Bremerhaven, den 25 Juni 2009. Die Helmholtz-Hochschul-Nachwuchsgruppe "Phytooptics" am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und dem Institut für Umweltphysik der Universität Bremen hat eine neue Methode entwickelt, die es ermöglicht, die weltweite Konzentration einzelner Mikroalgengruppen direkt aus Satellitendaten zu ermitteln. Mit den neuen Satellitenkarten können zeitliche Veränderungen unterschiedlicher Algengruppen global beobachtet und Auswirkungen des Klimawandels besser eingeschätzt werden. Bisher war die quantitative Verteilung von Kleinstalgen (Phytoplankton) in den Weltmeeren nur als Gesamtheit zu bestimmen, nicht nach Algengruppen getrennt. Verschiedene Algengruppen haben aber unterschiedliche Funktionen sowohl für das Nahrungsnetz im Meer als auch für unser weltweites Klima.
Die von der Gruppenleiterin Astrid Bracher in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des Instituts für Umweltphysik, des Alfred-Wegener-Instituts und dem GKSS Forschungszentrum Geesthacht entwickelte Methode, „PhytoDOAS“ genannt, nutzt Daten des Sensors „SCIAMACHY“, der seit sieben Jahren kontinuierlich an Bord des europäischen Umweltsatelliten „Envisat“ vom Weltraum aus die Farbe der Weltmeere detektiert. Aus den Bildern können die Verteilungen von zwei bedeutenden Phytoplankton-Gruppen, Kieselalgen und Blaualgen, quantitativ abgeleitet werden. Algen gewinnen die Energie, die sie für die Photosynthese benötigen, durch die Absorption des Sonnenlichts mit bestimmten Pigmenten, wie dem Chlorophyll. „Die aufgenommene Strahlung wird als so genanntes Absorptionsspektrum ermittelt und ist für verschiedene Algengruppen aufgrund ihrer Pigmentzusammensetzung spezifisch. Die unterschiedlichen Spektren können wir aus den Daten des Satellitensensors „SCIAMACHY“ bestimmen. Das ist ein wichtiger Schritt, da bisher nur dominierende Algengruppen bestimmt und deshalb auch nur wesentlich allgemeinere Aussagen über die Verteilung von Mikroalgen in den Weltmeeren getroffen werden konnten“, so Astrid Bracher.
Algen produzieren mit Hilfe von Photosynthese Nahrung und Sauerstoff. Dabei nehmen sie Kohlendioxid auf und entziehen es der Atmosphäre. Ein Teil der Algen wird gefressen und gelangt in die Nahrungskette, andere sinken an den Meeresboden und versenken auf diese Weise Kohlendioxid. Unterschiedliche Gruppen von Phytoplankton spielen ganz unterschiedliche Rollen für Klima und marines Nahrungsnetz: Kieselalgen sind mit ihren Silikatschalen wesentlich am Aufbau von Material biologischen Ursprungs beteiligt, das sich am Ozeanboden ablagert. Blaualgen können im Gegensatz zu anderen Algen die organischen Stickstoff zum wachsen benötigen, selbst elementaren Stickstoff fixieren. Um Auswirkungen des Klimawandels genauer studieren zu können, sind Langzeitdatensätze über die Verteilung und Produktivität verschiedener Phytoplankton-Gruppen von größter Bedeutung.
Bei der Auswertung der Algengruppen muss aber auch die Absorption anderer Stoffe berücksichtigt werden: Auch das Wasser selbst und die Spurengase in der Luft wie z.B. Ozon und Stickoxide absorbieren Licht. Allerdings gibt es auch Grenzen für den Satelliten: „Bei schlechtem Wetter und Wolken kann die Farbe des Ozeans nicht vom Satelliten gesehen werden, also können auch keine Algenkarten erstellt werden. Dann helfen nur die Messungen vor Ort,“ erklärt Bracher. Die Absorptionseigenschaften der Algen werden dann direkt im Wasser ermittelt und mit den Satellitendaten verglichen. Solche Messungen wurden auf verschiedenen mehrwöchigen Schiffsexpeditionen mit dem deutschen Forschungsschiff Polarstern im Atlantischen Ozean durchgeführt. Die Validierung der Satellitendaten (sog. „ground truthing“ - Überprüfung am Boden) und der Vergleich mit einem globalen biogeochemischen Modell haben gezeigt, dass die Satellitenkarten die Verteilung der Algengruppen mit großer Genauigkeit wiedergeben können.
Die Ergebnisse wurden vor kurzem in der renommierten Fachzeitschrift Biogeosciences veröffentlicht (Quantitative observation of cyanobacteria and diatoms from space using PhytoDOAS on SCIAMACHY data. Biogeosciences, 6, 751-764, 2009). Die Forschungsarbeiten wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und von dem Helmholtz Impuls Fond gefördert.
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