Das Auftreten mehrerer Stressfaktoren zugleich verringert das Akklimatisierungspotenzial von Heringslarven. Das konnten Forschende durch eine Untersuchung von Larven des Atlantischen Herings herausfinden. Bei einer Kombination von erhöhten Temperaturen mit bakterieller Belastung sind die Tiere in ihrer Reaktionsfähigkeit geschwächt. Da durch den Klimawandel häufig mehrere Stressoren zusammen auftreten, könnten Wachstum und Überleben der Larven langfristig beeinträchtigt werden. Die Studie wurde von Wissenschaftler:innen des Helmholtz-Instituts für Funktionelle Marine Biodiversität an der Universität Oldenburg (HIFMB), des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel und des Zoologischen Instituts der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel in der Zeitschrift Science of the Total Environment veröffentlicht.
In der bisherigen Forschung wurde hauptsächlich der Effekt einzelner Faktoren, wie Ozeanerwärmung, auf Fischlarven untersucht. Doch wie sieht es aus, wenn mehrere Stressoren gleichzeitig auftreten? Mit dieser Frage hat sich eine Forschendengruppe um die Erstautorin Dr. Andrea Franke, Wissenschaftlerin des HIFMB und des AWI, beschäftigt. Sie hat ein kontrolliertes Laborexperiment mit verschiedenen Gruppen an Heringslarven durchgeführt, welche jeweils unterschiedlichen Temperaturen und bakterieller Belastung ausgesetzt waren. Anhand diverser Analysen konnte dann die Akklimatisierungsfähigkeit der untersuchten Tiere betrachtet werden. Darunter fielen zum Beispiel die Genexpression der Larven, also die Bildung von RNA-Molekülen (welche die Vorlage für die Synthese von Proteinen liefern), epigenetische Untersuchungen und die Analyse der larvalen Mikrobiota.
Die Studie zeigt, dass sich bei nur einem Stressor allein die Expression der Gene deutlich verändert. Dies könnte dazu beitragen, Zellschädigungen zu verringern. Bei einer Kombination aus Hitzewelle und bakterieller Belastung ist keine Akklimatisierungsreaktion auf dem Genexpressionslevel mehr vorhanden. Dadurch könnten die Zellen der Larven geschädigt werden.
Die Publikation gibt wertvolle Hinweise darauf, dass die Wechselwirkungen verschiedener Stressfaktoren, die durch den Klimawandel immer häufiger auftreten, negative Folgen für die Heringslarven haben könnte. Für den bereits stark dezimierten Heringsbestand in der westlichen Ostsee wären das keine guten Nachrichten.
Originalpublikation:
Franke, A., Bayer, T., Clemmesen, C., Wendt, F., Lehmann, A., Roth, O., Schneider, R. F. (2024). Climate challenges for fish larvae: Interactive multi-stressor effects impair acclimation potential of Atlantic herring larvae. Science of The Total Environment, 953. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.175659