Die exzellente und verlässliche deutsche Polarforschung ist ein wichtiger Türöffner für die deutsche Arktispolitik. So lautet ein Fazit des ersten parlamentarischen Abends zur deutschen Arktisforschung und -politik, den das Alfred-Wegener-Institut gestern gemeinsam mit der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) und dem Institute for Advanced Sustainability Studies (IASS) in der Landesvertretung Bremens in Berlin veranstaltet hat.
Der Einladung zum Dialog zwischen Forschung und Politik waren rund 100 Parlamentarier, Ministeriumsvertreter, Wissenschaftler und Interessierte gefolgt – unter ihnen auch Bundesforschungsministerin Prof. Dr. Johanna Wanka. Sie wies gleich zum Auftakt der Veranstaltung darauf hin, dass Deutschland vor allem deshalb einen Beobachterstatus im Arktisrat innehabe, weil die Arktis-Anrainerstaaten die Arbeit und Kompetenz deutscher Polarforscher so schätzten. „Unsere Arktis-Expertise ist in diesem Gremium sehr gefragt“, sagte die Bundesministerin.
AWI-Direktorin Karin Lochte betonte, dass Forschung und Politik angesichts der großen klimatischen Veränderungen in der Arktis eng zusammenarbeiten müssen: „Wir Forschende haben jede Menge Ergebnisse. Jetzt brauchen wir die Politik, um internationale Regeln festzulegen, die uns allen helfen, den Lebensraum Arktis zu schützen und seine Nutzung so nachhaltig zu gestalten, dass er nicht zerstört wird.“
In der anschließenden Diskussionsrunde standen Fragen zur Forschungsfreiheit, zur Bedeutung der Arktis für Deutschland und zum deutschen Mitspracherecht in Arktisbelangen im Mittelpunkt. Joachim Bleicker vom Auswärtigen Amt erklärte dabei, dass Deutschland weiterhin überzeugende wissenschaftliche Beiträge leisten müsse, wenn es auch künftig international Gehör in Arktisbelangen finden wolle. Deshalb sei ein wichtiges Ziel der deutschen Arktispolitik, internationale Forschung auch in jenen Seegebieten zu ermöglichen, auf welche die Arktis-Anrainerstaaten Territorialansprüche erheben.
BGR-Experte Dr. Christian Reichert hatte zuvor aufgezeigt, dass nur zwei relativ kleine internationale Seegebiete blieben, wenn alle derzeit angemeldeten Hoheitsansprüche der Anrainerstaaten anerkannt würden.
AWI-Klimaforscher Prof. Dr. Thomas Jung erläuterte dem Publikum, dass die aktuellen Kernfragen der Arktisforschung nur in internationaler Zusammenarbeit erfolgreich beantwortet werden können. „Wir wünschen uns deshalb mehr Unterstützung bei der Finanzierung internationaler Forschungsprojekte“, sagte Thomas Jung. Auf EU-Ebene funktioniere die Forschungsförderung schon sehr gut. Jetzt ginge es darum, Finanzierungsmodelle für Projekte zu entwickeln, die über die EU-Grenzen hinausgingen.
IASS-Experte Andreas Kraemer unterstützte den AWI-Forscher in diesem Punkt: „Wir müssen Brücken bauen und das EU-Forschungsprogramm auf Nicht-EU-Staaten ausweiten.“ Gleichzeitig verwies er darauf, dass die deutsche Arktispolitik immer auch eine innen- und umweltpolitische Komponente besäße. „Alles, was wir in Deutschland machen, hat am Ende auch Auswirkungen auf die Arktis“, so der Experte.
Einig waren sich die Experten darin, dass der derzeit niedrige Ölpreis die Explorationsbestrebungen der Ölindustrie eingedämmt habe und die Politik dieses Zeitfenster nun nutzen müsste, um verbindliche Konventionen zur Nutzung festzulegen. „Auch die Frage nach Meeresschutzgebieten in der Arktis muss jetzt diskutiert werden“, sagte Joachim Bleicker.
Zum Abschluss appellierte Prof. Dr. Karin Lochte noch einmal an die Politik, die Beziehungen zu Russland nicht abreißen zu lassen: „Wie schaffen wir es, die gute internationale Zusammenarbeit in der Arktis nicht durch nationale Egoismen zu zerstören?“, fragte sie und fügte hinzu: „Russland ist ein wichtiger Partner, mit dem wir unbedingt im Gespräch bleiben müssen.“