Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat heute die europaweite Ausschreibung zur Neubeschaffung eines Polarforschungsschiffes, der Polarstern II, aus rechtlichen Gründen aufgehoben. In Zeiten der ungelösten Klimafragen kann der Forschungsauftrag des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) langfristig nur mit einem modernen Eisbrecher erfüllt werden. Dieses Verständnis wird auch vom BMBF geteilt. Daher werden wir gemeinsam mit dem BMBF intensiv an einer Lösung arbeiten, die auch zum Ziel hat, ein neues Vergabeverfahren aufzusetzen. Hierbei sollen unter anderem auch die Erfahrungen aus der laufenden MOSAiC-Expedition in die Planung einfließen, um einen zukunftsfähigen, leistungsstarken und möglichst nachhaltigen Eisbrecher zu entwickeln.
Der Eisbrecher Polarstern ist das Wahrzeichen der deutschen Polarforschung. 1982 in Dienst gestellt hat das Forschungsschiff über 120 Expeditionen in die Arktis und Antarktis hinter sich und dabei 1,7 Millionen Seemeilen zurückgelegt. An durchschnittlich 310 Tagen im Jahr ist das Schiff im Einsatz und widmet sich dabei auch entscheidenden Fragen zum Klimawandel.
„Wir sind stolz auf unsere Polarstern, die momentan in der Polarnacht am Nordpol vorbei unter extremen Bedingung mit dem arktischen Meereis driftet – und das, obwohl sie nun schon fast 40 Jahre alt ist. Das Schiff ist ein mächtiges Instrument für die Polar- und Meeresforschung. Davon konnten sich in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur viele Kolleginnen und Kollegen am AWI überzeugen, sondern auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der ganzen Welt. Ich selbst weiß dieses einzigartige Schiff nach zahlreichen Expeditionen als Fahrtleiterin sehr zu schätzen“, sagt Prof. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts.
„Deshalb werden wir jetzt alles dafür geben, dass nun ein neues Verfahren aufgesetzt wird und wir in Abstimmung mit dem BMBF so schnell wie möglich einen Nachfolgebau bekommen. Bis dahin müssen wir unser leistungsfähiges Schiff gut pflegen, damit wir durch seinen Einsatz auch in den nächsten Jahren in den Polarregionen Antworten auf die drängenden Fragen zur Zukunft unseres Planeten finden.
Der nun bekannt gewordene Abbruch des Vergabeverfahrens ist natürlich eine neue Herausforderung. Langfristig können wir ohne einen modernen Forschungseisbrecher unseren Auftrag, den wir von der Gesellschaft erhalten haben, nicht zu 100 Prozent erfüllen. Zudem tragen Expeditionen mit der Polarstern wesentlich und international stark sichtbar dazu bei, dass Deutschland seine Ziele in Forschung und Nachhaltigkeit erreicht. Aus Gesprächen wissen wir, dass das BMBF diese Ansicht voll teilt. Wir werden die jüngste Entwicklung auch als Chance begreifen, denn die Ansprüche an einen modernen Forschungseisbrecher sind in den Jahren des nun abgebrochenen Vergabeverfahrens deutlich gestiegen. Das lehrt uns sowohl die aktuelle MOSAiC-Expedition als auch die Entwicklung von Eisbrechern unserer internationalen Partner. Insofern müssen diese Erfahrungswerte nun auch in einen Vergabeprozess einfließen. Wir werden in der neuen Planung technische Lösungen in Erwägung ziehen, die vor zehn Jahren noch kaum denkbar waren. Unser Ziel ist ein leistungsstarker Eisbrecher, der unter den neuen Eisbedingungen einsetzbar ist. Auf unseren Forschungsexpeditionen werden wir in Zukunft zum Beispiel mehr und leistungsfähigere Roboter unter Wasser einsetzen, was wir bei der Neuplanung eines Schiffes nun noch stärker berücksichtigen können. Gleichzeit setzen wir auf Innovationen zu einem möglichst nachhaltigen Schiffsbetrieb. So wird es Deutschland auch in Zukunft gelingen, eine führende Rolle in der Polar- und Meeresforschung zu behalten.“
Derzeit driftet die Polarstern eingefroren im Meereis ein Jahr lang durch die Arktis und zählt dadurch auch international zu den berühmtesten Eisbrechern. Die MOSAiC-Expedition mit Teilnehmern aus 20 Nationen wird unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts realisiert. Dass der deutsche Eisbrecher heute noch immer zu den leistungsfähigsten Forschungsschiffen der Welt gehört, verdankt sie auch einer Generalüberholung. Von 1999 bis 2001 wurde das Schiff technisch auf den damals neuesten Stand gebracht.