Die „Destination Earth“-Initiative (DestinE) der EU-Kommission startete 2022 und ist wichtiger Bestandteil des Green Deal und der Digitalstrategie Europas. Bis 2030 soll DestinE ein hochauflösendes digitales Modell der Erde schaffen, mit dem Maßnahmen zum Klimaschutz getestet und Prognosen erstellt werden können. Am Projekt beteiligt sind dabei zahlreiche europäische Behörden, Klimaforschungseinrichtungen und Supercomputer-Zentren. Das Alfred-Wegener-Institut beteiligt sich an DestinE unter anderem mit seinem Ozeanmodell FESOM, das Ozeanströmungen und Meereis effizient simuliert und einzelne Schlüsselregionen gezielt höher auflösen kann.
Ende März 2022 gab die Europäische Kommission den Startschuss für die Initiative „Destination Earth“, die zur Bekämpfung des Klimawandels und zum Schutz der Natur beitragen soll. Ziel des Programms ist die Entwicklung eines hochauflösenden, digitalen Modells der Erde. Dieses soll dabei helfen, menschliche Aktivitäten und natürliche Phänomene zu überwachen, Prognosen – etwa für das Klima der Zukunft – zu erstellen und mögliche Maßnahmen und Szenarien für eine nachhaltigere Entwicklung zu testen.
In der ersten Projektphase bauen die Partner bis Mitte 2024 die drei zentralen Säulen von Destination Earth auf. Die Europäische Weltraumorganisation ESA ist für die Entwicklung der Kerndienstplattform zuständig, über die User auf Daten, Dienste und Anwendungstools zugreifen können. Die Europäische Organisation für die Nutzung meteorologischer Satelliten EUMETSAT betreibt den „Data Lake“, den zentralen Speicherraum für alle relevanten Datensätze – neue und bereits vorhandene, wie etwa die Daten aus dem Erdbeobachtungsprogramm Copernicus. Das Europäische Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersage EZMW verantwortet die Entwicklung von zunächst zwei „digitalen Zwillingen“, mit denen bestimmte Bereiche des Erdsystems modelliert werden sollen. Beim Modell für wetterbedingte und geophysikalische Gefahren wird der Fokus auf Extremwetterereignissen wie Überschwemmungen, Dürren und Hitzewellen sowie geologischen Phänomenen wie Erdbeben, Vulkanausbrüchen und Tsunamis liegen.
Der zweite „Zwilling“ hat die Anpassung an den Klimawandel zum Schwerpunkt. Ähnlich wie bei klassischen Klimamodellen können damit unter anderem Zukunftsprognosen für verschiedene Emissionspfade von Treibhausgasen berechnet und Maßnahmen zum Klimaschutz getestet werden. Diese Aufgabe hatte das verantwortliche ECMWF kürzlich öffentlich ausgeschrieben. Den Zuschlag erhielt nun das staatliche CSC – IT Center for Science aus Finnland gemeinsam mit 12 Partnerinstitutionen – darunter das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Im Konsortium vereint sind neben führenden europäischen Institutionen aus der Klimaforschung und der Erdsystemmodellierung auch die schnellsten Supercomputer Europas – wie der LUMI (Large Unified Modern Infrastructure) im finnischen Kajaani und der 2023 in Betrieb gehende MareNostrum 5 in Barcelona.
Das AWI beteiligt sich unter anderem mit seinem bewährten Ozeanmodell FESOM (Finite-Element/volumE Sea ice-Ocean Model), das unter anderem Meeresströmungen und Meereis simuliert. „Der digitale Zwilling, den wir gemeinsam im Rahmen von Destination Earth entwickeln werden, soll als eine wesentliche Innovation globale Klimasimulationen mit einer bisher unerreichten Auflösung von unter 5 Kilometern ermöglichen, in der wichtige Klimaprozesse explizit berechnet werden können,“ erklärt Prof. Thomas Jung, Leiter der Abteilung Klimadynamik und stellvertretender Direktor des AWI. „Damit das funktioniert, brauchen wir neben den exzellenten Supercomputern Europas auch moderne Modellierungsansätze. Die Stärke von FESOM ist dabei seine Skalierbarkeit und Flexibilität.“ Denn anders als viele andere Ozeanmodelle verwendet FESOM keine regelmäßigen, sondern unstrukturierte Gitter. Man kann somit die Gitterelemente gezielt kleiner ziehen und damit bestimmte dynamische aktive Gebiete genauer auflösen – zum Beispiel einzelne Meeresströmungen.
„DestinE wird unsere Fähigkeit stark verbessern, die Folgen der globalen Erwärmung vorherzusehen. Es wird Europa auch an die Spitze der Bemühungen stellen, zu erforschen, wie Informationstechnologien die Menschen in neue digitale Landschaften eintauchen lassen können – um so den Klimawandel und dessen Folgen greifbarer zu machen.“, sagt Thomas Jung.
Bis 2030 sollen weitere „Digitale Zwillinge“ – unter anderem zur Biodiversität – entwickelt und dann zu einer vollständigen digitalen Replik der Erde gekoppelt werden.