Blauer Engel auf großer Fahrt
Die Forschungsschiffe des Alfred-Wegener-Instituts sind möglichst nachhaltig unterwegs
Umweltschutz ist heutzutage natürlich auch in der Seefahrt ein wichtiges Thema. Gerade in einem Helmholtz-Zentrum wie dem Alfred-Wegener-Institut, dessen Wissenschaftler sehr häufig auf dem Meer forschen, legt man daher großen Wert auf die Nachhaltigkeit an Bord. Das zeigen nicht nur die neu in Dienst gestellten oder umgebauten Schiffe des AWI, sondern auch die etwas älteren Baujahre wie die Polarstern, die seit 1982 im Eis des hohen Nordens und tiefen Südens unterwegs ist.
Rund 300 Tage im Jahr stampft die Polarstern durch die raue See der Polargebiete, bricht angetrieben von ihren vier beinahe 20.000 PS starken Maschinen wenn es sein muss auch durch dickes Eis und verfeuert dabei in einem einzigen Monat ungefähr 900 Tonnen Treibstoff. Trotzdem hält sich die Umweltbelastung in Grenzen. Und das keineswegs nur, weil Schiffe im Vergleich mit den meisten anderen Fortbewegungsmitteln in der Ökobilanz ohnehin sehr gut abschneiden. Sondern auch, weil auf der Polarstern mit den vorhandenen Ressourcen möglichst schonend umgegangen wird.
So kann die 118 Meter lange Polarstern zwar durchaus mit 16 Knoten oder knapp 30 Kilometern in der Stunde durch die Wellen rauschen, nutzt diese Höchstgeschwindigkeit aber nur extrem selten aus. „Normalerweise sind die Forscher mit höchstens 10,5 Knoten und damit nicht einmal mit 20 Kilometern in der Stunde unterwegs“, erklärt Marius Hirsekorn, der für die logistische Koordination der AWI-Forschungsschiffe verantwortlich ist. Das aber drückt den Treibstoff-Verbrauch und damit auch den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid enorm.
Dabei ist mit Treibstoff keineswegs Schweröl, sondern das viel sauberere Dieselöl gemeint. „Davon wiederum bunkert die Polarstern die sauberste Variante „DMA“, die nur wenig schlechter als der Diesel für Lastkraftwagen ist“, berichtet Marius Hirsekorn, der vor seinem Einstieg beim AWI Kapitän auf Groß-Containerschiffen war.
Umweltschutz spielt aber nicht nur im Maschinenraum, sondern auch sonst an Bord eine prägende Rolle. Immerhin sind mit bis zu 44 Mitgliedern der Schiffscrew und höchstens 55 Wissenschaftlern und Technikern fast hundert Menschen an Bord, die duschen und auf die Toilette gehen. Ein ausgeklügeltes System reinigt die so entstehenden Abwässer zu glasklarem Wasser, das man zwar ohne gesundheitliche Bedenken trinken könnte, das aber über Bord geleitet wird. Nicht über Bord geht dagegen Müll, obwohl das für abbaubare Substanzen wie Holz oder Pappe nach den Regeln der Hochsee-Schifffahrt durchaus möglich wäre. Auf der Polarstern wird der Müll dagegen sauber getrennt nach Essensresten, Kunststoffen oder Pappe in einem gut sechs Meter langen Container gesammelt. Dieser Abfall wird dann im nächsten Hafen ordnungsgemäß entsorgt. Nur wenn dieser Container auf einer der bis zu 80 Tagen dauernden Fahrten vor dem nächsten Hafen voll ist, wird ein Teil des Mülls in einer für Hochseeschiffe üblichen Verbrennungsanlage verfeuert.
