Salzmarschen und Seegraswiesen

Salzmarschen (auch Salzwiesen genannt) sind Lebensräume an der Küste, die eine Übergangszone zwischen Meer und Land darstellen. Sie sind weltweit verbreitet und nehmen insgesamt eine Fläche von ca. 45 000 km2 ein, von denen 395 km2 im Wattenmeer zu finden sind. Salzmarschen entstehen häufig in Küstenbereichen, die wind- sowie wellengeschützt sind und hohe Sedimentationsraten aufweisen. Da Salzmarschen aufgrund ihrer Lage regelmäßig mit Meerwasser überflutet werden, ist ihre Vegetation, die hauptsächlich aus Kräutern, Gräsern und niedrigwachsenden Sträuchern besteht, an Staunässe und hohe Salzkonzentrationen angepasst. Die physische Struktur der Salzmarschvegetation reduziert bei jeder Überflutung die Strömungsgeschwindigkeiten und Turbulenzen des Meerwassers. Als Konsequenz können sich die im Wasser transportierten Sedimentpartikel unter den beruhigten Strömungsbedingungen hier ablagern. Dieser Prozess ist für die Entwicklung einer Salzmarsch wichtig, aber auch um mit dem steigenden Meeresspiegel mitwachsen und weiterhin bestehen zu können. Salzmarschen leisten somit auch einen herausragenden Beitrag zum Küstenschutz. Neben Sedimentpartikeln filtern sie Schadstoffe aus dem Wasser, wodurch sie eine wichtige Rolle im Nährstoffkreislauf einnehmen. Darüber hinaus haben Salzmarschen eine immense Bedeutung als Brut-, Nahrungs- und Rastgebiet für viele Küsten- und Zugvögel. Aber auch andere hoch-spezialisierte Tier- und Pflanzenarten sind hier beheimatet, sodass diese Lebensräume einen wichtigen Beitrag zur globalen Biodiversität leisten. 

Eine weitere Ökosystemleistung, die vor allem in den letzten Jahren in den Fokus der Forschung gerückt ist, ist das hohe Potenzial von Salzmarschen, CO2 aus der Atmosphäre aufzunehmen, zu binden und im Sediment dauerhaft festlegen zu können. Die Kohlenstoff-Festlegung in Salzmarschen übersteigt sogar häufig die Festlegungsraten terrestrischer Lebensräume (z.B. dem tropischen Regenwald). Dies liegt im Wesentlichen an der hohen Produktivität der Salzmarschvegetation, den reduzierten Abbauprozessen im Boden und dem zusätzlichen hohen Kohlenstoffeintrag aus dem angrenzenden Meer. 

Trotz ihrer großen Bedeutung nimmt die Fläche der Salzmarschen weltweit jährlich um 1-2% ab. Gründe hierfür sind weitestgehend menschliche Einflüsse wie Landnutzung (z.B. Landgewinnung für Ackerbau), Eutrophierung und Folgen des Klimawandels. Auch im Wattenmeer sind Salzmarschen stark menschlich geprägt, z.B. durch Beweidung, künstliche Entwässerung oder das Anlegen von Sedimentationsfeldern. Auch wenn die Auswirkungen dieser Maßnahmen auf die Salzmarschenentwicklungen unterschiedlich ausfallen, stellen sie alle Eingriffe in die natürliche Genese dar. Durch die zunehmende Wahrnehmung als bedeutsamer Lebensraum sowie die Gründung des Nationalparks wurden Salzmarschen im Wattenmeer unter Schutz gestellt und menschliche Eingriffe reduziert, sodass sich positive Entwicklungen und eine Flächenzunahme von ca. 15% in den letzten 30 Jahren verzeichnen lassen.

