03. Mai 2019
Online-Meldung

Weltbiodiversitätsrat IPBES verabschiedet Globales Assessment

Die Veränderungen mariner Ökosysteme sind dramatisch – aber viel schlechter sichtbar als an Land
Banner IPBES (Foto: IPBES) (Foto: IPBES)

-Vom 29. April bis 4. Mai 2019 treffen sich in Paris die 132 Mitgliedsstaaten des Weltbiodiversitätsrates IPBES, um das Globale Assessment zu verabschieden. Damit wollen sie eine Gesamtübersicht zum Zustand der biologischen Vielfalt und der Leistungen der Ökosysteme weltweit liefern. Am Alfred-Wegener-Institut gibt es eine Reihe von Expertinnen und Experten zur Biodiversität in den Meeren. Einige von Ihnen haben an dem Bericht mitgewirkt.

Über IPBES

IPBES steht für Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services und gilt als weltweit führendes Gremium zur wissenschaftlichen Politikberatung in Sachen Erhaltung und nachhaltiger Nutzung von biologischer Vielfalt. Die Organisation der Vereinten Nationen wurde im Jahr 2012 gegründet. Das Sekretariat hat seinen Sitz in Bonn. Zur den zentralen Aufgaben gehört es, wissenschaftliche Informationen über die Biodiversität und Ökosystemfunktionen zur Verfügung zu stellen und politisch relevante Instrumente und Methoden aufzuzeigen.

Die wichtigsten Ergebnisse und Botschaften des Globalen Assessments werden am Montag, dem 6. Mai 2019, 13:00 Uhr, im Rahmen einer internationalen Pressekonferenz im UNESCO-Zentrum in Paris der Öffentlichkeit vorgestellt (Live-Übertragung hier: www.ipbes.net). Bis dahin gilt ein Embargo. 

Blog des Netzwerk-Forums Biodiversitätsforschung (Nefo) zur Verhandlung:

„Die Ozeane haben für den Menschen eine ähnliche Bedeutung wie Landökosysteme"

Prof. Julian Gutt gehört zu den Leitautoren des Berichts und hat sich vor allem mit Fragen der Meeresökologie befasst. Als einer der Autoren des zweiten Kapitels versucht er den Status und bestehende Trends darzustellen und die Treiber des Wandels zu identifizieren. Seit über 30 Jahren erforscht der Meeresbiologe vor allem die Ökologie des Südlichen Ozeans. Schon seit seiner Doktorarbeit hat er sich mit Themen beschäftigt, die immer wieder die Biodiversität in den Fokus nehmen. Sein besonderes Interesse gilt der Frage: Wie reagiert die Artenvielfalt auf Veränderungen der Umweltbedingungen.

„Die Ozeane haben für den Menschen eine ähnliche Bedeutung wie Landökosysteme. Sie regulieren das Klima, produzieren Sauerstoff, bringen ‚Meeresfrüchte‘ sowie Naturstoffe hervor und können zu einer gesunden Umwelt beitragen. Weil Veränderungen unter Wasser viel schlechter sichtbar sind als an Land, war es um so wichtiger, in dem Globalen Assessment des IPBES die Meere gleichermaßen zu berücksichtigen. In dem Bericht werden sie unter dem Aspekt ihrer Bedeutung für das Sozialwesen, die Wirtschaft und die Kultur insbesondere der in Küstennähe lebenden Bevölkerung und ihrer Anfälligkeit gegenüber Klimawandel sowie Nutzung betrachtet.“

"Globaler Bericht zur Biodiversität – Wird das der '1,5-Grad-Paris-Moment' für Biodiversität?" - Mitschnitt eines Pressegesprächs im Vorfeld zur Konferenz

Dr. Ute Jacob gehört zu den Leitautoren des Berichts und hat sich ebenfalls mit Fragen zur Meeresökologie befasst. Als Teil des Autorenteams des zweiten Kapitels hat sie sich speziell mit den Treibern des marinen Wandels befasst sowie einige der IPBES Definitionen mit entwickelt. Seit ihrer Doktorarbeit beschäftigt sie sich mit der Frage in wie weit marine Systeme Treiber des Wandels kompensieren können und welche Vorrausetzungen dafür gegeben sein bzw. geschaffen werden müssen.

„Eine unserer größten gesellschaftlichen Herausforderungen ist der Schutz der biologischen Vielfalt und unserer Ökosysteme um unter anderem eine nachhaltige Bereitstellung wesentlicher Ökosystemdienstleistungen zu gewährleisten, denn diese bedingen unser Wohlbefinden.“ 

Meeresschutzgebiete

Dr. Stefan Hain ist der umweltpolitische Sprecher des Alfred-Wegener-Instituts. Seit 7 Jahren setzt er sich zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am AWI dafür ein, rund um die Antarktis eine Reihe von internationalen Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas, MPA) einzurichten. So sollen unter anderem Regionen mit empfindlichen Ökosystemen und Arten unter Schutz gestellt werden, die im Zuge der globalen Erwärmung und der damit einhergehenden geringeren Meereisbedeckung zukünftig einem stärkeren Fischereidruck ausgesetzt sein könnten. Ein von Deutschland ausgearbeiteter Antrag auf ein großes Meeresschutzgebiet im Weddellmeer als Refugium für kälteliebende Arten wurde bislang nicht angenommen.

