Erfahren Sie mehr in unseren kostenlosen öffentlichen Vorträgen auf Sylt - zum Beispiel bei einem Vortrag am 16.07.2024 von Andreas Waser oder am 20.08.2024 von Sabine Horn.
Das Watt als Ökosystem
Das Küstengebiet der süd-östlichen Nordsee mitsamt dem Wattenmeer ist ein hochproduktives System, mit vielfältigen Interaktionen zwischen den hier lebenden Organismen. In diesem Küstennahrungsnetz spielt jede Art eine wichtige Rolle für die Funktionen des Ökosystems insgesamt. Natürliche, aber vor allem menschengemachte Einwirkungen nehmen Einfluss auf einzelne Arten, Gemeinschaften und Lebensräume. Dadurch entstehen Veränderungen, wobei schon ein zunächst kleiner Einfluss große Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem ausüben kann.
Derzeit ist die zentrale Frage, wie der Klimawandel und die zunehmende menschliche Nutzung die Struktur und Funktionen unserer Nordseeküste beeinflussen, und in welchem Maße sich die Organismen an die Veränderungen anpassen können. Auch gibt es häufig Faktoren, die zusammenspielen und damit Effekte verursachen, die nicht vorhersehbar sind.
Die zeitlichen, räumlichen und evolutiven Dynamiken von Populationen in Küstenökosystemen sind durch vielseitige zwischenartliche Wechselwirkungen wie Prädation oder Parasitismus geprägt. Diese natürlichen Prozesse gilt es generell zu verstehen, um abschätzen zu können, wie der menschliche Einfluss diese verändert. Dafür verbinden wir beobachtende, experimentelle und molekularbiologische Ansätze, mit denen wir Veränderungen in dem Vorkommen von Arten und deren Populationsstruktur erklären, sowie Anpassungsstrategien der Organismen an eine sich verändernde Umwelt erkennen können. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf den Effekten von eingeschleppten Arten, die mit der internationalen Schifffahrt und durch Aquakulturaktivitäten den Sprung von fernen Küsten in unsere heimischen Gebiete schaffen und sich hier erfolgreich ansiedeln. Eine besondere Rolle spielt hierbei die Pazifische Auster. Diese schon seit den 1980er Jahren eingeschleppte Art bildet dichte Riffe auf dem Meeresboden im mittleren Gezeitenbereich bis in die dauerüberfluteten Gebiete des Wattenmeeres. Hier hat sie vorher vorhandene heimische Miesmuschelbänke in Mischriffe aus Muscheln und Austern umgewandelt und damit einen ganz neuartigen Lebensraum mit Auswirkungen auf die vorhandene Lebensgemeinschaft geschaffen. Die Austern kamen auch nicht alleine, sondern brachten weitere assoziierte Arten, unter anderem auch Parasiten und Krankheiten mit, die jetzt auch heimische Arten befallen. Die hiermit einhergehenden Änderung der Biodiversität des Wattenmeeres wird mit moderner DNA-Technologie von der Genebene bis zu mikrobiellen, Plankton- und Benthos-Gemeinschaften untersucht. Daneben spielen die kommerziell genutzte Nordseegarnele und der dreistachlige Stichling als Modellart eine wichtige Rolle. Vor allem an Stichlingen kann erkannt werden, wie sich Umweltveränderungen in der Genetik der Organismen wiederspiegelt und wie diese sich auf molekularer Ebene anpassen. Unsere Untersuchungen umfassen dabei kontrollierte Laborexperimenten, den Einsatz unserer Mesokosmen-Anlage, in der zukünftige Klimaszenarien und deren Auswirkungen auf das Wattenmeer simuliert werden, sowie aufwändige Studien im Feld.
Die Ergebnisse der Einzeluntersuchungen fließen in ein ganzheitliches Nahrungsnetzmodell ein. Dieses hilft das Wattenmeer als Ganzes zu verstehen und die Folgen der Veränderungen für das Wattenmeers nachzuvollziehen sowie zukünftige Entwicklungen vorherzusagen.
Die Analyse von Effekten des menschlichen Handelns auf unsere Meeresökosysteme ermöglicht es neue und innovative Formen der Meeresnutzung zu finden. Dazu zählen beispielsweise ein sanfter Tourismus, eine ökosystemverträgliche Fischerei und ein nachhaltiger Ausbau von alternativer Energiegewinnung auf hoher See.
Dafür sind drei wichtige Bausteine erforderlich: 1. ein koordiniertes Management aller menschlichen Aktivitäten in den Küstenmeeren; 2. die Entwicklung neuer mariner „Ökostrukturen“ und Ökologie-fördernde und nachhaltige Infrastrukturen sowie 3. der Aufbau neuer wissenschaftlicher Beobachtungssysteme, mit denen die Biodiversität und der Zustand der Küstenökosysteme überwacht und die Auswirkungen menschlicher Eingriffe bewertet werden können.
Kontakt zu AWI-Expert:innen
Meeresökologe Dr. Christian Buschbaum, Experte zum Thema Küstenforschung
Biologin Dr. Lisa Shama, Expertin zum Thema Küstenforschung
Fischereiwissenschaftler Dr. Merten Saathoff, Experte zum Thema Populationsdynamik
Meeresbiologin Dr. Annika Cornelius, Expertin zum Thema Gemeinschafts- und Evolutionsökologie
Küsten- und Schelfforscherin Dr. Sabine Horn, Expertin zum Thema Ökologische Netzwerkanalyse
Coralie Broquard
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Unsere Forschung beschäftigt sich mit der Struktur und Funktion von Küstenökosystemen in Abhängigkeit von Änderungen der Umweltbedingungen. Machen Sie sich selbst ein Bild von unseren Kern-Forschungsthemen und welche Auswirkungen der Klimawandel auf unser Ökosystem haben wird.