Klimamodelle – die Simulation der Wirklichkeit

Klimamodelle sind hochkomplexe Computerprogramme. Sie simulieren Wirklichkeit: Die Bewegung von Luftmassen, die Einstrahlung der Sonne oder etwa Meeresströmungen – all dies sind klimarelevante Prozesse, die mithilfe mathematischer Formeln im Computer „nachgebaut“ werden. Dank natürlicher Klimaarchive wie Meeressedimente und Eisbohrkerne sowie Messdaten aus den vergangenen Jahrzehnten können Forschende die Klimaentwicklung in der Vergangenheit rekonstruieren. Wenn ein Modell diese Vergangenheit korrekt simuliert, kann es über die Gegenwart hinaus in die Zukunft rechnen. So sind Vorhersagen etwa zum künftigen Meeresspiegelanstieg oder zur Erderwärmung möglich. Die Modelle liefern damit die wissenschaftliche Grundlage für politische Entscheidungen zur Bekämpfung des Klimawandels. 

Darum brauchen wir Klimamodelle

Klimamodelle sind wichtig, um die natürliche Entwicklung des Klimas besser verstehen zu können. Heute wissen wir, dass es diverse natürliche Klimazyklen gibt. Neben dem Wechsel von Warm- und Kaltzeiten, der sich über Jahrtausende hinzieht, zählen dazu auch deutlich kürzere Zyklen wie etwa das Klimaphänomen El Niño. Dieses führt etwa alle vier bis sieben Jahre zu einer Veränderung der Meeresströmungen vor der Küste Südamerikas. Darüber hinaus finden Klimamodelle praktische Anwendung: Mit regionalen Klimamodellen können beispielsweise Versicherer abschätzen, ob in einer Region starke Regenfälle und Überflutungen zunehmen werden. Gemeinden ermitteln, wie groß die Abwasserkanäle unter neuen Straßen ausgelegt werden sollten. Für die Landwirtschaft wiederum lässt sich abschätzen, ob sich künftig Dürren häufen - und ob man verstärkt Pflanzen züchten und anbauen sollte, die Trockenstress ertragen. Auch für den Küstenschutz sind die Klimasimulationen essentiell. Sperrwerke und Deiche sind teuer. Zudem sollen die Bauwerke jahrzehntelang stehen. Daher muss man schon heute abschätzen können, wie stark der Meeresspiegel steigt oder ob die Stärke der Orkane zunimmt. 

So funktioniert ein Klimamodell

Für eine zu hundert Prozent exakte Klimasimulation müsste praktisch jedes einzelne Atom in Ozean und Atmosphäre einen digitalen Zwilling im Modell bekommen. Die dafür nötige gigantische Rechenleistung könnten heute alle Supercomputer der Welt zusammen nicht einmal annähernd aufbringen. Deshalb muss die reale Welt im Modell vereinfacht abgebildet werden. Ozean und Atmosphäre werden dazu in ein Netzwerk aus Würfeln aufgeteilt – die sogenannten Gitterboxen. Je nach Modell ist die räumliche Auflösung dieses Netzwerks feiner oder gröber. Bei globalen Klimamodellen hat eine Gitterbox in der Regel eine Kantenlänge von etwa hundert Kilometern. So kommen für den ganzen Globus Millionen einzelner Gitterboxen zusammen. In jedem Würfel herrschen dabei bestimmte physikalische Bedingungen, zum Beispiel die Temperatur, der Luftdruck und die eingestrahlte Sonnenenergie. Mithilfe mathematischer Formeln berechnet das Modell für jeden Würfel, wie sich die Werte darin von einem Zeitpunkt zum nächsten verändern und wie dies benachbarte Boxen beeinflusst. Herrscht etwa in einem Atmosphärenwürfel ein hoher Luftdruck, wird wegen des Druckgefälles zum nächsten Zeitpunkt Luft in eine benachbarte Box gedrückt. Die zu verarbeitende Datenmenge ist dabei immens: Das Modell muss eine ganze Reihe von physikalischen Werten für Millionen von Gitterboxen berechnen und dies unzählige Male wiederholen, wenn es etwa einen Zeitraum von 50 Jahren in 10-Minuten-Schritten durchläuft.

