31. August 2017
Wochenbericht

Expedition „ROBEX-DM“

Abb. 1: Aufbau der Geräte und Laboren während der Anfahrt zum Forschungsgebiet. (Foto: Martina Wilde)

Am Dienstag, den 22.8.2017 um 19 Uhr startete die POLARSTERN von Tromsö aus mit ungewöhnlicher Fracht in Richtung Spitzbergen. Ungewöhnlich ist einmal, dass von den etwa 40 Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern erstmals 10 „Raumfahrer“ mit an Bord sind und ungewöhnlich sind auch die neuen robotischen Systeme, die in Zukunft die Erforschung der Tiefsee voranbringen sollen. Zu den neuen Meeresforschungsgeräten gehören drei autonom arbeitende Kettenfahrzeuge, mit denen Arbeiten am Tiefseeboden durchgeführt werden sollen, ein sogenannter Gleiter, der verschieden Messungen in der Wassersäule durchführen soll, mehrere kleine Fluggeräte (Multicopter) und ein Unterwasser-Massenspektrometer.

Allianz ROBEX (Robotische Exploration unter Extrembedingungen), in der 120 Wissenschaftler aus insgesamt 16 Institutionen der Tiefsee- und  Weltraumforschung zusammen arbeiten. So dient die Expedition PS108 zu einem großen Anteil der Verifikation der Einsatzmöglichkeiten neuer innovativer Technologien, gleichzeitig aber auch der Beprobung von biologischen Langzeit-Experimenten am Tiefsee- Observatorium HAUSGARTEN des AWI und Untersuchungen in der Gashydratstabilitätszone vor Spitzbergen, die mit Hilfe des ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs (Remotely Operated Vehicle, ROV) „Kiel6000“ (Geomar) durchgeführt werden.

Die Zeit der Anfahrt bis zum HAUSGARTEN-Observatorium nutzten die verschiedenen Teams, um sich an das Leben an Bord zu gewöhnen und die Geräte auf ihre Einsätze vorzubereiten. Während der Überfahrt wurden außerdem Beobachtungen an der Meeresoberfläche gemacht, um die Verteilung von Müll zu untersuchen.

Am 24.8.2017 erreichten wir dann unser Forschungsgebiet und das Arbeitsprogramm startete mit dem Einsatz zweier Freifallgeräte zur Messung der Sauerstoffzehrung im Meeresboden. Diese Messungen sind Teil einer Zeitserie und werden seit mehreren Jahren regelmäßig durchgeführt. In der Nacht wurde anschießend der „Catamaran“ eingesetzt, ein System das an der Seite des Schiffes ein Netz über die Meeresoberfläche zieht, um so Müll und Mikroplastik einzusammeln. Einige Plastikteilchen waren schon mit bloßem Auge zu erkennen.

Am Morgen des 25.8.2017 wurde dann erstmals das ROV „Kiel6000“ des GEOMAR an der Stelle ins Wasser gebracht, an der vor über einem Jahr der Crawler  TRAMPER gestartet ist. Während seines einjährigen Einsatzes sollte er wöchentlich Messungen der Sauerstoffverteilung im Meeresboden durchführen. Die Suche nach dem genauen Startpunkt dauerte nicht lange und dann konnte man bereits die Fahrspuren des Kettenfahrzeugs erkennen, denen das ROV dann langsam folgte. Nach einiger Zeit tauchte TRAMPER dann auch auf, der erstaunlicherweise im rechten Winkel zu seiner eigentlichen Fahrtrichtung stand. Die Erklärung wurde leicht gefunden, die rechte Kette war ausgefallen und so hatte er sich wohl seit etwa einem halben Jahr wöchentlich einmal auf der Stelle gedreht. Die Wettersituation ließ eine Bergung aber nicht zu, da der Seegang zu hoch war für den notwendigen Einsatz des Schlauchboots. In der verbleibenden Tauchzeit sammelte und fotografierte das ROV Organismen vom Meeresboden zur weiteren Untersuchung.

Mit dem geschleppten Video und Foto-System OFOS konnte dann ein Tauchgang an der tiefsten Stelle der Arktis (5.500 m Wassertiefe), dem Molly Deep, durchgeführt werden. Der letzte Einsatz hier lag bereits 20 Jahre zurück. Die Fotos zeigten ein durchaus reges Leben in großer Tiefe mit unzähligen kleinen Seegurken und Seeanemonen. Außerdem war dort viel Holz und leider auch sehr viel mehr Müll zu sehen. Die neuen Daten können jetzt mit denen aus 1997 verglichen werden und liefern so vielleicht Hinweise darauf, wie sich das Ökosystem verändert hat.

