Am 29. Oktober 2015 verlässt das Forschungsschiff Polarstern seinen Heimathafen Bremerhaven Richtung Kapstadt, Südafrika, wo es am 1. Dezember erwartet wird. Mit an Bord sind 32 Studierende aus 19 Ländern, die aktuelle Methoden und Instrumente der Meeresforschung kennenlernen. Neun Lehrende vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI), der FU Berlin und des irischen Galway-Mayo Institute of Technology bilden die Teilnehmenden der „schwimmenden Sommerschule“ aus.
470 Bewerbungen aus aller Welt sind für die 32 Plätze im sogenannten Nord-Süd-Atlantik-Transekt-Programm (North South Atlantic Transect - NoSoAT) eingegangen. Nach einer Ausbildungs-Expedition zur Erforschung von Kaltwasserkorallen im Atlantik mit dem irischen Forschungsschiff Celtic Explorer im Jahr 2014 ist dies die zweite „Floating Summer School“, die das AWI gemeinsam mit POGO (Partnership for Observation of the Global Oceans), der japanischen Nippon Foundation und irischen Partnern von SMART (Strategic Marine Alliance for Research and Training) anbietet. Die Stiftung Mercator unterstützt das Ausbildungsprogramm.
„Wir haben Studierende aller meeresforschenden Disziplinen von der Geologie bis zur Atmosphärenforschung an Bord“, sagt Prof. Dr. Karen Wiltshire, POGO-Vorsitzende und Vize-Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, die selber als Ausbilderin an der Expedition teilnimmt. Sie leitet eines von fünf Projekten, die alle Nachwuchsforscher in Kleingruppen absolvieren werden.
Übergeordnetes Thema ist die Analyse der Planktongemeinschaften (kleine, in der Wassersäule lebende Algen und Tiere). Die Expeditionsteilnehmenden wollen erforschen, wie sich die Planktonzusammensetzung in Abhängigkeit wechselnder Umweltbedingungen auf der Fahrt aus dem Nordatlantik über die Tropen bis in den Südatlantik verändert. Dazu messen die Studierenden grundlegende physikalische, chemische und biologische Parameter des Ozeans. Sie analysieren beispielsweise Temperatur und Salzgehalt des Meerwassers und setzen Planktonnetze ein, um die vorkommenden Lebewesen unter dem Mikroskop zu bestimmen. Welche Rückschlüsse Satellitenbeobachtungen auf die Artenzusammensetzung im Ozean zulassen, ist ebenso Thema wie experimentelle Untersuchungen.
„Ich freue mich darauf, gemeinsam mit den Studenten eine Arbeitshypothese zu entwickeln, das Studiendesign zu definieren, Experimente durchzuführen und in der Auswertung die Hypothese zu überprüfen“, erklärt Prof. Dr. Karin Lochte, wie sie in ihrem Projekt wissenschaftliches Arbeiten vermittelt. „Darüber hinaus wollen wir die Nachwuchsforscher zu interdisziplinären Diskussionen anregen. Neben täglichen Vorträgen bietet die Polarstern dafür den perfekten Rahmen, denn wir werden mehrere Wochen gemeinsam an Bord verbringen. In einer solchen Atmosphäre haben wir Zeit und Raum, um spannende Projekt- und Kooperationsideen zu entwickeln“, schildert die AWI-Direktorin ihre Erfahrung, dass Expeditionen viele nachhaltige Verbindungen schaffen.
Neben der Ausbildung findet auf der Reise von Bremerhaven nach Kapstadt Atmosphärenforschung statt. „Außerdem erproben und kalibrieren wir Lote, die Kollegen auf den anschließenden Expeditionen in der Antarktis nutzen, um beispielsweise Fischschwärme in der Wassersäule aufzuspüren“, berichtet der wissenschaftliche Polarstern-Koordinator Dr. Rainer Knust vom Alfred-Wegener-Institut.
Von Kapstadt aus startet die Polarstern dann in die Antarktis. Nach der Versorgung der Neumayer-Station III kurz vor Weihnachten finden ozeanographische und biologische Arbeiten in der Nähe des Filchner-Rønne-Eisschelfs statt. Im Weddellmeer stehen dann Langzeitmessungen auf dem Weg zum nächsten Hafenanlauf in Punta Arenas (Chile) auf dem Programm. In Chile startet Mitte Februar 2016 eine Expedition mit geowissenschaftlichen und biologischen Schwerpunkten in der Drake-Passage zwischen Südamerika und der Westantarktischen Halbinsel. Nach einem weiteren Hafenanlauf in Punta Arenas nutzen Atmosphärenforscher die gut fünfwöchige Rückreise nach Bremerhaven, wo die Polarstern Mitte Mai zurückerwartet wird.