13. Februar 2024
Online-Meldung

Spuren der Eiszeitjäger in der Ostsee entdeckt

Zufallsfund ist möglicherweise das älteste jemals in der Ostsee entdeckte menschliche Bauwerk
3D-Modell Steinwall (Grafik: P. Hoy, Universität Rostock/J. Auer, LAKD M-V)

Ein geologisches Forschungsteam fand bei einer studentischen Ausfahrt im Jahr 2021 eine ungewöhnliche, fast einen Kilometer lange Steinreihe am Grund der Mecklenburger Bucht. Die Fundstelle liegt etwa zehn Kilometer vor Rerik in 21 Metern Wassertiefe. Die Auswertungen lassen darauf schließen, dass Eiszeitjäger vor etwa 11.000 Jahren diese Struktur errichtet haben, um Rentiere zu jagen. Es ist das erste Mal, dass eine solche Jagdstruktur im Ostseeraum entdeckt wurde, berichtet die Gruppe unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts jetzt in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS).

Ein Geologie-Team wurde bei einer Forschungsschiff-Ausfahrt der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel im Jahr 2021 zufällig auf eine 970 Meter lange, regelmäßige Steinstruktur in der Mecklenburger Bucht aufmerksam. Dieser Steinwall verläuft parallel zu einer Niederung, vermutlich einem ehemaligen See oder Moor. Die Ostsee ist an dieser Stelle heute 21 Meter tief. Der Steinwall muss also errichtet worden sein, bevor der Wasserspiegel nach dem Ende der letzten Eiszeit stark anstieg. Dies geschah zuletzt vor etwa 8.500 Jahren. Für die Errichtung der Steinmauer kommt deshalb nur die Zeit nach dem Ende der letzten Eiszeit (vor etwa 12.000 Jahren) in Betracht, als die Landschaft noch nicht von der Ostsee überflutet war. Es wird angenommen, dass in dieser Zeit nicht mehr als 5.000 Menschen in ganz Nordeuropa lebten. Eines ihrer Hauptnahrungsmittel waren Rentiere, die im jahreszeitlichen Rhythmus in Herden durch die vegetationsarme nacheiszeitliche Landschaft zogen. Wahrscheinlich diente der Wall dazu, die Rentiere am Rande eines Sees in die Enge zu treiben, so dass sie von den steinzeitlichen Jägern mit Jagdwaffen erlegt werden konnten.

Da vor etwa 11.000 Jahren, als das Klima wärmer wurde und sich Wälder ausbreiteten, die letzten Rentiere aus unseren Breiten verschwanden, dürfte die Steinmauer nicht nach diesem Zeitpunkt errichtet worden sein. Sie wäre damit das älteste jemals in der Ostsee entdeckte menschliche Bauwerk. Zwar seien in der Wismarbucht und entlang der Küsten Mecklenburg-Vorpommerns zahlreiche gut erhaltene archäologische Fundstellen aus der Steinzeit bekannt. Diese liegen allerdings in deutlich geringeren Wassertiefen und datieren meist in die Mittel- und Jungsteinzeit (ca. 7.000 - 2.500 v. Chr.), berichtet das Forschungsteam von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW), des CAU-Forschungsschwerpunkts Kiel Marine Science, der Universität Rostock, des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäologie in Schleswig, das seit 2024 zum Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA) gehört, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), des Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und des Landesamts für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern (LAKD M-V).

Die Steinmauer und der umgebende Meeresboden sollen jetzt mithilfe von Seitensichtsonar, Sedimentecholot und Fächerecholot noch genauer untersucht werden. Außerdem wollen die Forschenden versuchen, die Steinmauer mittels Lumineszenzverfahren zu datieren. Mit dieser Methode lässt sich feststellen, wann die Oberfläche eines Steins zuletzt dem Sonnenlicht ausgesetzt war. Auch eine detaillierte Rekonstruktion der umgebenden Landschaft ist vorgesehen. Insgesamt können die Untersuchungen einen bedeutenden Beitrag zum Verständnis der frühen steinzeitlichen Wildbeutergruppen leisten und helfen, deren Lebensweise, Organisation und Jagdmethoden zu verstehen.

Weitere Informationen gibt es in dieser Pressemitteilung von CAU, IOW und Uni Rostock.


Originalpublikation:

J. Geersen, M. Bradtmöller, J. Schneider von Deimling, P. Feldens, J. Auer, P. Held, A. Lohrberg, R. Supka, J. J. L. Hoffmann, B. V. Eriksen , W. Rabbel , H.-J. Karlsen, S. Krastel, D. Brandt, D. Heuskin, H. Lübke: A submerged Stone Age hunting architecture from the Western Baltic Sea; PNAS (2024). PNAS: https://doi.org/10.1073/pnas.2312008121

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