Müll im Meer

Jahrelange intensive Forschung hat gezeigt, dass Müll überall in den Weltmeeren anzutreffen ist. Selbst in den entlegensten Gegenden der Ozeane, wie in den Polargebieten oder dem Meeresboden der Tiefsee, finden wir große Mengen Kunststoffabfälle, die sich dort über die vergangenen Jahrzehnte angesammelt haben. Winzige Mikroplastikpartikel werden im Meeres- und Trinkwasser nachgewiesen und eine Studie hat ergeben, dass nahezu alle untersuchten Meerestier- und Pflanzenarten Kontakt mit Müll in ihrem Lebensraum haben – mit häufig negativen Folgen für die Organismen. 

Der Müll ist überall

Der Müll in den Meeren ist eine vielfältige Mischung zahlreicher Materialien. Aber die wissenschaftlichen Ergebnisse zeichnen ein eindeutiges Bild: Bei dem Müll in den Ozeanen handelt es sich vorwiegend um ein Kunststoffproblem. Weltweit bestehen rund drei Viertel aller Müllobjekte in den Meeren aus Kunststoff – in allen möglichen Formen, Größen und Farben. Allein durch diese Vielfalt sind viele unterschiedliche Organismen und Lebensräume von diesem Problem betroffen. Das Problem ist jedoch nicht nur auf die Meere beschränkt. Kunststoffabfall finden wir auch an Land, in den Süßgewässern sowie im Schnee der Hochgebirge. Winzigste Plastikpartikel werden sogar in der Atmosphäre über große Distanzen verbreitet und gemessen. 

Das Kunststoffproblem

Die weltweite Kunststoffproduktion ist in den vergangenen Jahrzehnten massiv angewachsen, so dass die Menge kaum noch zu bewältigen ist. In vielen Meeresregionen spiegelt der Müll die menschlichen Aktivitäten an und auf den Ozeanen gut wider, da ein Großteil des Mülls aus der Schifffahrt oder der Fischerei stammt. Doch der Eintrag erfolgt nicht nur am oder im Meer direkt, auch über Flüsse werden große Mengen des Abfalls in die Meere eingetragen. Dieser Kunststoffmüll besteht maßgeblich aus Verpackungen. Diese sind anfangs noch gut zu erkennen, bevor sie durch Sonnenlicht und mechanische Beanspruchung in kleine Mikroplastikpartikel zerfallen; Partikel, die kleiner als fünf Millimeter im Durchmesser sind. Zusätzlich wird aus verschiedenen Quellen Mikroplastik direkt in die Umwelt abgegeben: Der Abrieb von Autoreifen, Kunstrasenplätze, Kleidung, Schiffsfarben und Kosmetikartikel sind einige davon. Das in die Umwelt eingetragene Mikroplastik betrifft nicht nur Tiere und Pflanzen, auch im menschlichen Körper wurden bereits Mikroplastikpartikel nachgewiesen. Die Folgen für die Gesundheit sind bisher jedoch noch nicht abzuschätzen. Sicher ist jedoch, dass chemische Inhaltsstoffe der Kunststoffe den menschlichen Organismus durch ihre Wirkung auf wichtige Körperfunktionen beeinträchtigen können.

Zahlen und Fakten

20

Millionen Tonnen Kunststoff

Geschätzt 20 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle landen jährlich in den Gewässern.

4x

mehr Makroplastik

In den kommenden 30 Jahren könnte sich das Makroplastik in den Ozeanen vervierfachen.

90

Prozent

In einer Studie wurden bei fast 90 Prozent der untersuchten marinen Arten negative Auswirkungen von Plastik festgestellt.

FAQ

Wo bleibt der Plastikabfall?

Ein Großteil des Mülls in und auf den Ozeanen landet an Stränden oder sinkt auf den Meeresboden. Vor allem in den Tiefseegräben sammeln sich große Mengen des Abfalls wie in einem Endlager an. Strömungen transportieren die Kunststoffabfälle durch die Meere und selbst in entlegenen Gegenden, wie zum Beispiel der Arktis, sammelt sich über die Zeit der Müll an. Anders als an den Stränden, kann der Müll in den Meeren nicht mehr eingesammelt werden – und zerfällt immer weiter in kleinste Partikel. Diese wiederrum werden teilweise von marinen Organismen aufgenommen; entsprechend ist inzwischen wahrscheinlich auch der Anteil an Kunststoffpartikeln in Tieren erheblich, kann derzeit aber nur geschätzt werden.