Zahlen und Fakten

1 Milliarde

Gitterboxen

Hochauflösende Klimamodelle unterteilen Atmosphäre und Ozean in bis zu 1 Milliarde Gitterboxen.

10 Millionen

Zeitschritte

Es werden etwa 10 Millionen Zeitschritte benötigt, um den Klimawandel von 1850 bis 2100 zu simulieren.

5.000

Gigabyte

Für jedes simulierte Jahr werden rund 5.000 Gigabyte Modelldaten erzeugt.

FAQ

Was unterscheidet Wetter und Klima?

Als Wetter bezeichnen wir den aktuellen Zustand der Atmosphäre. Wetter äußert sich als Wind, Regen, Bewölkung oder Sonnenschein, ist also für jeden Menschen spürbar und ändert sich kurzfristig in Stunden oder Tagen. Klima dagegen beschreibt den langfristigen Zustand der Atmosphäre und des Ozeans über Jahrzehnte, Jahrhunderte und Jahrtausende. Zur Ermittlung wird die statistische Verteilung meteorologischer Größen, die auch zur Bestimmung des Wetters dienen, über einen längeren Zeitraum – meistens über die sogenannte Normalperiode von 30 Jahren – erfasst. Klimatische Veränderungen zum Beispiel durch Treibhausgasemissionen vollziehen sich also im Vergleich zum Wetter viel langsamer und sind in der Regel nicht unmittelbar spürbar.

Was ist ein Klima-Szenario?

Niemand kann heute genau vorhersagen, wie das Klima der Zukunft aussieht. Denn insbesondere beim Faktor Mensch sind noch viele Fragen offen. Wie viel Kohlendioxid und andere Treibhausgase wird die Menschheit noch ausstoßen? Werden die Emissionen in den kommenden Jahrzehnten steigen, gleichbleiben oder sinken? Und wie stark werden die Wälder der Erde noch abgeholzt? Deshalb spielen Klimamodelle bei ihren Prognosen nach dem „Was-wäre-wenn?“-Prinzip verschiedene Möglichkeiten durch. Der Weltklimarat hat dazu eine Reihe von Entwicklungsszenarien beschrieben, an denen sich die Modellierer-Teams orientieren. In der öffentlichen Berichterstattung wird vor allem das „Business-as-usual“-Szenario aufgegriffen. Dieses auch als „Worst-Case“-Szenario bezeichnete Zukunftsbild geht von einer Weltwirtschaft aus, die im Prinzip so weiter macht wie bisher, einen hohen Verbrauch an fossilen Brennstoffen hat und deshalb viel Kohlendioxid ausstößt. 

Wie erhalte ich ein gutes Klimamodell?

Wie können Forschende sicherstellen, dass alle klimarelevanten Prozesse auch wirklichkeitsgetreu enthalten sind – das Modell also ein gutes Modell ist? Dazu schauen sie in die Vergangenheit. Auf der ganzen Welt gibt es natürliche Klimaarchive – die Sedimente am Grund der Ozeane, das uralte Eis in Arktis und Antarktis, Holz für Baumringanalysen und einige mehr. Darin enthalten sind sogenannte Proxydaten, aus denen Wissenschaftler:innen das Klima der vergangenen Jahrtausende – etwa die Temperatur oder die Niederschlagsverteilung – rekonstruieren können. Für den Klimawandel besonders entscheidend ist die jüngere Vergangenheit seit Beginn der Industrialisierung. Hier existieren direkt gemessene Wetterdaten, die die Modellierer:innen nutzen. Ein gutes Klimamodell startet seine Berechnungen in der Vergangenheit und kann diese korrekt simulieren, liefert also Ergebnisse, die gut zu den rekonstruierten und gemessenen Daten passen. Nach erfolgreichen Testläufen durch die Vergangenheit ist das Modell dann bereit für die Berechnung der Zukunft. Um sich auch hier abzusichern, kommen die verschiedenen Klimamodellierer-Teams aus aller Welt regelmäßig zusammen und testen die Programme. Dazu füttern sie ihre Klimamodelle mit denselben Ausgangsdaten und vergleichen dann die Ergebnisse der Simulationen – beispielsweise die durchschnittlichen Temperaturwerte für Nordwesteuropa im Jahr 2100. Die Unterschiede in diesen Simulationen sind ein wertvolles Indiz für die Unsicherheit der verschiedenen Modelle.

