Die künstlich beschleunigte Verwitterung des Minerals Olivin kann der Atmosphäre vermehrt Kohlendioxid (CO2) entziehen und der Ozeanversauerung entgegenwirken. Für jede Tonne CO2, die durch dieses Verfahren aus der Atmosphäre in den Ozean verlagert werden könnte, wäre die Lösung von etwa einer Tonne Olivin in Wasser notwendig. Das ergeben Modellrechnungen, die Forscher des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft und des KlimaCampus der Universität Hamburg in der Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) veröffentlichen. Die Methode eignet sich vermutlich jedoch nicht als Maßnahme, um heutige Treibhausgasemissionen vollständig zu neutralisieren.
Angesichts immer weiter zunehmender CO2-Emissionen und den damit zusammenhängenden Veränderungen der Konzentration des Klimagases in Atmosphäre und Ozean wird unter anderem überlegt, wie der Atmosphäre CO2 entzogen werden kann. Ein vor einigen Jahren vorgeschlagenes, aber noch recht wenig untersuchtes Verfahren basiert auf der natürlich vorkommenden chemischen Verwitterung von Olivin, einem auf der Erde häufigen Mineral, dessen Abbauprodukte nach Zersetzung an Land über die Flüsse ins Meer eingetragen werden. „Mit unseren Modellrechnungen wollten wir theoretisch prüfen, ob eine künstliche Beschleunigung dieser natürlichen Verwitterungsprozesse tatsächlich ein wirksames Mittel gegen den Klimawandel sein könnte“, erläutert der Erstautor Dr. Peter Köhler vom Alfred-Wegener-Institut die Zielrichtung der Studie.
„Das Alfred-Wegener-Institut hat weder die Absicht noch ein Interesse daran, mit dieser Studie den Weg für den kommerziellen Einsatz von Geoengineering-Maßnahmen zu ebnen. Sie liefert aber einen wichtigen Beitrag, um die wissenschaftliche Informationsbasis zu Geoengineering-Methoden zu verbessern“, erläutert Prof. Dr. Karin Lochte, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts. Internationale Gremien und Organisationen wie zuletzt die Biodiversitätskonferenz im japanischen Nagoya fordern bessere Grundlagen, um die Effektivität und die assoziierten Risken von Geoengineering-Maßnahmen auf Umwelt und Biodiversität besser beurteilen zu können.
Olivin ist ein silikathaltiges, aber kohlenstofffreies Mineral. Mit etwa 90% ist es Hauptbestandteil von Dunit, einem weit verbreiteten Gestein. Bei der chemischen Verwitterung, die der Lösung von Olivin zugrunde liegt, wird CO2 der Atmosphäre entzogen. Das atmosphärische CO2 reagiert hierbei zusammen mit Wasser im Niederschlag zu Kohlensäure. Sie greift letztendlich das Olivin an der Mineraloberfläche an und führt es in Lösung. Die Reaktionsprodukte sind Kieselsäure, Magnesiumionen und Bikarbonat. Letzteres ist mit etwa 90% die vorwiegende chemische Form, in der gelöstes CO2 im Ozean vorliegt. Die gelösten Stoffe werden mit den Flüssen ins Meer transportiert. Die dadurch erhöhte ozeanische Alkalinität (Pufferkapazität gegenüber Änderungen des pH-Wertes) führt zu einer vermehrten Aufnahme von CO2 durch die Meeresoberfläche und bewirkt gleichzeitig eine Erhöhung des pH-Wertes. Dies wirkt der zunehmenden Versauerung der Weltmeere entgegen.
Das Konzept des Geoengineerings mittels Olivin besteht darin, diesen natürlichen Verwitterungsprozess zu beschleunigen. Je größer die Reaktionsfläche eines Minerals ist, desto schneller kann es verwittern, d.h. gelöst werden. Wärme fördert diesen Prozess zusätzlich. „Deshalb sieht der Ansatz vor, fein gemahlenes Olivinpulver auf möglichst sauren Böden (niedriger pH-Wert) in warmen und feuchten Regionen zu verteilen“, erklärt Köhler die Ausgangsvoraussetzung für die Modellrechnung. Das Mahlen von Olivinmineralien vergrößert die Reaktionsfläche mit dem Wasser und somit das Potenzial, möglichst viel Olivin in möglichst kurzer Zeit zu lösen. Somit würden optimale Bedingungen für eine beschleunigte Verwitterung von Olivin (und somit einem CO2-Entzug aus der Atmosphäre) erreicht.
