14. September 2004
Pressemitteilung

Dunstschicht über der Arktis kann das globale Klima beeinflussen

Wie oft guckt wohl jeder von uns täglich in den Himmel? Immer wieder wandert der Blick nach oben, um das Spiel der vorbeiziehenden Wolken zu beobachten. Wolken, auch für die Arktis-Forscher bislang eine große Unbekannte in ihren Berechnungen, wenn sie das Phänomen des Arktischen Dunstes erklären wollen. Doch Wissenschaftler des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) der Forschungsstelle in Potsdam konnten mit neuem Datenmaterial den Schleier ein gutes Stück lupfen. Die Ergebnisse wurden nun in „Geophysical Research Letters“ veröffentlicht.

Die vermeintlich „saubere“ Arktis wird verstärkt im Winter und Frühjahr mit einem Dunstschleier überzogen. Der Schleier entsteht aus einer Vielzahl von feinen Staub- und Flüssigkeitspartikeln, so genannten Aerosolen. Diese wandern aus den Industriegebieten Europas, Russlands, Kanadas und Amerikas in die Arktis. Aerosole ziehen Wassertropfen an, verdichten sich zu Wolken und nehmen Einfluss auf das Klima. Die Schwebeteilchen besitzen je nach Beschaffenheit die Eigenschaft, Sonnenstrahlen zu verschlucken oder aber zu reflektieren. So verändern sie die Menge der Strahlung, die an der Erdoberfläche ankommt. Das hat Auswirkungen auf die Temperatur: Sie kann um bis zu drei Grad fallen oder steigen. Unter der Leitung von Wissenschaftlern des AWI und des japanischen Polarforschungsinstituts wurden kontinuierlich im Frühjahr internationale Expeditionen in die Arktis durchgeführt, um mit Flugzeugen und am Boden präzise Punktmessungen vorzunehmen.

Die Wissenschaftler in Potsdam fütterten nun ihre Computer mit den gewonnenen Daten aus der Messkampagne ASTAR (Arctic Study of Tropospheric Aerosol, Clouds and Radiation) sowie mit den Daten aus den langzeitlichen Beobachtungen an der AWI-Station in Ny Alesund auf Spitzbergen. Für ihre Berechnungen setzten sie ein hochaufgelöstes Arktismodell ein. Anders als globale Klimamodelle, bildet dieses spezielle Modell die Verhältnisse in den Nordpol-Regionen kleinstufiger und somit realistischer ab.

Sie berechneten mit ihrem Klimamodell, dass das Ausmaß der Temperaturänderung im sehr komplexen und empfindlichen Arktis-Raum sehr stark regional und jahreszeitlich schwankt. Sie entdeckten auch, dass Aerosole nicht nur die Temperatur beeinflussen, sondern auch die atmosphärische Zirkulation verändern. Im Normalfall gibt es einen Kreislauf aus Wolkenbildung, Regen und erneuter Wolkenbildung. Kommen die Aerosole ins Spiel, dann können sie diesen Zusammenhang verändern, indem sie zum Beispiel die Lebensdauer und die Eigenschaften der Wolken (z.B. die Tröpfchengröße und den Wassergehalt) verändern können. Bei feuchter Luft quellen die Aerosole auf und können verstärkt Sonnenstrahlung verschlucken oder reflektieren. Dadurch erhöht oder verringert sich die Temperatur in der Aerosolschicht. Das führt dazu, dass sich die gesamte vertikale Verteilung der Temperatur und damit beispielsweise auch die Wolkenbedeckung ändert, die ihrerseits die ankommende Strahlung und damit die Zirkulation verändert.

Die Simulationen ergaben zudem, dass durch die Aerosole der Bodendruck in der östlichen Arktis abnimmt, da sich das Tiefdruckgebiet mit Zentrum über Island weiter nach Norden ausweitet. Dadurch verändert sich der Nord-Süd-Austausch von Wärme und Feuchte. Dies wirkt sich auf das globale Klima aus. Außerdem hat sich herausgestellt, dass die Aerosole das Potenzial haben, natürliche großräumige Schwingungsmuster, wie die Barentssee Oszillation oder die Nordatlantische Oszillation (Oszillation = Schwingung), zu ändern. Die Nordatlantische Oszillation ist ein Klimaphänomen und bezeichnet die Schwankung des Druckverhältnisses zwischen dem Islandtief und dem Azorenhoch. Bei einem hohen Druckunterschied werden die Winter in Nordeuropa nass und mild, ein niedriger Unterschied führt zu kalten und trockenen Wintern. Aerosole können diese Effekte verstärken. Somit kann die Dunstschicht über der Arktis Auswirkungen auch auf das Klima in unseren Breiten haben.

Bremerhaven, den 14. September 2004

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