Der zweite ROV-Tauchgang widmete sich dann einem biologischen Langzeit- Experiment, welches im letzten Jahr ausgebracht wurde. Sogenannte „Dropstones“, Steine unterschiedlichster Größe, die mit dem Meereis verfrachtet werden und beim Schmelzen des Eises zum Meeresboden sinken, sind ein Charakteristikum in marinen Bereichen der Arktis. Auf den in der Regel sehr feinen, tonigen Sedimenten des Tiefseebodens stellen sie Hartsubstrate dar, die von einer Vielzahl fest sitzender Organismen besiedelt werden können und somit einen erheblichen Einfluss auf die Biodiversität der Tiefsee haben. Gleichzeitig stellen diese Dropstones Hindernisse in der bodennahen Strömung dar, so dass es zu einer ungleichmäßigen Verteilung partikulären organischen Materials (der potentiellen Nahrung für Tiefseeorganismen) kommt, die wiederum eine ungleichmäßige Verteilung der im Sediment lebenden Organismen hervorruft. Bislang ist nicht bekannt, wie schnell die Lebewelt des Tiefseebodens auf den Eintrag neuer Dropstones am Meeresboden reagiert. Aus diesem Grund wurden im vergangenen Jahr Betonblöcke am Tiefseeboden abgelegt, die neu eingetragene Dropstones simulieren. Während des ROV-Tauchgangs wurden Sedimentkerne im Umfeld der Strukturen genommen, die uns Auskunft über die Organismen- und Nahrungsverteilung nach einem Jahr geben sollen. Am Ende der Beprobungen wurden die Blöcke versetzt, um dann in 2 Jahren erneut beprobt zu werden.

In der Nacht vom 26.8. bis zum Nachmittag des 27.8.17 stand die Untersuchung der Durchmischung von arktischem und atlantischem Wasser im Fokus der Arbeiten. Aufgrund der unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften der beiden Wassermassen weist unser Arbeitsgebiet viele interessante Strukturen auf. Auf wenigen Kilometern Distanz können starke Unterschiede in Temperatur und Salzgehalt auftreten. Dies kann durch schmelzendes Eis noch verstärkt werden. Die sogenannte Sprungschicht, die den Grenzbereich zwischen diesen Wassermassen kennzeichnet, ist für Nährstoffe und Kleinstlebewesen wie z.B. Phytoplankton nicht ohne Weiteres zu durchdringen und hat daher großen Einfluss auf oberflächennahe biologische Prozesse. Mit schiffsbasierten Sensoren für Temperatur, Salzgehalt, Druck, Chlorophyll a und Strömungsgeschwindigkeit wurden mehrere Transekte abgefahren, um die Mischungszone zu finden. In diesem Bereich sollte dann anschließend das autonome Unterwasser-Fahrzeug „Paul“ eingesetzt werden. Mit seinen Instrumenten für Temperatur, Salzgehalt, Druck, Chlorophyll a, Sauerstoff, Nitrat, Licht, Strömung, Turbulenz und Wasserprobennehmer sollten sowohl die horizontalen als auch die vertikalen Strömungs- und Durchmischungsprozesse detailliert untersucht werden. Aufgrund von Kommunikationsschwierigkeiten zwischen „Paul“ und der Kontrollstation an Bord der Polarstern zu Beginn des Tauchgangs reichte am Ende die Zeit leider nicht aus, um die Untersuchungen vollständig durchzuführen. Doch auch ohne die geplanten Wasserprobennahmen sehen die gesammelten Messdaten vielversprechend aus.  

Am Nachmittag des 27.8. war es dann soweit und wir konnten unseren TRAMPER nach einem Jahr auf Mission am Meeresboden wieder an Bord holen. Eine erste Sichtung des Systems zeigte, dass er bestens funktioniert hat, bis seine rechte Kette stillstand. Er hat 24 Messungen durchgeführt, die etwa einen Zeitraum von einem halben Jahr abdecken und somit neue Erkenntnisse über die zeitliche Veränderung der Sauerstoffverteilung im Meeresboden liefern.

In der nächsten Woche werden wir dann von den Aktivitäten der anderen neuen Forschungsgeräten berichten.

 

Alle sind wohlauf und senden die besten Grüße von Bord,

Frank Wenzhöfer

 

(mit Unterstützung von Martina Wilde, Thomas Soltwedel, Melanie Bergmann, Thorben Wulff und Sandra Tippenhauer)

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