Wie helfen Klimamodelle der Politik?

Die verschiedenen „Was-wäre-wenn?“-Szenarien der Klimamodelle machen deutlich, mit welchen Folgen des Klimawandels in den kommenden Jahrzehnten zu rechnen ist, wenn die Treibhausgasemissionen nicht reduziert werden. Darüber hinaus zeigen sie, welche Folgen vermieden oder abgemildert werden können, wenn entsprechende Maßnahmen ergriffen werden. Dabei geht es nicht nur um so abstrakte Dinge wie die global gemittelte Oberflächentemperatur, sondern um ganz konkrete Dinge wie die Intensität von Stürmen, Dürren und Starkregen, die zu erwartenden Ernte-Erträge oder das Ausmaß von Sturmfluten und Hitzewellen. Für die Politik ist das eine wichtige Richtschnur. Sie muss zum einen entscheiden, welchen Weg die Menschheit einschlagen will, welches Szenario Wirklichkeit wird. Zum anderen muss sie auch Anpassungsmaßnahmen auf den Weg bringen, um die Gesellschaft vor dem zu wappnen, was auf sie zukommt.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus Klimamodellen?

Der Weltklimarat IPCC fasst in seinen Sachstands- und Sonderberichten regelmäßig die Ergebnisse zahlreicher Klimamodelle zusammen. Im sechsten Sachstandsbericht (2021/22) prognostiziert der IPCC für ein Szenario mit starker Reduktion der Treibhausgasemissionen einen globalen Meeresspiegelanstieg von 28-55 Zentimetern bis 2100. Stößt die Menschheit auch weiterhin sehr hohe Mengen CO2 aus, könnten die weltweiten Pegel sogar um 63-101 Zentimeter steigen. Die globale Durchschnittstemperatur hat sich im Vergleich zur vorindustriellen Zeit schon heute um über 1 Grad Celsius erhöht. Abhängig vom Szenario prognostiziert der IPCC einen Anstieg von 1,5 bis 4 Grad Celsius bis 2100. Dies führt in jedem Szenario zu einer Zunahme von extremen Wetterereignissen wie Dürrekatastrophen oder Starkniederschlägen. Bleibt die weitere Erwärmung in einem günstigen Szenario unter 1,5 Grad Celsius ist laut IPCC das Risiko geringer, dass bestimmte Kipp-Punkte im Klimasystem überschritten werden. Diese Aussage ist die Basis für das „1,5-Grad-Ziel“ aus dem Übereinkommen von Paris, in dem sich die Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen zu Anstrengungen verpflichtet haben, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis 2100 zu begrenzen. 

Was ist ein Kipp-Punkt?

Ein Kipp-Punkt ist eine kritische Grenze im Klimasystem. Wird sie überschritten, drohen zum Teil katastrophale und unumkehrbare Folgen. Ein gutes Beispiel für ein solches Kipp-Element ist das Abschmelzen des Eisschildes auf Grönland. Wird eine bestimmte globale Durchschnittstemperatur überschritten, könnte der schon jetzt schwindende grönländische Eispanzer so instabil werden, dass sein vollständiges Abschmelzen selbst bei künftiger Reduktion von Treibhausgasemissionen nicht mehr aufzuhalten ist. Verschwindet der Eisschild komplett, hätte allein das einen Anstieg des Meeresspiegels von bis zu sieben Metern zur Folge. Darüber hinaus könnte das Schmelzwasser die Ozeanströmungen beeinflussen und so zu massiven Veränderungen im Klima, vor allem rund um den Nordatlantik, führen.

Welche Unsicherheiten gibt es noch bei der Klimamodellierung?

Wie gut die Klimamodelle sind, hängt vor allem davon ab, wie gut die verschiedenen Klimamodellierer-Teams die biologischen, chemischen und physikalischen Prozesse in der Atmosphäre und in den Ozeanen mit den Programmcodes nachvollziehen können. Besonders schwierig ist es beispielsweise zu berechnen, wie sich die Bewölkung mit dem Klimawandel ändert – und das wiederum kann Auswirkungen in beiderlei Richtungen haben. Solche Änderungen könnten die Erderwärmung maßgeblich verstärken – oder auch abschwächen. Denn Wolken können mit dem Sonnenlicht und mit der von der Erde abgegebenen Wärmestrahlung unterschiedlich interagieren. Zum einen reflektieren sie das Sonnenlicht sehr stark, wodurch sie eher abkühlend wirken. Andererseits können sie die Erwärmung der Erde auch verstärken, indem sie ähnlich wie Treibhausgase wirken.

