Meeresströmungen: Die geballte Kraft des Ozeans

Prof. Dr. Torsten Kanzow, Fachbereichsleitung Klimawissenschaften und Sektionsleitung Physikalische Ozeanographie der Polarmeere am Alfred-Wegener-Institut und Professor an der Universität Bremen.

Meeresströmungen

Ozeanopgraphie der Polargebiete

Ozean-Eisschild Wechselwirkung

Meeresspiegel

Meeresströmungen spielen auf vielfache Weise eine entscheidende Rolle für Klima und Ökosysteme in den Polarmeeren. Sie transportieren zum einen große Mengen Wärme aus den mittleren Breiten gen Arktis oder Antarktis. Dort angekommen, verzögert diese Wärme die Bildung von Meereis oder aber lässt Eisschollen schneller schmelzen. Das gilt sowohl für die Eisdecke des Nordpolarmeeres als auch für die Meereisflächen im Südlichen Ozean rund um den antarktischen Kontinent. Zum anderen transportieren Meeresströmungen das Meereis und sommerliches Schmelzwasser aus den Polarregionen in die mittleren Breiten, wo dann vor allem das salzarme Schmelzwasser die Wassermassen-Schichtung des Meeres sowie dessen Zirkulation stark beeinflusst.

Doch damit nicht genug: An den Küsten Grönlands und der Antarktis kommen die Meeresströmungen mit den Ausläufern des jeweiligen Eisschildes in Berührung. Eis und Wasser beeinflussen sich dabei gegenseitig, sodass die marinen Gletscher und Schelfeise mittlerweile verstärkt abschmelzen – ein Prozess, der die Stabilität der dahinterliegenden Eisschilde beeinträchtigt, denn bislang fungieren Gletscher und Schelfeise als Bremse.

Darüber hinaus sind Meeresströmungen in den polaren Ozeanen von Bedeutung, weil sie Nährstoffe verteilen und die globale Tiefsee belüften. Letzteres gelingt, weil das Oberflächenwasser in weiten Teilen der Arktis und des Südlichen Ozeans abkühlt, infolgedessen schwerer wird, in große Tiefe absinkt und als sauerstoffreiches Boden- oder Tiefenwasser Richtung Äquator zurückfließt. Durch diese sogenannte Umwälzung der Wassermassen in beiden Polarregionen stellen das Nordpolarmeer und der Südliche Ozean Schlüsselregionen der globalen Meereszirkulation dar.

Am AWI erforschen wir die Eigenschaften und Rolle der Meeresströmungen, indem wir interdisziplinär zusammenarbeiten und uns in nationalen und internationalen Forschungsverbunden engagieren. Wir betreiben dabei nicht nur Grundlagenforschung, sondern sehen uns auch in der Pflicht, die klimabedingten Veränderungen im Nordpolarmeer sowie im Südlichen Ozean zu dokumentieren, zu analysieren, einzuordnen und zu bewerten. Grundlage unserer Forschung sind ozeanographische Messdaten, die wir mithilfe autonomer, ganzjährig betriebener Observatorien erheben oder aber auf regelmäßig stattfindenden Schiffsexpeditionen sammeln. Unsere Expeditionen führen uns vor allem in drei Schwerpunktregionen: die Framstraße zwischen Grönland und Spitzbergen, der eurasische Teil des Nordpolarmeeres und das im atlantischen Sektor des Südlichen Ozeans gelegene Weddellmeer.