Seegraswiesen finden sich im Meer oft angrenzend oder in unmittelbarer Nähe zu Salzmarschen. Sie kommen weltweit vor, ausgenommen der Arktis und Antarktis, und sind die dominierende Vegetation flacher, sandiger Küsten. Sie umfassen global eine geschätzte Fläche von 160 400 – 266 600 km2. Die meisten Seegrasvorkommen wachsen im Flachwasserbereich und sind somit ständig mit Wasser bedeckt. Sie besiedeln aber auch Wattflächen, wo sie regelmäßig bei Ebbe trockenfallen. Dies ist auch im Wattenmeer der Fall.

Seegraswiesen werden aus vielen Seegraspflanzen gebildet, die in Gemeinschaft auftreten. Diese Wiesen zeichnen sich durch eine hohe Produktivität aus und erfüllen eine Vielzahl ökologisch wichtiger Funktionen. Sie bieten einer Fülle von Organismen Lebensraum sowie Schutz vor Räubern und sind somit Hotspots für Artenvielfalt. Seegraswiesen dienen auch als Laichgebiete und Kinderstuben für Fische und stellen eine wichtige Nahrungsquelle dar, z.B. für Meeresschildkröten, Dugongs und Zugvögel. Ähnlich der Salzmarschen verstärken Seegräser die Sedimentation, indem sie durch ihre Blätter die Rauigkeit des Untergrunds erhöhen und Strömungsgeschwindigkeiten herabsetzen. Mit ihrem dichten Wurzelwerk und einer geschlossenen Vegetationsdecke vermindern sie die Erosion des Meeresbodens und leisten so einen Beitrag zum Küstenschutz. Weitere Parallelen zu den Salzmarschen sind, dass Seegräser ebenfalls Nährstoffe aus dem Wasser filtern und bedeutende Mengen an Kohlenstoff speichern können. Kohlenstoff wird dem Meerwasser oder der Atmosphäre in Form von CO2 entnommen und ebenso wie bei Salzmarschen dauerhaft und sehr effizient im Sediment eingelagert. Allerdings hängt das Potenzial Kohlenstoff zu speichern von vielen internen und externen Faktoren ab, so dass die Speicherkapazität regional große Unterschiede aufweist. Im Vergleich zu wärmeren Regionen (wie z.B. Mittelmeer oder Tropen) kann Seegras im Wattenmeer nur geringe Mengen an Kohlenstoff einlagern.

Der Bestand der Seegraswiesen ist weltweit gesehen rückläufig. Dies wurde auch bei den Seegraswiesen im europäischen Wattenmeer beobachtet, insbesondere in den 1970er bis 1990er Jahren. Eine langfristige Beobachtung aus der Luft und vor Ort ergab jedoch, dass sich die Seegraswiesen im nördlichen Wattenmeer in den letzten 25 Jahren stark erholt haben. Seit den späten 1990er Jahren hat sich die Fläche der Seegräser mehr als versechsfacht. Dies wird in erster Linie auf eine Verringerung der Nährstoffeinträge ins Wattenmeer zurückgeführt. Da Nährstoffe durch die Einleitungen der Flüsse in das Wattenmeer eingebracht werden, ist diese Erholung leider nur auf das nördliche Wattenmeer beschränkt, welches sich weit von den großen Flussmündungen entfernt befindet. Das zentrale und das südliche Wattenmeer liegen in der Nähe von großen Flussmündungen wie Elbe, Weser, Ems und Rhein. Die Seegraswiesen in diesen Bereichen befinden sie sich in der Nähe der Verschmutzungsquelle und leiden immer noch unter einer übermäßigen Nährstoffbelastung. Hier wäre eine weitere Reduzierung erforderlich.

 

Kontakt zu AWI Expert:innen

Tobias Dolch

Physischer Geograph Dr. Tobias Dolch, Experte zum Thema Lebensraumveränderungen im Wattenmeer

Svenja Reents

Pflanzenökologin Dr. Svenja Reents, Expertin zum Thema Vegetation in Salzwiesen und Seegraswiesen

Portraitfoto von Dr. Christian Buschbaum

Christian Buschbaum

Meeresökologe Dr. Christian Buschbaum, Experte zum Thema Küstenforschung