PS97 Wochenbericht Nr. 5 | 14. - 20. März 2016

Drake Passage - die zweite Überquerung

[20. März 2016] 

Die 5. Woche der Polarsternexpedition PS97 führte uns von der Antarktischen Halbinsel bei Elephant Island nach Nordwesten erneut über die Drake Passage in Richtung Südamerika.

Die Woche war hauptsächlich durch geologische Probennahmen geprägt, lediglich für einen Tag unterbrochen von Wasserpumparbeiten an der dritten biologischen Station.

Die Geologen bekamen nun ihre zweite ChanceSedimentkerne und Oberflächenproben über die verschiedenen ozeanographischen Zonen der Drake Passage zu gewinnen. Diese Kern-Transekte sind einer der Schwerpunkte der paläoozeanographischen Arbeiten auf PS97. Ziel ist es dabei, auf einer Linie von Südamerika bis zur antarktischen Halbinsel Sedimentkerne zu gewinnen, um raumzeitliche Veränderungen der Ozeanographie im Bereich der Drake Passage zu rekonstruieren. Auf unserem westlichen Schnitt über die Drake Passage (siehe Wochenbericht 3) konnten wir leider erst südlich der Polarfront längere Sedimentkerne gewinnen (Abb. 1 und 2). Weite Bereiche zwischen der Subantarktischen Front und der Polarfront waren praktisch frei von Sediment. Der Grund dafür sind wahrscheinlich die starken Bodenströmungen in diesem Gebiet, die verhindern, dass feinkörnige Silt- und Tonpartikel zur Ablagerung kommen.

Nach Beendigung der zweiten biologischen Station ca. 35 nm nördlich von Elephant Island begann unsere Überquerung der Drake Passage an ihrer engsten Stelle entlang der Shackleton Störungszone, die sich von Elephant Island nach Nordwesten bis an die Südspitze des südamerikanischen Schelfes vor Kap Hoorn erstreckt (Abb. 1). Dabei handelt es sich um eine wichtige tektonische Störungszone, welche die Plattengrenze zwischen der Antarktischen Platte und der Scotia Platte darstellt. An dieser aktiven Plattengrenze finden großräumige Plattenverschiebungen statt, die auch heute noch immer wieder von Erdbeben begleitet werden. Gleichzeitig kommt es zu bedeutenden Hebungen des Ozeanbodens, die dazu führen, dass die Shackleton Störungszone als untermeerische Gebirgskette bis zu 2500 m über die umgebene Tiefsee aufragt. Besonders in ihrem südöstlichen Teil hat die submarine Erhebung der Shackleton Störungszone einen weitreichenden Einfluss auf die Ozeanzirkulation und besonders auf die Lage der Südlichen Antarktischen Zirkumpolarstrom Front (SACCF, Abb. 2). Die Lage der Polarfront wird dagegen eher durch den Verlauf des Antarktischen-Phoenix-Rücken und dem West-Scotia-Rücken beeinflusst (Abb. 2). Schließlich folgt die dritte wichtige Front, die Subantarktische Front, dem Kontinentalrand von Patagonien.

Eine der wichtigsten paläozeanographischen Fragen, die wir mit unseren neu gewonnenen Sedimentkernen beantworten möchten, ist, ob die heute erkennbare Kontrolle der ozeanischen Fronten durch die submarine Topographie in der Vergangenheit ebenfalls gegeben war. Durch die starken Klimaänderungen im Verlauf der letzten Kalt- und Warmzeiten haben sich nämlich die Umwelt-Randbedingungen rund um die Drake Passage drastisch geändert. Während der Eiszeiten dehnte sich das Antarktische Eisschild bis über die Süd-Shetland-Inseln an den Rand der Drake Passage aus, gleichzeitig lag das Patagonische Eisschild im Norden auf dem argentinisch/chilenischen Schelf. Durch die Ausdehnung der antarktischen Kaltwasserzone nach Norden, haben sich die ozeanographischen Fronten oberhalb der Drake Passage im Südost-Pazifik wahrscheinlich deutlich nach Norden verlagert. Insgesamt hat sich die Durchflussmenge durch die Drake Passage während der Kaltzeiten, wegen schwächerer Westwinde im Norden und ausgedehnterem Meereis im Süden der Passage, vermutlich reduziert. Heute fließen etwa 150 Sverdrup Ozeanwasser durch die Drake Passage. Das entspricht der 150fachen Wassermenge aller Flüsse der Erde. Die Drake Passage stellt die wichtigste Engstelle im Verlauf des den Globus umspannenden Antarktischen Zirkumpolarstromes dar. Änderungen dieses Durchstromes haben weitreichende Auswirkungen auf die globale Ozeanographie, den Kohlenstoffkreislauf und das Klima.

