12. April 2021
Online-Meldung

Versunkene Munition: Gefahr mit Langzeitwirkung

Probensammlung in der Nordsee mit FS Heincke
Bild_2__c__Vlaams_Instituut_voor_de_Zee__VLIZ_.JPG (Foto: Vlaams Instituut voor de Zee (VLIZ))

Sturm und strenge Hygienevorschriften stellten die Wissenschaftscrew auf die Probe. Nach knapp zweitägiger wetterbedingter Verspätung sowie mehreren Tagen planmäßiger Quarantäne gab der Kapitän der HEINCKE am Donnerstagfrüh das Kommando „Leinen los“ und nahm Kurs auf Helgoland. Das Forschungsteam des Projekts „North Sea Wrecks“ sammelte vor der Nordseeinsel Proben rund um das Wrack des Kriegsschiffs SMS MAINZ. Anhand von ihnen soll untersucht werden, inwieweit das mitsamt seiner Munition versenkte Schiff aus dem Ersten Weltkrieg Giftstoffe absondert.

Sie ruhen seit fast 80 manchmal seit 100 Jahren auf dem Grund der Nordsee. Beispielsweise westlich von Helgoland – Wracks von Kriegsschiffen, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg dort im Gefecht sanken. Noch immer an Bord: Waffen, Munition, Öle und Treibstoff. Bis zu 1,3 Millionen Tonnen Munition vermuten Forschende allein im deutschen Teil der Nordsee.

Das EU-geförderte Forschungsprojekt „North Sea Wrecks“ (NSW) mit Beteiligung des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte und des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergründet, welche Gefahren für Mensch und Umwelt von den Kriegshinterlassenschaften ausgehen und welche Geschichte hinter den Wracks steckt. Dazu arbeiten die Forschenden grenzübergreifend und interdisziplinär mit weiteren Fachleuten aus Deutschland, Belgien, Dänemark, Norwegen und den Niederlanden zusammen. NSW versteht sich als Nachfolger eines Projektes, für das Forschende Munition in der Ostsee untersuchten. Für NSW rücken nun die Kriegswracks am Grund der Nordsee samt Ladung in den Forschungs-Fokus. Auf dem Nordseeboden schlummern noch sehr viel mehr Kriegsgeräte als in der Ostsee.

Unter strengen Hygienebedingungen verbrachte das deutsch-belgische Team sechs Tage an Bord der HEINCKE, vier Tage forschte es westlich von Helgoland und nahm unterschiedliche Proben aus dem Umfeld der SMS MAINZ und setzte Miesmuscheln aus, die Ende Juni wieder eingeholt werden. Das Team rund um den AWI-Meeresbiologen Dr. Matthias Brenner erhofft sich von den Sediment- und Muschelproben beispielsweise Erkenntnisse darüber, welche Schadstoffe von der Munition und den Wracks ausgehen, ob sie von den dort lebenden Organismen aufgenommen werden und wenn ja, ob die Organsimen von den Substanzen gesundheitlich beeinträchtigt werden oder nicht.

Ein Taucherteam nahm Proben vom Wrack. Dank modernster Technik erstellte das Team zwei- und dreidimensionale Scans, die genaue Hinweise auf den Zustand und die Umgebung des Wracks geben. „Grundlagenarbeit“ nennt das Dr. Philipp Grassel vom DSM. „Mich reizt besonders das Spannungsfeld zwischen Gefahr und Lebensraum. Mittlerweile haben sich die Wracks nämlich zu Lebensräumen entwickelt“, sagt der Experte für maritime Archäologie.

Die SMS MAINZ ruht seit rund 107 Jahren in der Nordsee. Die britische Flotte versenkte den Kleinen Kreuzer im Seegefecht vor Helgoland im August 1914. Das NSW-Projektteam recherchierte in alten Akten, wie das Schiff vor dem Untergang ausgerüstet war: „Es war mit Schnellfeuerkanonen und Torpedos ausgestattet und hatte zum Zeitpunkt des Untergangs wohl noch einiges an Munition an Bord“, sagt Grassel.

Weitere Ausfahrten sind in Planung. Dann sollen Proben von der SMS ARIADNE, der V187 und anderen Wracks genommen werden. Ein Tauchteam will Sedimente und Organismen von der Wrackhülle sammeln. Die Ergebnisse des NSW-Projekts werden ab August 2021 in einer Wanderausstellung präsentiert. Nach dem Start in Bremerhaven macht sie Halt in allen am Projekt beteiligten Ländern.

Das Projekt „North Sea Wrecks“ verfügt über ein Budget von über vier Millionen Euro und wird von der EU über das Programm Interreg gefördert. Das DSM koordiniert es von Bremerhaven aus und ermöglicht, über einen Zeitraum von vier Jahren, eine enge Zusammenarbeit von ca. 30 europäischen Projektpartnern auf mehreren Ebenen.

Zur Pressemitteilung des DSM - bitte klicken Sie hier.

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