Marine Biodiversität ist wie ein Eisberg. Wir kennen nur die wenigen Arten auf der Spitze, die darunter liegenden über 90 Prozent der der Arten, Nahrungsnetze und biologischen Prozesse im Meer sind noch völlig unerforscht, gerade in den unzugänglichen Meeresregionen wie den Polarregionen. Problem ist, dass Klimawandel und andere Einflüsse durch Menschen nicht nur die Spitze des Biodiversitäts-Eisbergs beeinflussen, sondern auch den großen, unbekannten Rest. Wir verlieren marine Arten und Biodiversität, ohne dass wir es wissen. Die Erosion des Biodiversitäts-Eisbergs wird erst dann ersichtlich, wenn die Änderungen sich an der Spitze bemerkbar machen. Marine Schutzgebiete schützen nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern auch den gesamten bisher unbekannten Unterbau und versuchen so den Biodiversitäts-Verlust zu minimieren und einen kompletten Kollaps des Eisbergs zu verhindern."

Artikelvielfalt in der Antarktis – 8 gute Gründe für ein Meeresschutzgebiet

Gründe für ein Antarktis-Meeresschutzgebiet

IPBES und IPCC

Der AWI-Biologe und Klimaforscher Prof. Hans-Otto Pörtner ist Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe II des Weltklimarates (IPCC). Die Arbeitsgruppe zeigt die Verwundbarkeiten von sozioökonomischen und natürlichen Systemen gegenüber dem Klimawandel und dessen Folgen auf. Zudem beschreibt sie Wege, wie sich die Menschen an die globale Erwärmung anpassen können. Bereits im letzten IPCC-Sachstandsbericht zeigte die Arbeitsgruppe, dass die Wirkungen des Klimawandels zunehmend gravierend und irreversibel werden.

Neben den Arbeiten am Beitrag der Arbeitsgruppe II zum Sechsten IPCC-Sachstandsbericht koordiniert das Team um Prof. Pörtner die Erstellung des Sonderberichts zum Ozean und Eisgebieten im Klimawandel, der im September 2019 in Monaco verabschiedet werden soll. Außerdem waren bzw. sind Mitglieder des Teams mit Prof. Pörtner an der Erstellung der Sonderberichte zu 1.5°C globaler Erwärmung und zur Landnutzung beteiligt.

Der IPCC bietet als Institution der Vereinten Nationen Grundlagen für wissenschaftsbasierte Entscheidungen der Politik, ohne jedoch konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder politische Handlungsempfehlungen zu geben. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES wird oft mit dem Weltklimarat IPCC verglichen – und tatsächlich haben die beiden Gremien manches gemeinsam.

„Der IPCC-Sonderbericht zu 1,5 Grad globaler Erwärmung hat deutlich gezeigt, dass die Folgen für natürliche Lebensgemeinschaften an Land und im Ozean bei 1,5 Grad Celsius Erwärmung im Vergleich zu vorindustrieller Zeit deutlich geringer sind als bei 2 Grad Erwärmung. Auch würden mehr wichtige Dienstleistungen dieser Ökosysteme für uns Menschen erhalten bleiben. Im Ozean sind die Risiken für Artenvielfalt und Fischerei bei einem Temperaturanstieg um 1,5 Grad sowie das damit verbundene Maß an Versauerung und Sauerstoffverlust geringer als bei 2 Grad Erwärmung. Auch ein größerer Teil der Warmwasser-Korallenriffe würde erhalten bleiben, wenn die Erwärmung 1,5 Grad nicht überschreitet.

 Ein zunehmender Verzicht auf Treibhausgasemissionen mit Beschränkung der Erwärmung auf 1.5°C kann also helfen, wichtige Ökosysteme zu erhalten. Je stärker die von Menschen verursachte Erwärmung voranschreitet, desto größer werden die zukünftigen Herausforderungen für die Anpassung an den Klimawandel sein. Artenvielfalt kann einige mögliche Anpassungsmaßnahmen unterstützen oder von ihnen mit profitieren, mit anderen jedoch konkurrieren oder eventuell sogar negativ von ihnen betroffen sein. Deswegen zählen jetzt jedes halbe Grad Erwärmung, jedes Jahr und jede Entscheidung, die wir treffen.“

Biodiversität in der Nordsee

Dr. Christian Buschbaum ist verantwortlich für das Nordseebüro des Alfred-Wegener-Instituts, das in enger Kooperation mit Landes- und Bundesbehörden Umweltforschung in den deutschen Küstenmeeren durchführt und politische Entscheidungsträger berät. Seine Arbeitsschwerpunkte liegen in den Auswirkungen von eingeschleppten Organismen auf die Diversität und Wechselwirkungen heimischer Lebensgemeinschaften. Darüber hinaus vergleicht er großräumig die Artenvielfalt und ökologischen Funktionen in Küstenlebensräumen, von den polaren bis in temperierte Gebiete. 

„Weltweit unterliegen viele Küstenlebensräume und ihre Artengemeinschaften einem revolutionären Wandel. Verantwortlich dafür sind unter anderem die Klimaerwärmung und die Globalisierung der Märkte. Über die Außenhaut von Schiffen etwa werden Organismen von fernen Meeren in die heimischen Gebiete eingeschleppt. Oft stammen sie aus wärmeren Küstenräumen und profitieren dann im Ankunftsgebiet von den steigenden Wassertemperaturen. Hier treffen sie auf die vorhandenen Lebensgemeinschaften, was zu zu Artendominanzverschiebungen, neuen Wechselwirkung zwischen den Arten und zu veränderten Funktionen des Ökosystems führt. Daher müssen wir Maßnahmen entwickeln, um die Einschleppung und Etablierung von Arten zu minimieren“. 

Die Folgen des Klimawandels für das Leben in der Nordsee

Das AWi-Nordseebüro

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Wissenschaft

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+49(4651)956-4228

Wissenschaft

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