Am 14.3. querten wir die Shackleton Störungszone nach Westen und konnten dort an und nördlich der Südlichen Antarktischen Zirkumpolarstrom Front (SACCF, Abb. 2) zwei bis zu acht Meter lange Sedimentkerne gewinnen. Nach erneuter Querung auf die Nordost-Seite des untermeerischen Gebirgszuges am 15.03., konnten wir über die Polarfront hinweg ein detailliertes Profil mit sechs Sedimentkernen, die zwischen 6 und 14 m lang sind, gewinnen. Nach einem kurzen Zurückdampfen auf die eintägige dritte biologische Station, ging es am 19.03. nordwestwärts in Richtung der Subantarktischen Front (Abb. 2). Nach Station PS97/089 verschwand die Sedimentbedeckung erneut, abgesehen von einem kleinen Sedimentbecken bei Station PS97/090. Die mittelfristigen Wettervorhersagen verschlechterten sich stetig, insbesondere für die Wind- und Wellen-exponierteren Lokationen weiter nordwestlich. Nun mussten wir uns entscheiden, ob wir Kurs in Richtung Kap Hoorn halten, oder zurück auf das westliche Profil von der Hinfahrt versetzen. Wir wussten von unserer ersten Überfahrt über die westliche Drake Passage, dass es dort nördlich der Subantarktischen Front durchgehende Sedimentbedeckung gibt. Vor zwei Wochen konnten wir zeit- und wetterbedingt in diesem Gebiet leider keine Sedimentkerne gewinnen. Deshalb entschieden wir uns kurzfristig dazu, diese schon bekannten Kernlokationen anzufahren und dort ein relativ engständiges Profil von Sedimentkernen zu gewinnen. Bei Windstärke 7-8 Beaufort arbeiten wir dieses Profil gerade mit Multi-Corer und Kolbenlot ab. Die Dünung steigt langsam in Richtung 5 m und die Decksmannschaft und die Geologen arbeiten hart an der Grenze des Machbaren. Trotzdem konnten wir hier an Station PS97/93 ein 20 m langes Kolbenlot einsetzen und mit 16,5 m Kerngewinn die bisherige Rekordlänge auf PS97 erzielen (Abb. 4).

Die ProIron Arbeitsgruppe hat ihre letzte Station beprobt. Wir sind nun mit vielen Inkubationsexperimenten beschäftigt, die zur Untersuchung der Frage wie Eisen und andere Spurenelemente das Wachstum des Phytoplanktons in dieser Ozeanregion kontrollieren an Bord durchgeführt werden. Es ist außerdem wichtig, die Bedeutung des gelösten organischen Materials (DOM) hinsichtlich möglicher Effekte auf das Phytoplanktonwachstum besser zu verstehen, da es einen großen Einfluss auf die Chemie von Eisen hat, vor allem auf dessen Bioverfügbarkeit. Daher isolieren wir direkt an Bord organische Substanzen aus dem Seewasser, um sie später im Labor genauer analysieren und mögliche Interaktionen zwischen diesen Molekülen und Eisen besser untersuchen zu können. Aufgrund der Tatsache, dass diese Substanzen nur in sehr geringen Mengen im Seewasser vorliegen, müssen sie aufkonzentriert werden, wofür wir parallel 2 Methoden anwenden: Die erste Methode, die Ultrafiltration, ist eine Separierung nach Größe der organischen Möleküle, wobei eine Aufkonzentrierung von 1000 L Seewasser auf 1 L Seewasser erfolgt (Abb. 5 links). Bei der zweiten Methode, der Festphasenextraktion, werden chemische Eigenschaften der organischen Moleküle genutzt um sie zunächst an spezielle Harze in einer Kartusche zu binden (Abb. 5 rechts) und sie später mittels Methanol wieder herunterzulösen. Hierbei wird DOM aus maximal 50 L Seewasser auf 250 mL Extrakt konzentriert. Um die Natur der organischen Substanzen mit diversen Messmethoden genauer zu erforschen, werden die gewonnenen Proben an insgesamt fünf unterschiedliche Universitäten bzw. Labore vergeben.

Das Wetter und die Seebedingungen bei unserer zweiten Überquerung der Drake Passage waren außergewöhnlich gut. Wir bekamen schon Zweifel, ob der Ruf dieser Gegend als eines der schwierigsten Meeresgebiete der Welt wirklich gerechtfertigt ist. Aber wahrscheinlich hatten wir einfach nur Glück. Die Aussichten für die kommende Woche sind dagegen alles andere als gut. Wir planen für die nächsten Tagen noch ozeanographische und geologische Arbeiten am Kontinentalhang östlich vor Kap Hoorn unter Landschutz. Danach soll es dann, so das Wetter es erlaubt, langsam entlang des chilenischen Kontinentalhang in das Gebiet vor der Magellan-Straße gehen. Hier wollten wir ursprünglich bereits zu Beginn unserer Expedition arbeiten. Hoffen wir, dass es diesmal klappt. Alle Fahrtteilnehmer sind wohlauf und die Arbeiten laufen sehr effizient und erfolgreich, nicht zuletzt Dank der sehr guten Zusammenarbeit mit der Mannschaft und der Schiffsleitung.

 

Frank Lamy

Fahrtleiter PS97

Position: 57°09´S; 70°45´W

(140 Seemeilen südwestlich Kap Hoorn)

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Wissenschaftliche Koordination

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