Was sind die globalen Auswirkungen einer eisfreien Arktis? Wie wird sich die Arktis mit zunehmender Klimaerwärmung entwickeln? Was bedeutet eine Arktis ohne Eis für unsere Umwelt und unsere Gesellschaft? Diese Fragen wollen Forschende mit dem internationalen Projekt „i2B - Into the Blue“ mit Rückblick in die Vergangenheit und Ausblick in die Zukunft klären. Das Projekt wurde nun mit 12,5 Millionen Euro vom Europäischen Forschungsrat (ERC) mit einem Synergy Grant für sechs Jahre bewilligt. Die Antragsteller des Projekts sind Dr. Jochen Knies und Research Prof. Dr. Stijn De Schepper aus Norwegen sowie der Klimamodellierer Prof. Dr. Gerrit Lohmann vom Alfred-Wegener-Institut und der Universität Bremen.
Die Auswirkungen einer schmelzenden Arktis beschäftigt Forschende schon lange, denn die konkreten Auswirkungen auf die Region und das ganze Erdsystem sind bislang unklar. Genau dieser Frage möchte das Projekt „i2B - Into the Blue“ auf den Grund gehen, indem es einen Blick in die Vergangenheit wirft, auf Zeiträume, die wärmer als heute sind (d.h. pleistozäne Interglaziale, Pliozän und Miozän), als die Arktis ihre weiße Landschaft verlor und einen blauen, eisfreien Ozean hatte. Dazu sind Expeditionen in die Arktis vorgesehen, um aus den Klimaarchiven die Änderungen zu quantifizieren. In der Vergangenheit wurde die Dynamik von Veränderungen im Meereis und Landeis und die Rückkopplung mit der Umwelt nicht ausreichend analysiert. Dadurch fehlen wichtige Grundlagen für eine Klimaprojektion in der Arktis. Dies soll nun mit dem Projekt nachgeholt werden. „Die Aktualität von i2B ist mit der Gewinnung neuer geologischer Daten in der Arktis für Warmzeiten in Kombination mit neuartigen Klimamodellen verbunden, die in einem konzertierten Rahmen über den Stand der Technik hinaus integriert werden“, beschreiben die Forschenden ihr Projekt.
„Das Projekt i2B besteht aus drei Teilen, die aufeinander aufbauen: der Quantifizierung, dem Verständnis und der Auswirkung der blauen Arktis“, erläutert Dr. Jochen Knies von der UiT The Arctic University of Norway. Die Forschenden analysieren, wie sich in vergangenen „Treibhaus“-Perioden, die also wärmer waren als in der heutigen Zeit, die Eisverteilung und Ökosysteme entwickelt haben. „Neue Modelle werden entwickelt, um die Dynamik der Veränderung in der Arktis besser verstehen zu können“, ergänzt Prof. Dr. Gerrit Lohmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), und der Universität Bremen. „Womit wiederum eine quantitative Bewertung der Auswirkung der Veränderungen in der Arktis in den kommenden Jahrzehnten auf die Umwelt und die Gesellschaft ermöglicht werden kann“, betont Dr. Stijn De Schepper, Research Professor am Norwegian Research Centre (NORCE) und dem Bjerknes Centre for Climate Research.
Die Forscher werden zusammen mit ihren Co-Leiterinnen Dr. Petra Langebroek (NORCE), Dr. Juliane Müller (AWI) und Associate Prof. Dr. Monica Winsborrow (UiT) ein internationales Team leiten. Knies, De Schepper und Lohmann bringen ihre unterschiedlichen Expertisen zusammen. Das ermöglicht ein synergetisches Projekt aus paläoklimatischer, umweltwissenschaftlicher und meeresgeologischer Forschung.
„Derzeit fehlt uns ein umfassendes Verständnis, wie sich der Verlust der weißen Landschaften der Arktis auf unser Klima, den Planeten und unsere Gesellschaft auswirken wird. In diesem neuen Projekt möchten die Forscher der Vergangenheit Bilder für unsere Zukunft abtrotzen. Wir sind gemeinsam mit unseren norwegischen Partnern über den Synergy Grant sehr erfreut, da die Förderung des ERC eine großartige Chance für uns alle ist, darauf Antworten zu bekommen“, sagt AWI-Direktorin Prof. Dr. Antje Boetius. Zudem freut sie sich, dass dieser ERC Synergy Grant zusammen mit zwei weiteren ERC Synergy Grants für Erdsystemforschende an den am MARUM der Uni Bremen angesiedelten Exzellenzcluster "Ozeanboden" kommt. „Ein Zeichen, dass wir hier im Land Bremen einen Spitzenstandort für Klima- und Meeresforschung aufgebaut haben und dabei sehr gut nationale und internationale Talente anziehen.“
„Der ERC Synergy Grant ist das prestigeträchtigste Forschungsstipendium in Europa. Bisher wurden in Norwegen nur sieben Projekte dieser Art finanziert. Wir konkurrieren international mit den herausragendsten Forschungseinrichtungen, daher bin ich tief beeindruckt und im Namen aller stolz. NORCE freut sich, sein Fachwissen in den Bereichen Paläozeanographie, antike DNA und Meereisrekonstruktion in dieses Projekt einbringen zu können“, sagt Dr. Trond Dokken, Vize-Präsident für die Abteilung Klima & Umwelt bei NORCE.
„Die Erlangung dieses Grants ist eine enorme Leistung der drei exzellenten Forscher und ihrer Institutionen.Die Arktis ist ein Hotspot für den schnellen Klimawandel, und es ist von größter Bedeutung, Erkenntnisse über die mögliche Zukunft zu gewinnen, die uns erwarten könnte. i2B ist eine große Inspiration für uns alle“, sagt Prof. Dr. Jan-Gunnar Winther, Prorektor für Forschung und Innovation von UiT, der Arctic University of Norway.
Der Europäische Forschungsrat fördert jährlich wissenschaftliche Projekte aus der Europäischen Union mit dem Synergy Grant. Die Projekte sollen Schnittstellen zwischen etablierten Disziplinen erkunden und damit zu bedeutenden wissenschaftlichen Weiterentwicklungen führen. Antragsfähig sind Gruppen aus zwei bis vier Personen, die zusammenarbeiten, um ihr Wissen und ihre Ressourcen zusammenführen und damit anspruchsvolle Forschungsfragen anzugehen. Weitere Infos: https://erc.europa.eu