14C-Labor hat“, berichtet Gesine Mollenhauer. Sie ist marine Geochemikerin und leitet das Labor. Das AWI ist bislang das einzige Institut in Nordwestdeutschland, das solch ein neuartiges 14C-Beschleuniger-Massenspektrometer besitzt, mit dem auch geringste Kohlenstoff-Mengen analysiert werden können. Diese Möglichkeit ist der Hauptgrund, warum das AWI auf die neue Technik setzt.
Mit der 14C-Methode lässt sich zuverlässig das Alter von Probenmaterial bestimmen, das von 300 Jahren bis zu 50.000 Jahre alt ist – unabhängig vom Aggregatzustand. Während zuvor eine 14C-Analyse nur an einer aus Graphit (reiner Kohlenstoff) bestehenden Probe möglich war, kann nun auch Material gasförmig als CO2 eingeleitet werden. „Dadurch ist es möglich geworden, Altersdatierungen bei Proben vorzunehmen, von denen nur wenige Mikrogramm vorhanden sind“, erklärt Gesine Mollenhauer. Dies ist vor allem für Sedimentkerne aus den Polargebieten interessant, da in diesen Ablagerungen häufig nur sehr geringe Mengen datierbaren Materials vorhanden sind.
Der Nachteil ist zwar, dass Messergebnisse bei CO2 nicht so präzise sind wie bei Graphit. „Trotzdem ist das ein Erfolg. Denn es ist besser, als gar keine Möglichkeit zur Messung zu haben“, erzählt die Laborleiterin. „Früher hat schlicht die Größe der Proben nicht ausgereicht. Aber dadurch, dass das Gerät kleinste Proben analysieren kann, erschließen sich nun viele Archive, die vorher nicht datierbar waren.“