Mit welchen Modellen arbeitet das AWI?

Bei der Klimamodellierung kommt es auf Kooperation an. Denn so lassen sich die Stärken einzelner Forschungseinrichtungen verbinden und bündeln. Um die physikalischen Vorgänge in der Atmosphäre darzustellen, nutzen die AWI-Expert:innen spezielle Atmosphärenmodelle wie das ECHAM[TS1]-Modell, das vom Max-Planck-Institut für Meteorologie entwickelt wurde, und das neuere IFS-Modell, das vom Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen entwickelt wurde. Diese Modelle berücksichtigen jedoch nicht im Detail die Prozesse im Ozean, obwohl diese einen erheblichen Einfluss auf das Klima haben. Deshalb wurde am AWI ein spezielles Ozeanmodell namens FESOM entwickelt, das unter anderem Meeresströmungen und Meereis simuliert. Für ihre Klimarechnungen haben die AWI-Forscher:innen die Atmosphärenmodelle und FESOM zu gemeinsamen Modellen gekoppelt und bezeichnen dies als „AWI-Klimamodell“. Damit sind Klimarechnungen möglich, die nicht nur die Atmosphäre, sondern auch das Meer im Detail betrachten.

Was sind die Stärken des AWI-Klimamodells?

Mit dem AWI-Klimamodell können Simulationen sowohl auf der globalen Skala als auch im Detail für bestimmte Regionen durchgeführt werden. Das liegt nicht zuletzt an den besonderen Eigenschaften von FESOM. Anders als viele andere Ozeanmodelle verwendet FESOM keine Würfel als Gitterboxen. Stattdessen arbeitet es mit der Finite-Volumen-Methode. Vereinfacht ausgedrückt wird dabei auf den Globus ein flexibles Netz aus Dreiecken gelegt. Anstelle von Würfeln entstehen so Prismen. Der Vorteil: Man kann die Dreiecke größer und kleiner ziehen und damit bestimmte Gebiete genauer auflösen - zum Beispiel einzelne Meeresströmungen. Mit dieser Methode haben die AWI-Forscher:innen zum Beispiel das Klimaphänomen El Niño mit feiner Auflösung über mehrere Jahrhunderte simulieren können. In einem anderen Fall berechneten die Forscher:innen, wie sich künftig die Strömungen unter dem Schelfeis der Antarktis verändern könnten.

Wie werden die großen Datenmengen verarbeitet?

Da bei jedem Schritt für jede Gitterbox viele physikalische Formeln und Werte verarbeitet werden, ist die Datenmenge immens. Deshalb benötigen Klimamodellierer:innen leistungsstarke Großrechner. Die AWI-Expert:innen nutzen für ihre Klimasimulationen unter anderem den Supercomputer am Deutschen Klimarechenzentrum (DKRZ) in Hamburg, auf den sie per Internetverbindung zugreifen.

Kontakt

Portrait Helge Goessling

Helge Goessling

Klimamodellierer Dr. Helge Goessling, Experte für Klimamodelle, Meereisvorhersage und die allgemeine Physik des Klimawandels
Portraitfoto von Dr. Monica Ionita

Monica Ionita

Klimaforscherin Dr. Monica Ionita, Expertin für die Analyse von Klimalangzeitdaten und extremen Wetterereignissen
Portrait von AWI-Klimawissenschaftler und YOOP-Koordinator Prof. Dr. Thomas Jung. AWI climate scientist and YOPP coordinator Prof. Dr Thomas Jung.

Thomas Jung

Klimaforscher Prof. Dr. Thomas Jung, Experte für die Analyse, Modellierung und der Vorhersage des Klimasystems
Portraitfoto Dr. Peter Köhler

Peter Köhler

Dr. Peter Köhler, Experte für langfristige Veränderungen im globalen Kohlenstoffkreislauf
Portraitfoto von Prof. Dr. Gerrit Lohmann

Gerrit Lohmann

Prof. Dr. Gerrit Lohmann, Experte für Klimamodellierung und Klimawandel