Wie viel Müll befindet sich im Meer?

Die Gesamtmenge des Plastikabfalls im Meer lässt sich nur schwer beziffern. Zwar gibt es inzwischen viele wissenschaftliche Studien, in denen versucht wird, das Volumen oder Gesamtgewicht der Kunststoffe durch Müllzählungen auf See abzuschätzen und anschließend auf den gesamten Ozean hochzurechnen. Doch jede dieser Schätzungen hat Unsicherheiten. Das liegt einerseits daran, dass Forschende den Müll nur punktuell erfassen können. Andererseits ist die Abschätzung der Kunststoffmengen schwierig, weil der Müll aus vielen unterschiedlichen Quellen ins Meer eingetragen wird, die sich nicht alle im Detail erfassen lassen. Um die gesamte Müllmenge vollständig zu erfassen, müsste man sowohl das Mikroplastik, die treibenden Kunststoffe als auch jene Abfälle aufaddieren, die auf den Meeresgrund sinken. Doch allein die Erfassung von Mikroplastik ist technisch sehr anspruchsvoll und aufwendig. Es wird geschätzt, dass sich derzeit mehr als hundert Millionen Tonnen Kunststoffmüll in den Ozeanen befinden.

Was sind Garbage Patches?

Angetrieben durch die vorherrschenden Winde entstehen in den Zentren der Ozeane große kreisende Bewegungen der Oberflächengewässer. Alle an der Oberfläche treibenden Objekte werden langsam, aber kontinuierlich zum Zentrum dieser Wirbel transportiert, so dass weit draußen auf den Ozeanen Bereiche mit besonders hohen Mülldichten entstanden sind. Die Müllmenge in den Zentren der Wirbel hat in den vergangenen Jahren so stark zugenommen, dass diese Gebiete heute auch als Garbage Patches (Müllflecken) bezeichnet werden. Anders als viele Bilder in den Medien suggerieren, sind diese Garbage Patches jedoch keine geschlossenen Müllteppiche. Auch dort schwebt ein Großteil des Kunststoffs als Mikroplastik in der Wassersäule, so dass man auf den ersten Blick auch in diesen Regionen vor allem Wasser sieht.

Wie groß sind die Garbage Patches?

Weltweit sind heute fünf große Meereswirbel bekannt, in denen sich der Kunststoffabfall während der vergangenen Jahre zu Garbage Patches verdichtet hat. Diese liegen im Atlantik, im Indischen Ozean und im Pazifik. Der größte von ihnen ist der Nordpazifikwirbel, der sich vom Äquator bis etwa zum 50. Breitengrad erstreck. Wo ein Garbage Patch beginnt, beziehungsweise welche Ausdehnung er exakt hat, ist schwer zu sagen. Letztlich müsste man an sehr vielen Stellen die Konzentration des Mülls im Wasser bestimmen. Doch selbst diese Bestimmungen der Ausdehnung sind unsicher, da das Meer dynamisch ist und die Abfälle ständig in Bewegung sind. Mit Sicherheit erstrecken sich die Garbage Patches jedoch über hunderte von Kilometern. Letztlich ist es jedoch nicht von Bedeutung, wie groß sie jeweils sind – entscheidend ist, dass sich der Müll in den Garbage Patches sammelt und dass Meeresorganismen in diesen Regionen großen Mengen an Müll ausgesetzt sind.

Welche Gefahren gehen vom Plastikabfall im Meer aus?

