AG Gemeinschafts- & Evolutionsökologie
Die zeitlichen, räumlichen und evolutiven Dynamiken von Populationen in Küstenökosystemen sind durch vielseitige zwischenartliche Wechselwirkungen geprägt. In der AG Gemeinschafts- und Evolutionsökologie verbinden wir dabei beobachtende, experimentelle und molekularbiologische Ansätze, um die Effekte solcher Interaktionen (z.B. Prädation und Parasitismus) zu untersuchen. Ziel ist es Veränderungen im Artenvorkommen und der Populationsstruktur ursächlich zu erklären, sowie übergeordnete Anpassungsstrategien der Organismen an eine sich verändernde Umwelt zu erkennen. Die Schwerpunkte liegen dabei auf den Effekten von eingeschleppten Arten und der vergleichenden Ökosystemforschung. Mit experimentellen Arbeiten auf verschiedenen räumlichen Skalen weit über das Wattenmeer hinaus analysieren wir so ökologische Muster von genetischer Ebene bis zu dem Niveau von ganzen Lebensgemeinschaften.
Forschungsthemen
Gemeinschaftsökologie
Sedimentküsten, wie das Wattenmeer, sind vorwiegend durch Organismen geprägt, die versteckt im Boden leben. Wenige Arten bilden aber auf der Sedimentoberfläche bedeutende Lebensräume aus, die Oasen der Artenvielfalt darstellen und in denen weitreichende Wechselwirkungen zwischen den Arten ablaufen. Diese Interaktionen untersuchen wir in Seegraswiesen, Muschelbänke und in Riffen von eingeschleppten Austern und Algenwäldern, um daraus ihre funktionale Bedeutung für den gesamten Lebensraum abzuleiten.
Weltweit ist in Küstenlebensräumen eine zunehmende Anzahl von nicht-heimischen Arten (Neobiota) zu verzeichnen. Sie können den Lebensraum und die in ihm ablaufenden Prozesse nachhaltig verändern. Neben einem regelmäßigem Programm zu Erfassung von Neu-Einschleppungen studieren wir die Effekte der Neuankömmlinge und ihre Wechselwirkungen mit heimischen Organismen.
Der globale Anstieg der Temperaturen macht sich besonders in der Arktis bemerkbar. Wir untersuchen die Auswirkungen höherer Wassertemperaturen auf die Wechselwirkungen zwischen bodenlebenden Arten in arktischen Sediment-Küstenlebensräumen. Daraus werden künftige Szenarien für eine prognostizierte wärmere Arktis und ihre marinen Lebensgemeinschaften abgeleitet.
Evolutionsökologie
Parasitismus ist ein starker Selektionsfaktor, der zu schnellen evolutiven Dynamiken führen kann, da sich Wirte und Parasiten in einem Wettrüsten zwischen Resistenz/Toleranz und Infektivität/Virulenz befinden. Invasive Arten bieten eine hervorragende Möglichkeit diese koevolutiven Interaktionen zu beobachten, da invasive Wirte Parasiten aus ihrer Heimat häufig zurücklassen und im neuen Habitat mit neuen Parasiten konfrontiert werden, die den koevolutiven Prozess wieder auf Anfang stellen. Die Adaptationen von Wirten und Parasiten auf phänotypischer und molekulargenetischer Ebene erforschen wir anhand von invasiven Pazifischen Austern als Wirt von opportunisitsichen Vibrio-Bakterien, die wiederum Wirte für spezifische Viren (i.e. Phagen) sind. Aber auch Parasiten können eingeschleppt werden und in heimische Arten in ihrem neuen Lebensraum infizieren. Die invasiven parasitischen Copepoden (Mytillicola intestinalis und Mytillicola orientalis), die im Wattenmeer Miesmuscheln (Mytilus edulis) als neuen Wirt befallen sind ein sehr gutes Bespiel nicht nur für Wirt-Parasit-Interaktionen, sondern auch für Parasit-Parasite-Interkation. Die beobachteten Anpassungen über äusserst kurze Zeiträume (<10 Generationen) verdeutlichen die Stärke des Selektionsdrucks und die Nützlichkeit invasive Arten für diese Fragestellungen zu untersuchen.
Products:
- Wendling, C.C., Wegner, K.M. (2015). Adaptation to enemy shifts: rapid resistance evolution to local Vibrio spp. in invasive Pacific oysters. Proc Roy Soc B:Biol Sci 282 (1804) 20142244
- Feis, M.E., John, U., Lokmer, A., Luttikhuizen, P.C., and Wegner, K.M. (2018). Dual transcriptomics reveals co-evolutionary mechanisms of intestinal parasite infections in blue mussels Mytilus edulis. Mol Ecol 27(6), 1505-1519
- Wegner, K.M., Piel, D., Bruto, M., John, U., Mao, Z., Alunno-Bruscia, M., et al. (2019). Molecular Targets for Coevolutionary Interactions Between Pacific Oyster Larvae and Their Sympatric Vibrios. Frontiers in Microbiology 10, 2067. doi: 10.3389/fmicb.2019.02067.
