Im November tagten Vertreter:innen von rund 170 UN-Staaten am Hauptsitz des UN-Umweltprogramms (UNEP) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi, um über ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll zu beraten. Diese insgesamt dritte Verhandlungsrunde ging ohne Einigung in den wesentlichen Punkten zu Ende. AWI-Expertin Melanie Bergmann war vor Ort dabei und berichtet im Interview über die Ergebnisse der Konferenz.
Was sind die zentralen Ergebnisse?
Die zentralen Ergebnisse sind, dass Diskrepanzen, die sich in früheren Verhandlungsrunden bereits andeuteten, noch stärker hervorgetreten sind. Es haben sich zwei Blöcke herauskristallisiert, die sehr unterschiedliche Vorstellungen von einem Abkommen haben. Staaten mit einer starken fossilen oder petrochemischen Industrie wie Russland, Saudi-Arabien und Iran gehören zum Beispiel zu den Staaten, die den Prozess stark ausbremsen und freiwillige nationale Maßnahmen befürworten, welche die Abfallwirtschaft verbessern sollen. Die über 60 Staaten, die der sogenannten „High Ambition Coalition“ angehören, streben sehr viel weitreichendere Veränderungen an. Dazu gehören auch Produktionssenkungen und eine vereinfachte chemische Zusammensetzung, um einen Kreislauf für unverzichtbare Plastikprodukte überhaupt erst zu ermöglichen. Es gibt über 13.000 Chemikalien, die mit Plastik assoziiert sind. Von einem Viertel davon wissen wir, dass sie gefährlich sind für die Gesundheit. Bei den meisten anderen fehlen uns Daten. Dazu kommen Chemikalien, die bei Prozessen entstehen, von denen die Produzenten gar nichts wissen. Diese Diversität bildet aktuell eine hohe Hürde für eine Kreislaufwirtschaft und muss dringend beseitigt werden.
Reichen die beschlossenen Maßnahmen aus?
Nein. Zum einen gibt es jetzt statt der 31-seitigen Vorschlagsversion, die nach der vorherigen Verhandlungsrunde erarbeitet wurde, nun über 416 schriftliche Eingaben von verschiedenen Staaten auf 160 Seiten, die zusammengebracht werden müssen, was schwierig werden dürfte und wenig zielführend erscheint.
Leider konnte man sich auch auf kein Mandat für „intersessional work“, also weiterführende Arbeiten zwischen den Verhandlungsrunden, einigen. Das gefährdet das Ziel, die Verhandlungen bis 2024 mit einem Abkommen abzuschließen, massiv. Dennoch ist es vielleicht besser, eine zusätzliche Verhandlungsrunde mit einem guten Ergebnis zu haben als einen schnellen, aber dafür weniger weitreichenden Kompromiss, den man später kaum noch korrigieren kann.
Was müssen jetzt die nächsten Schritte sein?
Die Verhandlungsführer:innen müssen sich bessere Strategien überlegen, wie sie die Verzögerungstaktik einer kleinen Anzahl von Staaten und von Industrievertreter:innen überwinden können. Die Anzahl von Industrievertreter:innen allein aus dem fossilen und petrochemischen Sektor ist um 36 Prozent gestiegen und übertrifft nun die zusammengenommene Zahl der Verhandlungsführer*innen der G7-Länder. 38 unabhängige Wissenschaftler:innen der Scientists' Coalition for an Effective Plastics Treaty standen viermal mehr Lobbyist:innen gegenüber. Das verdeutlicht einmal mehr, dass die Stimme der Wissenschaft noch immer schlecht verankert ist im Prozess. Dies beginnt mit Schwierigkeiten bei der Akkreditierung und setzt sich fort mit Mechanismen zum Schutz vor Interessenkonflikten und Zugang zu Delegationen. Hinzu kommen finanzielle Hürden.
Es bleibt zu hoffen, dass die Staaten auch ohne Mandat für „intersessional work“ informell weiterarbeiten und so den Weg für weiterführende Verhandlungen nächstes Jahr in Ottawa ebnen.