Die theoretische Studie von Köhler und seinen Mitautoren Prof. Dr. Jens Hartmann (KlimaCampus, Universität Hamburg) und Prof. Dr. Dieter Wolf-Gladrow (Alfred-Wegener-Institut) schätzt die Folgen und das Potential zur Umlagerung von atmosphärischem CO2 in Bikarbonat im Ozean ab, die die Anwendung eines solchen Verfahrens in den Einzugsgebieten großer Flüsse in den Tropen haben könnte. Die drei wichtigsten Erkenntnisse sind:
- Für jede Tonne CO2, die durch dieses Verfahren aus der Atmosphäre in den Ozean verlagert werden könnte, ist die Lösung von etwa einer Tonne Olivin notwendig.
- Eine großskalige Verwitterung von Olivin an Land führt zu einer beträchtlichen Erhöhung der pH-Werte in Flüssen (river-alkalinization im Kontrast zu Ozeanversauerung: ocean-acidification).
- Die endliche Löslichkeit von Kieselsäure (einem Nebenprodukt der Olivin-Verwitterung) wird das Potenzial der Olivin-Geoengineering-Methode zusätzlich beschränken. Aus diesem Grund wird das maximale Potenzial, mit dieser Methode atmosphärisches CO2 umzulagern auf ein Petagramm Kohlenstoff pro Jahr geschätzt (Pg C yr-1; 1 Petagramm = 1015 g).
„Die Olivin-Verwitterung an Land könnte eine Methode zur Verlagerung atmosphärischen Kohlendioxids in den Ozean sein“, so Köhler. „Allerdings müsste vorher genau untersucht werden, wie sich die von uns prognostizierten, lokalen pH-Wert-Veränderungen auf Flussökosysteme und angrenzende Lebensräume auswirken.“ Die Löslichkeitsgrenzen für Kieselsäure führen außerdem dazu, dass das CO2-Reduktionspotenzial einer künstlich erhöhten Olivin-Verwitterung eine Größenordnung unterhalb der heutigen anthropogenen CO2-Emissionen liegt. Zum Vergleich: Dem Verlagerungspotenzial von bis zu 1 Pg C pro Jahr durch die vorgeschlagene Methode stehen heutzutage CO2-Emissionen von mehr als 10 Pg C pro Jahr gegenüber.
„Mit der vorgeschlagenen Methode erscheint es daher nicht möglich, heutige und zukünftige Treibhausgasemissionen zu neutralisieren“, so Köhler weiter. Die Methode könne aber in Verbindung mit anderen Methoden einen Beitrag zur Stabilisierung und Reduktion der atmosphärischen CO2-Konzentration liefern. Darüber hinaus würde sie dem gegenwärtigen Trend zur Versauerung des Ozeans entgegenwirken. Weiterhin gibt Köhler zu bedenken, dass für den großskaligen Einsatz der Methode große Mengen an Olivin abgebaut, transportiert und gemahlen werden müssten: „Die Menge an zusätzlich verwittertem Olivin, die notwendig ist, um diese CO2-Verlagerung zu erreichen, liegt in der Größenordnung des heutigen weltweiten Kohleabbaus.“
Hintergrund: Klimaschutz und Geoengineering
Mit dem Scheitern der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 gibt es für den Zeitraum ab 2012 nach dem Auslaufen des Kyoto-Protokolls kein verbindliches Regelwerk für den Klimaschutz. Das einzige Ergebnis dieser UN-Klimakonferenz war der „Copenhagen Accord“, ein völkerrechtlich nicht bindendes politisches Papier, in dem das Ziel zur Kenntnis genommen wird, die Erderwärmung auf weniger als 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Die weiterhin ansteigenden CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen und Entwaldung erreichten in 2008 mehr als 10 Pg C yr-1. Sie liegen damit am oberen Ende der prognostizierten Emissionen, die den Zukunftsszenarien des Weltklimaberichts (IPCC-Bericht) zu Grunde liegen. Bereits im vergangenen Jahr stieg der Jahresmittelwert in der atmosphärischen CO2-Konzentration auf 387 ppmv und liegt damit mehr als 100 ppmv über dem vorindustriellen Wert von etwa 280 ppmv. Es ist daher anzunehmen, dass mit dem bisher wenig veränderten globalen Nutzerverhalten im Energieverbrauch das Ziel einer globalen Erwärmung von weniger als 2°C nicht erreicht werden kann.
