Wasser trifft Land – Küstenhydrographie und -geologie

Das Wattenmeer bildet einen Übergangslebensraum zwischen Land und Meer. Der ständige Austausch mit der angrenzenden Nordsee führt zu einer sehr besonderen Charakteristik der Hydrographie und einer dynamischen und kleinräumigen Verteilung von Sedimentstrukturen. Im Bereich der Küstengeologie liegen unsere Forschungsschwerpunkte auf der Kartierung der Oberflächeneigenschaften von Meeresbodenhabitaten. Um flächenbezogene Aussagen über z.B. die Sedimenteigenschaften des Meeresbodens treffen zu können, haben sich in den letzten Jahren neue schiffsbasierte methodische Ansätze und Klassifizierungsverfahren entwickelt, die auf den akustischen Rückstreueigenschaften des Meeresbodens beruhen. Auf diese Weise können z.B. Muschelbänke und Steinriffe detektiert und untersucht werden. Durch Greiferproben und Videoanalysen können Habitate genau charakterisiert und die Verteilung von Arten am Meeresboden analysiert werden. Durch wiederholte Untersuchungen können dynamische Veränderungen am Meeresboden genaustens beschrieben werden. Hierzu gehören neben den natürlichen Dynamiken auch die Betrachtung anthropogene Einflüsse, wie zum Beispiel die Schleppnetzfischerei, Sandentnahme oder die Spuren ankernder Schiffe. Die historische Entwicklung der, auf geologischen Zeitskalen, noch sehr jungen Nordsee untersuchen wir mit schiffbasierten Ultraschall-Methoden. Dabei können eiszeitliche Oberflächen und frühere Flussläufe, die heutzutage von Wasser und Sand überdeckt sind, wieder sichtbar gemacht und analysiert werden.

Neben dieser Bewertung des aktuellen Zustands des Meeresbodens, nutzen wir sedimentäre Archive um ein besseres Verständnis für die nacheiszeitliche Entstehung und Langzeitentwicklung des Küstenraumes zu erlangen. Schlüsselbereiche unserer Arbeit umfassen die offene Nordsee, die küstennahen Gewässer vor Sylt, sowie das Wattenmeer der Sylt-Rømø Bucht.

Zudem untersuchen wir Austauschprozesse zwischen Sediment und Wassersäule. Die Sylt-Rømø Bucht ist insgesamt betrachtet ein eher flaches Gewässer mit einer durchschnittlichen Wassertiefe von nur 4 m (bei Hochwasser). Daher können sich biologische Prozesse in der Wassersäule und im Sediment direkt gegenseitig beeinflussen. Im Frühjahr beispielsweise wachsen mikroskopisch kleinen Algen in der Wassersäule und sorgen für weiterverbreitete Algenblüten. Dieses Phytoplankton stellt eine wichtige Nahrungsquelle für Muschel und andere Komponenten des aquatischen Nahrungsnetzes dar. Die Frühjahrsblüte des Phytoplanktons führt häufig zu einem nahezu vollständigen Aufbrauchen der Nährstoffe in der Wassersäule. Wenn das Phytoplankton dann abstirbt, sinkt es auf den Meeresboden, wo Nährstoffe durch die Zersetzung wieder in die Wassersäule zurückgeführt werden. In den Sedimenten der Sylt-Rømø Bucht findet der größte Teil der Primärproduktion in den Bereichen statt, die bei Ebbe trockenfallen, den sogenannten intertidalen Bereichen. An der Wattenmeerstation erforschen wir derzeit, wie eine klimabedingte Veränderung des Gezeitenzyklus und der Lichtverfügbarkeit die Aktivität und Zusammensetzung von Mikroorganismen im Sediment verändern würde. Zu den übergeordneten Zielen gehört ein besseres Verständnis der Ökosystemleistungen, die das Wattenmeer derzeit erbringt, sowie der Veränderungen, die sich durch den Meeresspiegelanstieg und die zunehmende Wassertrübung ergeben könnten. 

Wie genau sich Lebensräume und Sedimentstrukturen herausbilden ist stark abhängig von den hydrographischen Parametern im Küstenbereich. Die Ozeanmodellierung an der Wattenmeerstation umfasst die Erstellung computergestützter Darstellungen der physikalischen, chemischen und biologischen Prozesse des Ozeans. Um dessen Verhalten zu verstehen und vorherzusagen simulieren wir mit diesen Modellen die Bewegung des Wassers sowie dessen Trübung und Nähstoffverteilung. Mit den Modellen können wir zudem die Ausbreitungsmuster von Austernlarven in Restaurationsgebieten, den Einfluss des Meeresspiegels auf die Küstengebiete des Wattenmeers und die damit zusammenhängenden Veränderungen der Lebensräume untersuchen. Die Modellierung der Küstenmeere ist auch eng mit der globalen Ozean-Modellierung verbunden, die die Küste als Übergangszone zwischen dem Land und dem tiefen Ozean betrachtet.

Kontakt zu AWI-Expert:innen

Lasse Sander

Physischer Geograph Dr. Lasse Sander, Experte zum Thema Landschaftsentwicklung im Holozän

Jasper Hoffmann

Meeresgeophysiker Dr. Jasper Hoffmann, Experte zum Thema Morphologische Strukturen des Meeresbodens

Vera Sidorenko

Biowissenschaftlerin Dr. Vera Sidorenko, Expertin zum Thema Numerische Ozeanmodellierung

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nicola.camillini@awi.de

Nicola Camillini

Meeresbiologe Dr. Nicola Camillini, Experte zum Thema Küstenökologie und benthische Biogeochemie