14. Juni 2017
Wochenbericht

Woche 1 an der Eisstation

Abb. 1: Das ROV mit ROVnet vor dem Abtauchen. (Foto: Marcel Nicolaus, AWI Meereisphysik)

Nachdem alle Messplätze erfolgreich aufgebaut wurden, haben wir nun eine volle Woche mit einer Vielzahl von Messungen erreicht. Dieser Bericht zeigt einige Beispiele, was und wie wir in unserer kleinen weißen Scholle, die unser Zuhause ist, messen. Seltsamerweise haben wir es nicht geschafft, ihr einen Namen zu geben - vermutlich weil wir wissen, dass sie bald verschwunden sein wird. 

 

Mit Beiträgen von Ulrike Egerer, Hauke Flores, Allison Fong, Ilka Peeken, Priit Tisler

 

Die Algen, die im Eis oder an seiner Unterseite wachsen, unterhalten ein einzigartiges Ökosystem, das man nur in den Polarregionen findet. In den verzweigten Solekanälen des Eises, in den Nischen an seiner Unterseite und zwischen übereinandergestapelten Eisblöcken finden kleine Tiere Unterschlupf, die sich von den Eisalgen ernähren. Der Lebensraum dieser Tiere ist nur sehr schwer zugänglich, und entsprechend wenig ist über ihre Verbreitung, Häufigkeit und Lebensweise bekannt.

An der Eisunterseite leben vor allem etwa 0.5 – 5 cm große Ruderfußkrebse und Flohkrebse. Um mehr über diese Tiere herauszufinden, haben Biologen und Meereisphysiker des AWI ein spezielles Forschungsnetz entwickelt. Dieses sog. „ROVnet“ kann mit Hilfe eines kabelgeführten Unterwasser-Messsystems (engl. Remotely Operated Vehicle, ROV) Organismen von der Eisunterseite beproben. Mit einem Borstenkamm an seiner Oberseite „fegt“ es das Eis gleichsam von unten ab (siehe Abb. 1).

Das ROVnet wurde auf PS 106.1 zum ersten Mal in der Arktis zu Wasser gelassen. Uns fiel ein Stein vom Herzen, als wir sahen, wie gut dieses technisch wenig anspruchsvolle Forschungsgerät schon bei seinem ersten Einsatz funktionierte. Die ersten Fänge wimmelten von Ruderfüßlern und Flohkrebsen. Schon binnen weniger ROVnet-Fahrten konnte das Artenspektrum der Untereisfauna weitgehend erfasst werden.

Auf dieser Scholle hatten wir auch das Glück, eine Region mit der an der Eisunterseite lebenden Alge „Melosira arctica“ zu finden, die 2016 Alge des Jahres war. Auf einer Expedition 2012, die fast bis zum Nordpol führte, konnten wir bereits belegen, dass diese Alge eine wichtige Nahrungsquelle für die am Boden lebenden Orgiasmen darstellt. Diese Algen bestehen aus winzig kleinen Zellen, bilden daraus aber Ketten, die bis zu mehreren Metern lang werden können. Unter der Scholle hängen dann richtig kleine Wälder dieser Art (siehe Abb. 2). Um die Anpassungsfähigkeit dieser Algen an die sich verändernden Lichtbedingungen durch das schmelzende Eis zu untersuchen, haben wir einen „Garten“ angelegt, in dem wir mit verschiedenen Schneeauflagen das Licht manipulieren. In diesen Regionen wird jetzt regelmäßig untersucht, welche die optimalen Lichtbedingungen für diese Alge sind. Zusätzlich wollen wir in der nächsten Woche feststellen, welche Rolle die Strömung für das Wachstum dieser Algen spielt.

Zwei Tage nach Ankunft an der Eisscholle war der Fesselballon fertig für seine täglichen Einsätze. Noch zuhause hatten wir verschiedene Sensor-Pakete entwickelt, die an unseren mit 90m2 Helium gefüllten Ballon in verschiedenen Konfigurationen gehängt werden (siehe Abb. 3), um vertikale Profile der Arktischen Grenzschicht zu messen. Wir erfassen Turbulenz und turbulente Flüsse sowie Strahlungsflussdichten, um den Strahlungshaushalt und Erwärmungsraten zu bekommen.

Ein Team von zwei Kollegen aus dem Finnischen Meteorologischen Institut und dem Universitätszentrum in Spitzbergen setzen UAVs auf unsere Eisscholle ein. Ein Festflügel-UAV und ein Quadrocopter (siehe Abb. 4). Beide sind mit Sensoren zur Messung von Temperatur, relativer Feuchte und Druck ausgerichtet und können auch den Wind abschätzen. Mehrere UAV-Flüge mit Fokus auf die untersten Hunderten von Metern, der Grenzschicht, sind bereits absolviert. Die UAV-Messungen ergänzen auf hervorragende Weise die Messungen von weiteren Plattformen, wie Fesselballon, Wetterballon (Radiosonde), Lidar und konventioneller Wettermast, die auf der Expedition eingesetzt werden.

Dasselbe Team hatte auch UAV während einer Expedition der Polarstern in die Antarktis im borealen Winter von 2013 eingesetzt. Trotz angenehmerer Temperaturen und 24-Stunden Sonnenschein erweisen sich die Einsätze der UAVs in der Arktis als herausfordernder als in der Antarktis. Insbesondere die Sichtweite und teilweise starker Wind haben die Anzahl der UAV-Einsätze limitiert. Die Sichtweite ist nicht nur wichtig für die Beobachtung der Flieger, sondern auch für das Erspähen von Eisbären.

Eisbären haben wir seit dem kurzen Besuch direkt zu Anfang der Woche nicht mehr zu sehen bekommen, wohl aber einige Robben.  Hin und wieder mussten die Messungen auf dem Eis aufgrund der geringen Sichtweite abgebrochen werden. Auch die beiden AWI-Polarflugzeuge Polar 5 und Polar 6 konnten wegen schlechter Wetterbedingungen für mehrere Tage nicht aus Longyearbyen aufsteigen, um wie geplant in der Region der Polarstern zu fliegen. Aber im Großen und Ganzen hat diese erste Woche uns viele schöne Messsituationen geliefert, insbesondere da wir nun in die Schmelzperiode hineingeraten sind, aber hierzu mehr im nächsten und letzten Bericht des Abschnittes PS106.1.

 

Beste Grüße von Wissenschaft und Besatzung,

Andreas Macke, Fahrtleiter

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