„Die Reduktion der Treibhausgasemissionen zum Erreichen der Klimaschutzziele wird als der Königsweg angesehen und damit verbundene Anpassungsmaßnahmen erscheinen vielen Menschen noch akzeptabel“, ordnen die Autoren der Studie ein. „Die Erwähnung von Geoengineering löst in der Öffentlichkeit jedoch Unbehagen aus: Wie kann die Menschheit sich anmaßen, das globale Klima verändern zu wollen? In Wahrheit haben wir das Weltklima durch den anhaltenden Ausstoß von Treibhausgasen schon verändert und verändern es noch weiter. Allerdings war dies nicht unser Ziel, sondern eine ‚Nebenwirkung’ unseres reichlichen Energieverbrauchs, der zu großen Teilen immer noch aus fossilen Energieträgern (Kohle, Öl, Gas) gespeist wird.“
Unter dem Begriff Geoengineering (oder auch Climate Engineering) werden eine Vielzahl von Methoden zusammengefasst, deren großskalige Anwendungen zu einer Beeinflussung des globalen Klimas führen sollen. Es werden zwei Gruppen von Verfahren unterschieden. Die so genannten Methoden zum Management der solaren Einstrahlung haben zum Ziel, die Energieeinstrahlung von der Sonne auf den Erdboden zu reduzieren, z.B. durch Spiegel im Weltraum oder den Eintrag kleinster Partikel, Aerosole genannt, in die Stratosphäre, der Erdatmosphäre oberhalb von 10 km Höhe. Dagegen versuchen die Verfahren zur Entsorgung von Kohlendioxid (CDR = carbon dioxide removal) der Atmosphäre CO2 zu entziehen und in anderen Speichern langfristig zu lagern, beispielsweise als Holzkohle in Böden.
Der Originalartikel Peter Köhler, Jens Hartmann, and Dieter A. Wolf-Gladrow: Geoengineering potential of artificially enhanced silicate weathering of olivine hat die doi:10.1073/pnas.1000545107.
Hinweise für Redaktionen: Ihre Ansprechpartner am Alfred-Wegener-Institut sind Dr. Peter Köhler (Tel. 0471 4831-1687, E-Mail: Peter.Koehler@awi.de) und Prof. Dr. Dieter Wolf-Gladrow (Tel. 0471 4831-1824, E-Mail: Dieter.Wolf-Gladrow@awi.de), sowie in der Pressestelle Folke Mehrtens (Tel. 0471 4831-2007, E-Mail: Folke.Mehrtens@awi.de). Ihr Ansprechpartner am KlimaCampus der Universität Hamburg ist Prof. Jens Hartmann (Tel. 040 42838-6686, E-Mail: jens.hartmann@zmaw.de).
Das Alfred-Wegener-Institut forscht in der Arktis, Antarktis und den Ozeanen der mittleren und hohen Breiten. Es koordiniert die Polarforschung in Deutschland und stellt wichtige Infrastruktur wie den Forschungseisbrecher Polarstern und Stationen in der Arktis und Antarktis für die internationale Wissenschaft zur Verfügung. Das Alfred-Wegener-Institut ist eines der 16 Forschungszentren der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.
Der KlimaCampus bündelt und vernetzt seit 2007 die erfolgreiche Hamburger Klimaforschung. Beteiligt sind 18 universitäre Institute, außeruniversitäre Partner wie das Max-Planck-Institut für Meteorologie, das Institut für Küstenforschung des Helmholtz-Zentrums Geesthacht und das Deutsche Klimarechenzentrum. Keimzelle des KlimaCampus ist der Exzellenzcluster „Integrated Climate System Analysis and Prediction“ (CliSAP) der Universität Hamburg.