Die Struktur der polaren Grenzschicht wird durch großräumigen Transport von Wärme und Feuchte sowie durch lokale Prozesse beeinflusst. Dies sind turbulente Prozesse und Strahlungsprozesse, welche beide von Charakteristiken der Meereisoberfläche abhängen, aber auch von niedriger Bewölkung.
Ein Beispiel für die Beeinflussung durch Turbulenz stellen Kaltluftausbrüche dar. Dabei werden aus den inneren polaren Regionen über den offenen Ozean herantransportierte Luftmassen stark erwärmt. Die entstehende Turbulenz bewirkt einen Anstieg der Grenzschichtdicke von z.B. 100 m über Meereis auf 2 km in einer Entfernung von 200 km stromabwärts der Eisrandzone. Umgekehrt führen aufeisige Strömung sowie Ausstrahlung über Meereis zu sehr flachen Grenzschichten. Die damit verbundene thermisch stabile Schichtung bewirkt ein rasches Abklingen turbulenter Wirbel.
Turbulente Prozesse hängen vom Unterschied zwischen Luft- und Oberflächentemperatur ab, und damit auch von Meereiseigenschaften wie der Konzentration von Meereis (Rinnenbedeckung) und seiner Dicke. Aber auch die Oberflächentopographie (Presseisrücken, Kanten von Eisschollen und Schmelztümpeln) spielt eine wichtige Rolle für die Ausbildung turbulenter Wirbel. Schneeauflage sowie Schmelztümpel und vor allem Bewölkung beeinflussen stark die Strahlungsprozesse. Alle genannten Parameter variieren räumlich stark, was eine große Herausforderung für die Ableitung von Prozessparametrisierungen darstellt. Diese sind vor allem für Klimamodelle wichtig, denn deren Gitterweiten sind noch immer viel größer als z. B. die typische räumliche Skala von Inhomogenitäten der Meereisbedeckung.
AWI-Forschende unserer Sektion haben die verschiedenen Regime in den vergangenen Jahren anhand vieler Fallstudien (Modellierung und Messung) untersucht. Basierend auf den Ergebnissen wurden Turbulenzparametrisierungen für stark konvektive Strömung sowie für den oberflächennahen Transport von Energie und Impuls über Meereis in den inneren Regionen der polaren Ozeane und den Eisrandzonen mit speziellen Bedingungen entwickelt. Auch der starke Einfluss von Konvektion über Eisrinnen wurde untersucht.