19. April 2024
Online-Meldung

Abschwächung der antarktischen Bodenwasserzirkulation

Eine aktuelle Studie unter AWI-Beteiligung deutet darauf hin, dass sich die Tiefseeströmung im Nordatlantik in den letzten zwei Jahrzehnten um etwa zwölf Prozent abgeschwächt hat, vermutlich durch eine verringerte Bildung von antarktischen Wassermassen
Forschende haben beobachtet, dass sich die Meeresströmungen durch das Antarktische Bodenwasser aus dem Südpolarmeer um etwa zwölf Prozent abgeschwächt haben. (Foto: Thomas Steuer)

In mehr als 4.000 Meter Tiefe strömen kalte, dichte Wassermassen aus dem Südlichen Ozean Richtung Norden in die großen Ozeanbecken ein, wie zum Beispiel den Atlantik. Dieses antarktische Bodenwasser treibt Tiefseeströmungen auf der ganzen Welt an und wälzt Wassermassen so um, dass dadurch Sauerstoff weit nach unten in die Tiefe transportiert wird. Ein internationales Forschungsteam, an dem auch das Alfred-Wegener-Institut beteiligt ist, hat nun herausgefunden, dass sich die Meeresströmungen durch das Antarktische Bodenwasser um etwa zwölf Prozent abgeschwächt haben. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Geosciences veröffentlicht. 

Das antarktische Bodenwasser ist Teil der Atlantischen Umwälzzirkulation (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC). Wie ein Förderband verteilt das System von Meeresströmungen Wärme, Nährstoffe und Kohlendioxid in die Weltmeere. Unter der Leitung der University of Miami Rosenstiel School of Marine, Atmospheric, and Earth Science haben Forschende Messdaten aus zwei Jahrzehnten aus mehreren Beobachtungsprogrammen ausgewertet, um festzustellen, wie sich die Strömung des Antarktischen Bodenwassers verändert hat. Die Ergebnisse bestätigen: Im Laufe des 21. Jahrhunderts hat sich die Strömung in dieser Schicht verlangsamt; sie ist in den letzten zwei Jahrzehnten um etwa zwölf Prozent schwächer geworden. Dadurch strömt weniger kaltes Wasser in höhere Breitengrade und führt dazu, dass sich die Tiefsee erwärmt. 

Dr. Torsten Kanzow vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist ebenfalls an der Studie beteiligt. Der Ozeanograf beschäftigt sich schon seit geraumer Zeit mit Meeresströmungen: „Ich habe vor vielleicht 20 Jahren, während meiner Doktorarbeit, einen Datensatz eines amerikanischen Kollegen zu Tiefenströmungen im tropischen Nordatlantik aufbereitet. Dieser fast verschollene Datensatz war für die vorliegende Studie plötzlich wieder aktuell. So bin ich zum Projekt dazugekommen.“ Für die Studie hat der AWI-Forscher dabei geholfen, die Erwärmung des Bodenwasser im Nordatlantik mit der im Bereich des Weddellmeeres zu vergleichen – einer der Herkunftsregion des Bodenwassers. Das Ergebnis: nahe der Quelle ist die Erwärmung doppelt so groß wie im Nordatlantik.

Die Ergebnisse dieser Studie deuten einmal mehr an, dass selbst die entlegensten Gebiete der Weltmeere nicht von menschlichen Aktivitäten unberührt bleiben. Denn diese verursachen Umweltveränderungen in der Antarktis, die zu der Schwächung der Tiefseezirkulation des Antarktischen Bodenwassers und damit zu einem Anstieg des Meeresspiegels im Nordatlantik führen. „Obwohl diese Regionen Zehntausende von Meilen voneinander entfernt sind und einige Meilen unter der Meeresoberfläche liegen, bestätigen unsere Ergebnisse den Einfluss, den wir Menschen auf diese Regionen haben", sagt der Hauptautor der Studie, Tiago Biló, Wissenschaftler am NOAA Cooperative Institute for Marine and Atmospheric Studies der Rosenstiel School. „Unsere Beobachtungsanalyse stimmt mit den Vorhersagen der numerischen Modelle überein - menschliche Aktivitäten könnten möglicherweise zu Veränderungen der Zirkulation im gesamten Ozean führen.“ 

Er betont, dass die Analyse nur Dank der jahrzehntelangen gemeinsamen Planung und Bemühungen mehrerer ozeanographischer Institutionen weltweit möglich war. An der Studie beteiligt sind neben dem AWI die University of Miami, die Rosenstiel School of Marine, Atmospheric, and Earth Science und das Atlantic Oceanographic and Meteorological Laboratory der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Das Projekt wurde von der NOAA, der U.S. National Science Foundation, dem EU-Programm Horizon 2020 und der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Originalpublikation:

Biló, T.C., Perez, R.C., Dong, S. et al. Weakening of the Atlantic Meridional Overturning Circulation abyssal limb in the North Atlantic. Nat. Geosci. (2024). https://doi.org/10.1038/s41561-024-01422-4 

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