Auf dem fast 55 Meter langen AWI-Forschungsschiff Heincke lässt sich der Umweltschutz erheblich einfacher umsetzen, weil die höchstens zwölf Forscher und ebenso viele Besatzungsmitglieder an Bord nicht länger als einen Monat auf der Nordsee und im Nordatlantik bis hinauf nach Spitzbergen unterwegs sind. Da kann der getrennt gesammelte Müll nach der Rückkehr problemlos in Bremerhaven entsorgt werden. Dort im Heimathafen kann das Schiff auch von Land aus mit Strom versorgt und so fossile Brennstoffe gespart werden. Allerdings waren die Hauptmaschinen des 1990 in Dienst gestellten Schiffes in die Jahre gekommen und wurden daher Anfang 2015 durch drei Dieselmotoren ersetzt, die zusammen 2140 PS bringen, aber sparsamer als ihre Vorgänger sind.
Platz für einen Rußfilter und eine Abgasreinigung, die mit einem Katalysator die Stickoxide entfernt, gab es aber erst, als der alte Schornstein der Heincke demontiert wurde. Im neuen Schornstein ist die Abgasreinigung gleich eingebaut und das zweitgrößte Forschungsschiff des AWI fährt seither nach dem derzeitigen Stand der Technik umweltschonend durch die Nordsee und den Nordatlantik.
Die 21 Meter lange Mya II, die 2013 in Dienst gestellt wurde, ist sogar mit dem Zertifikat "Blauer Engel für Schiffsdesign" unterwegs. „Bei diesem Neubau konnten wir Rußfilter und die Abgasreinigung gleich mit einplanen“, erklärt Marius Hirsekorn. Der Dieselmotor läuft mit dem gleichen Diesel, der auch LKW-Motoren antreibt. Auch der Biozid-freie Anstrich des Rumpfes, der die Organismen im Meer nicht belastet, war natürlich von Anfang an dabei. Und weil die in List auf der Insel Sylt beheimatete Mya II für die Küstenforschung eingesetzt wird und daher überwiegend Ein-Tages-Fahrten macht, können Müll und Abwässer problemlos im Hafen entsorgt werden. Auch der Hilfsdiesel, der den elektrischen Strom an Bord liefert, hat einen Rußfilter und im Hafen wird die Mya II ohnehin über ein Elektrokabel von Land mit Strom versorgt.
Das nächste AWI-Projekt für den Umweltschutz auf dem Meer ist der Uthörn-Neubau und wird derzeit in der Fassmer Werft in Berne/Niedersachsen gebaut. Der Nachfolger des 1982 in Dienst gestellten gut 30 Meter langen Forschungskutters Uthörn wird einen weiteren Beitrag zur nachhaltigen Seefahrt leisten: Es wird das erste Schiff der deutschen Forschungsflotte mit einem umweltfreundlichen Methanol-Antrieb. Bei der Verbrennung des Alkohols Methanol gelangen deutlich weniger Rußpartikel in die Luft als bei Benzin, Diesel oder Schweröl. Eine Herausforderung ist allerdings die im Vergleich zum Diesel nur halb so hohe Energiedichte des Alkohols. Die neue Uthörn bekommt deshalb deutlich größere Treibstofftanks, damit sie genügend Methanol für eine weiterhin hohe Reichweite bunkern kann. Um das neue Schiff dann nach der Übergabe Ende 2022 auch von Beginn an nahezu CO2-neutral zu betreiben, soll ein Liefervertrag für grünes Methanol vereinbart werden. Von grünem Methanol spricht man, wenn dessen Produktion mit erneuerbaren Energien gekoppelt ist. Ein weiterer Vorteil eines Methanol-Antriebs ist die gute Löslichkeit von Methanol und schnelle Verarbeitung durch Bakterien im Wasser, so dass es im Falle eines Lecks keine große Umweltgefahr darstellt.
Ist der Neubau fertig gestellt, wird die Uthörn-Nachfolge wie ihr Vorgänger Studierende der Meereswissenschaften mit an Bord nehmen und ihnen die praktische Arbeit auf See nahebringen. Neben den Ausbildungsfahrten bleibt der Uthörn-Nachfolger auch weiterhin zentral für Langzeitforschung des Alfred-Wegener-Instituts und die Probenentnahme in der Deutschen Bucht. Vier Forschende können auf dem Forschungskutter gemeinsam mit der Besatzung bis zu fünf Tage auf See bleiben und dabei maximal 1.200 Seemeilen zurücklegen.