06. Januar 2025
Online-Meldung

Ozeanerwärmung und tauender Permafrost lassen Arktischen Ozean weniger biologischen Kohlenstoff speichern und CO2 aufnehmen

AWI-Modellierungsstudie zeigt, dass die Erwärmung des Ozeans sowie zusätzliche Nährstoffe und Kohlenstoff vom Festland die Biologische Kohlenstoffpumpe abschwächen
Satellitenbild das den Fluss Olenyok zeigt. Er führt dem Arktischen Ozean hohe Konzentrationen an Nährstoffen und Kohlenstoff aus aufgetautem Permafrost zu. (Foto: Bennet Juhls (Quelle: Copernicus)

Die Arktis erlebt die schnellsten Klimaveränderungen auf dem Planeten, was unter anderem zu einem erheblichen Verlust des Meereises führt. Das hat wiederum zur Folge, dass der Arktische Ozean immer mehr Sonnenlicht ausgesetzt ist und so die Produktion von organischem Material durch Photosynthese (Nettoprimärproduktion) um etwa 56 Prozent über die letzten zwei Jahrzehnte steigern konnte – wie Fernerkundungsstudien zeigen. Gleichzeitig tauen aufgrund der steigenden globalen Erwärmung die Permafrostböden immer stärker auf. Durch Küstenerosionen und über Flüsse gelangen Nährstoffe und Kohlenstoff aus den tauenden Böden in den Arktischen Ozean. Obwohl man denken könnte, dass die zusätzlichen Nährstoffe die biologische Kohlenstoffpumpe anregen und damit die Aufnahme und die Langzeitspeicherung von Kohlenstoff ankurbeln, zeigt eine neue Studie des Alfred-Wegener-Instituts in der Fachzeitschrift Nature Climate Change überraschend etwas anderes: Verstärkte Recyclingprozesse und Verschiebungen im Ökosystem untergraben die Effizienz anstatt sie zu verstärken. Das stellt bisherige Annahmen über die Fähigkeit der Arktis, Kohlenstoff in einer immer wärmenden werdenden Welt zu speichern, in Frage. 

Für ihre Studie nutzten die Forschenden ein hochmodernes, hochauflösendes Modell für die Biogeochemie der Ozeane, das Kohlenstoff- und Nährstoffeinträge sowohl aus Flüssen als auch aus der Küstenerosion einbezieht – ein Ansatz, der wegweisende Zukunftsprognosen ermöglicht. „Diese Einträge vom Festland und ihre Auswirkungen auf die biogeochemischen Kreisläufe im Ozean werden derzeit in den Modellen, die der Weltklimarat nutzt, übersehen“, sagt Dr. Laurent Oziel, Hauptautor und Modellierer am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „In unserer Studie haben wir daher die zukünftige Entwicklung der biologischen Kohlenstoffpumpe genauer untersucht, sowie die biologischen Prozesse, die den Kohlenstoff von der Meeresoberfläche in die Tiefe transportieren, wo er langfristig gespeichert wird.“

Aufzug zum Meeresboden: die biologische Kohlenstoffpumpe

Die biologische Kohlenstoffpumpe (BCP) spielt eine entscheidende Rolle im globalen Kohlenstoffkreislauf. Sie reduziert den CO2-Gehalt in der Atmosphäre um etwa 200 ppm (Teile pro Million), im Vergleich zu einer Welt ohne sie. Die BCP befördert organischen Kohlenstoff von der Meeresoberfläche in die Tiefen des Ozeans und sichert so die langfristige Speicherung von photosynthetisch gebundenem Kohlenstoff.

Die Ergebnisse der Biogeochemie-Simulationen überraschte die Forschenden: Während die zusätzlichen Nährstoffe und das zusätzliche Licht die Nettoprimärproduktion ankurbelten, konnten sie weder die Effizienz noch die Stärke der BCP im Arktischen Ozean steigern. Vielmehr zeigten die Ergebnisse, dass der Klimawandel die Effizienz der Pumpe bis zum Jahr 2100 um 40 Prozent senken könnte. Die Forschenden erklären das durch intensivere Recyclingprozesse, ausgelöst durch die Ozeanerwärmung und den zunehmenden Eintrag von Stoffen vom Festland. 

Darüber hinaus wirkt sich der zunehmende terrestrische Kohlenstoffeintrag aus tauenden Permafrostböden direkt auf die CO2-Flüsse zwischen Ozean und Atmosphäre aus. „Dieser zusätzliche Kohlenstoff vom Land führt zu einem intensiven CO2-Ausgasen an den Küsten und reduziert die Kohlenstoffsenke des Arktischen Ozeans um mindestens 10 Prozent“, erklärt Prof. Judith Hauck vom AWI. Zusammen verringern diese Rückkopplungen die Fähigkeit des Arktischen Ozeans, Kohlenstoff zu speichern. Das reduziert sein Potenzial, CO2 aufzunehmen um einen Betrag, der etwa der Hälfte der Emissionen von Spanien im Jahr 2023 entspricht.

Obwohl die Nettoprimärproduktion in Zukunft steigen könnte, scheint der Arktische Ozean in Zukunft immer weniger in der Lage zu sein, diese zusätzliche organische Substanz so in die Tiefe zu schicken, wie er es einst tat. Vielmehr wird Kohlenstoff immer öfter direkt an der Meeresoberfläche recycelt. „Unsere Studie stellt die Annahme in Frage, dass eine zunehmende Primärproduktion im Arktischen Ozean die Biologische Kohlenstoffpumpe auf natürliche Weise stärken wird“, schließt Laurent Oziel. „Wir haben Rückkopplungsmechanismen gefunden, die unseren Erwartungen widersprechen und unsere Sichtweise darauf verändern, wie der Kohlenstoffkreislauf des Arktischen Ozeans mit dem Klima interagiert, was möglicherweise tiefgreifende Auswirkungen auf den Ozean und die benthischen Ökosysteme hat.“


Originalpublikation

Laurent Oziel et al.: Climate change and terrigenous inputs decrease the efficiency of the future Arctic Ocean’s biological carbon pump, Nature Climate Change (2025). DOI: 10.1038/s41558-024-02233-6

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