So verschieden der Plastikabfall im Meer ist, so unterschiedlich wirkt er sich auf die Lebewesen aus. Größere Plastikteile können für Meereslebewesen zu einer tödlichen Falle werden, wenn sich die Tiere darin verfangen und ersticken. Bestimmte Seevogelarten, Meeresschildkröten und zahlreiche Meeressäuger werden hierdurch besonders beeinträchtigt. Viele Tiere verschlucken Kunststoffteile, weil sie sie mit ihrer natürlichen Nahrung verwechseln. Verschluckte Objekte können den Tieren innere Verletzungen zufügen. Ferner können sie sich in den Verdauungsorganen anreichern, so dass die Tiere in der Folge Mangelernährung aufweisen können. Die Auswirkungen von Mikroplastik sind noch nicht eindeutig nachgewiesen worden. Es ist jedoch bekannt, dass die kleinsten Partikel Entzündungen in den Geweben der Verdauungsorgane auslösen können. Von vielen chemischen Inhaltsstoffen von Kunststoffen ist bekannt, dass sie aufgrund ihrer Molekülstruktur wie körpereigene Botenstoffe wirken und auf diese Weise wichtige Körperfunktionen beeinflussen können. Auch im Menschen werden Mikroplastikpartikel nachgewiesen, die unter anderem mit der Nahrung in den Körper gelangen. Der Großteil wird jedoch wahrscheinlich kontinuierlich mit der Atemluft aufgenommen.

Welche ökonomischen Folgen hat die Vermüllung der Meere?

Der Plastikabfall im Meer verursacht bereits heute in vielen Branchen Kosten oder Umsatzeinbußen. Ein Beispiel ist der Tourismus. Verschmutzte Strände sind unattraktiv für Besucher und Urlauber. Daher sind Seebäder gezwungen, ihre Strände regelmäßig vom Plastikmüll zu befreien. Die Kosten für das Einsammeln und die Entsorgung müssen die Kommunen in der Regel selbst tragen. Auch in der Fischerei verursacht Müll große Umsatzeinbußen, wenn die Fischer einen Teil ihrer Arbeitszeit in die Sortierung verschmutzter Fänge investieren müssen. Schließlich kann Abfall im Meer die Antriebs- und Steuersysteme von Schiffen beeinträchtigen, wodurch die Gefahr von Havarien zunimmt. In vielen Regionen der Welt beeinträchtigt Müll die kommunalen Entwässerungssysteme, was die Gefahr von Flutschäden erhöht. Die Produktion von Kunststoffen ist mit einem hohen energetischen Aufwand und mit einer hohen Emission von klimaschädlichen Treibhausgasen verbunden.

Was kann man gegen die Verschmutzung der Meere mit Plastikabfall tun?

Um die Menge des Abfalls im Meer in nennenswertem Maße zu reduzieren, sind grundsätzliche Veränderungen im Umgang mit Kunststoffen erforderlich. Ein wichtiger Punkt ist, dass Kunststoffe als Rohstoffe betrachtet werden müssen, die immer wieder verwendet werden können. Auf diese Weise bekommt der Kunststoff einen Wert und wird nicht mehr achtlos als Müll in die Umwelt entlassen – ist er einmal dort angekommen, ist er praktisch kaum noch wieder einzusammeln. Bereits den Eintrag von Kunststoffmüll in die Umwelt zu unterbinden ist somit der wichtigste Lösungsansatz für das Müllproblem. Grundlage hierfür wäre die Reduzierung der weltweiten Produktion neuer Kunststoffe. An dieser Stelle ist also vor allem die Industrie in der Verantwortung, wobei die Politik die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen schaffen muss. Auch Verbraucher:innen können ihr Konsumverhalten so ausrichten, dass sie möglichst wenig Müll produzieren. Hierfür ist eine gute Umweltbildung erforderlich, um das Bewusstsein für die Auswirkungen großen Plastikkonsums zu schaffen. Ein weiterer Weg, sich dem Kunststoffproblem und die damit verbundenen Folgen für die Umwelt zu nähern und es in den Griff zu bekommen, sind technologische Lösungen. Hierzu gehört der Ersatz konventioneller Kunststoffe durch bio-basierte und biologisch abbaubare Kunststoffe, woran auch Forschende des AWI arbeiten und die Abbaubarkeit solcher Bio-Kunststoffe und ihre Auswirkungen auf die Meeresumwelt erforschen. Biobasierte Kunststoffe könnten helfen, den Einsatz fossiler Kohlenstoffquellen bei der Kunststoffherstellung und damit die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren.

Kontakt

Portraitfoto von Dr. Melanie Bergmann.

Melanie Bergmann

Biologin Dr. Melanie Bergmann, Expertin für die Themen Mikroplastik und Müll im Meer
Portraitfoto von Dr. Ilka Peeken

Ilka Peeken

Meeresbiologin Dr. Ilka Peeken, Expertin zum Thema Leben im Polarmeer und Mikroplastik im Meereis