- Feis, M.E., Gottschalck, L., Ruf, L.C., Theising, F., Demann, F., and Wegner, K.M. (2022). Invading the Occupied Niche: How a Parasitic Copepod of Introduced Oysters Can Expel a Congener From Native Mussels. Frontiers in Marine Science 9. doi: 10.3389/fmars.2022.915841
- Piel, D., Bruto, M., Labreuche, Y., Blanquart, F., Goudenège, D., Barcia-Cruz, R., et al. (2022). Phage–host coevolution in natural populations. Nature Microbiology. doi: 10.1038/s41564-022-01157-1.
Phänotypische Plastizität kann den Einfluss ungünstiger Umweltfaktoren auf Organismen abpuffern, da derselbe Genotyp unterschiedliche Phänotypen in unterschiedlichen Umwelten ausprägen kann. Dies ermöglicht eine schnelle Antwort auf sich ändernde Selektionsdrücke. Besteht eine Korrelation zwischen Umwelt der Eltern und Umwelt der Nachkommen, ist es selektiv von Vorteil die Information über phänotypisch günstige, plastische Eigenschaften an die Nachkommen weiterzugeben. Diese epigenetischen Mechanismen der transgenerational plasticity (TGP) erforschen wir im Zusammenhang zwischen Temperatur und Performance in marinen Populationen des dreistachligen Stichling (Gasterosteus aculeatus) und konnten hier zeigen, dass die Temperaturumwelt der Mutter das Wachstum der Nachkommen in der jeweiligen Umwelt stark beeinflusst. Mechanistisch wird hier die Information über eine plastische Anpassung des mitochondrialen Stoffwechsels und die direkte Weitergabe der Mitochondrien von Müttern an die Nachkommen erreicht. Wirkungen auf dem physiologischen und phänotypischen Niveau unterliegen Veränderungen der Genexpression (Transkriptom), die von Müttern und Großmüttern vererbt wurden, was auf eine epigenetische Grundlage für TGP hindeutet.
Products:
- Fellous A, Wegner KM, John U, Mark FC and Shama LNS (2022): Windows of opportunity: ocean warming shapes temperature-sensitive epigenetic reprogramming and gene expression across gametogenesis and embryogenesis in marine stickleback. Global Change Biology 28: 54-71. doi.org/10.1111/gcb.15942
- Adrian-Kalchhauser I, Sultan SE, Shama LNS, Spence-Jones H, Tiso S, Keller Valsecchi CI and Weissing FJ (2020) Understanding non-genetic inheritance: Insights from molecular-evolutionary crosstalk. Trends in Ecology and Evolution 35: 1078-1089. doi.org/10.1016/j.tree.2020.08.011
- Donelson, J.M., Salinas, S., Munday, P.L., Shama, L.N.S., 2018. Transgenerational plasticity and climate change experiments: where do we go from here? Global Change Biology 24: 13-34.
- Shama, L.N.S., Strobel, A., Mark, F.C., Wegner, K.M., 2014. Transgenerational plasticity in marine sticklebacks: maternal effects mediate impacts of a warming ocean. Functional Ecology 28, 1482-1493.
- Shama, L.N., Wegner, K.M., 2014. Grandparental effects in marine sticklebacks: transgenerational plasticity across multiple generations. J Evol Biol 27, 2297-2307.
Organismen sind nicht nur Teil eines Ökosystems - sie können auch selber ein Ökosystem für ein artenreiche Mikrobengemeinschaft sein. Diese Mikrobiome sind wichtig für viele physiologische Prozesse des Wirtes (z.B. Entwicklung, Verdauung, aber auch Abwehr von Krankheiten und Parasiten). Mittels moderner Sequenziertechnologien untersuchen wir die Rolle von Mikrobiomen in verschiedenen Organen für die Fitness von Austern, Muscheln und Fischen unter sich ändernden Umweltbedingungen und Infektion durch Parasiten und konnten zeigen, dass eine stabile, vielfältige mikrobielle Gemeinschaft in der Hämolymphe von Austern Schutz gegen Infektionen bieten kann.
Products
- Lokmer A, Wegner KM (2015) "Hemolymph microbiome of Pacific oysters in response to temperature, temperature stress and infection", ISME Journal 9:670-682
- Scanes, E., Parker, L.M., Seymour, J.R., Siboni, N., King, W.L., Danckert, N.P., et al. (2021). Climate change alters the haemolymph microbiome of oysters. Mar Pollut Bull 164, 111991. doi: 10.1016/j.marpolbul.2021.111991.
- Paillard, C., Gueguen, Y., Wegner, K.M., Bass, D., Pallavicini, A., Vezzulli, L., et al. (2021). Recent advances in bivalve-microbiota interactions for disease prevention in aquaculture. Curr Opin Biotechnol 73, 225-232. doi: 10.1016/j.copbio.2021.07.026.
Bahnbrechendes
News
Für 2024 sind alle Stellen für Praktikanten und studentische Hilfskräfte besetzt. Für 2025 wird es aber bald eine Ausschreibung geben!
Team
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Senior Wissenschaftler:
Postdocs:
Doktoranden:
Ronny Steinberg, Universität Bremen
Bachelor-Studentinnen:
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