17. August 2022
Online-Meldung

El Niño besser verstehen

Eine Studie zur El Niño Southern Oscillation (ENSO) liefert Aussagen zu vergangenen und zukünftigen Eigenschaften
Stürme sind typisch für die ITC (Foto: Thomas Ronge)

Die El Niño Southern Oscillation (ENSO) beschreibt ein Muster von Klimaschwankungen im tropischen Pazifik, in dem sich über die Zeit große Änderungen in der Temperaturverteilung und in den Strömungsmustern des Ozeans ergeben. Menschen, Tiere und sogar ganze Ökosysteme spüren den Einfluss der ENSO – insbesondere durch das Auftreten der Extremereignisse El Niño und La Niña. Bisher gibt es allerdings noch keine eindeutige Antwort darauf, wie die globale Erwärmung ENSO beeinflusst, und ob El Niño und La Niña in Zukunft häufiger und stärker, oder seltener und schwächer auftreten könnten. Ein internationales Forschungsteam um Gabriel M. Pontes von der Universität São Paulo unter Beteiligung des Alfred-Wegener-Instituts hat nun Eigenschaften und Verhalten der ENSO studiert. Ihre Resultate stellt das Konsortium in der Fachzeitschrift Nature Geoscience vor.

Viele Ökosysteme reagieren auf die Veränderungen, die von der ENSO ausgelöst werden. So hat das Klimaphänomen Auswirkungen auf die Temperatur und Nährstoffverfügbarkeit im Ozean, mit Folgen beispielsweise für die Fischerei entlang der Küsten Südamerikas, und damit für das Auskommen der Fischerleute und die Versorgung der lokalen Bevölkerung mit Nahrung. „Bekannt ist, dass die Ausprägung der ENSO vom Grundzustand des Klimas abhängt“, sagt Dr. Christian Stepanek vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). „Wir leben heute in einer Phase, in der sich das Klima erwärmt. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass diese Erwärmung die Eigenschaften der ENSO, und damit auch deren Einfluss auf menschliche Gesellschaften, in der Zukunft verändern wird.“

Die Frage, wie genau diese Veränderungen aussehen könnten, stellt die Klimaforschung vor Herausforderungen, da die Eigenschaften und das Verhalten der ENSO noch nicht vollständig untersucht und verstanden sind. Eine Methode, die Mechanismen hinter der ENSO zu verstehen, ist das Phänomen anhand des Klimas der Vergangenheit zu untersuchen. Besonders interessant sind hierbei jene Epochen der Erdgeschichte, deren Grundzustand dem der Klimaprojektionen für die Zukunft ähnelt - beispielsweise das global relativ warme und feuchte mittlere Pliozän vor etwa drei Millionen Jahren. Um zu bestimmen, welche Mechanismen die Eigenschaften der ENSO in einem warmen Klima beeinflussen, analysierten die Forschenden eine Kombination von vergleichbaren Klimasimulationen und stützten sich auf Informationen aus geologischen Archiven, wie zum Beispiel Sedimentbohrkerne.

„Allerdings lässt sich die ENSO des mittleren Pliozäns nicht direkt mit der des zukünftigen Klimas vergleichen“, sagt Christian Stepanek. „Das heutige und zukünftige Klima befindet sich aufgrund von fortschreitenden Treibhausgasemissionen in einem stetigen Wandel.“ Vor drei Millionen Jahren war das Klima jedoch viel näher an einem Gleichgewicht. Trotzdem liefert die Studie Hinweise darauf, wie sich die ENSO in Zukunft verhalten könnte. Das Konsortium hat für das Pliozän einen Zusammenhang zwischen der Position der innertropischen Konvergenzzone und der Ausprägung der ENSO beschrieben. Die innertropische Konvergenzzone (ITC) ist eine Tiefdruckzone, in der Passatwinde aus Nordosten und Südosten zusammentreffen. Dadurch bilden sich zahlreiche hoch reichende Schauer und Gewitter. Im Laufe des Jahres bewegt sich die ITC um ihre mittlere Breite herum Richtung Norden bzw. Richtung Süden. Im Pliozän war die mittlere Breite der ITC nach Norden verschoben, die ENSO war in der Folge abgeschwächt. Solch eine Verschiebung der ITC zeigt sich auch in Klimaprojektionen – allerdings in entgegengesetzter Richtung, d.h. nach Süden. „Wenn wir davon ausgehen, dass der im Pliozän gefundene Zusammenhang von ENSO und Position der ITC auch weiterhin gilt, dann können wir aus den Simulationen ableiten, dass sich die ENSO-Aktivität in Zukunft verstärkt“, so Stepanek. „Interessanterweise steht diese Schlussfolgerung im Gegensatz zu der seit dem Jahr 2000 beobachteten Abnahme der ENSO.“ Dies wirft weitere Fragen auf - beispielsweise inwieweit die momentan beobachtete Abschwächung der ENSO vielleicht nur ein vorübergehender Effekt sein könnte, der sich in naher Zukunft wieder umkehrt.

Ihre Studie erstellten die Forschenden im Rahmen des internationalen Pliozän-Modellvergleichsprojekt (PlioMIP). Ein wichtiges Ziel ist es, die Ergebnisse verschiedener Klimamodelle miteinander zu vergleichen, um Unsicherheiten in den Modellen aufzuzeigen und robuste modellbasierte Kenntnisse über das Klima hervorzuheben. Die Abteilung Dynamik des Paläoklimas des AWI ist seit mehr als zehn Jahren Teil des Projekts.

Originalpublikation

Gabriel M. Pontes, Andréa S. Taschetto, Alex Sen Gupta, Agus Santoso, Ilana Wainer, Alan M. Haywood, Wing-Le Chan, Ayako Abe-Ouchi, Christian Stepanek, Gerrit Lohmann, Stephen J. Hunter, Julia C. Tindall, Mark A. Chandler, Linda E. Sohl, W. Richard Peltier, Deepak Chandan, Youichi Kamae, Kerim H. Nisancioglu, Zhongshi Zhang, Camille Contoux, Ning Tan, Qiong Zhang, Bette L. Otto-Bliesner, Esther C. Brady, Ran Feng, Anna S. von der Heydt, Michiel L. J. Baatsen & Arthur M. Oldeman: Mid-Pliocene El Niño/Southern Oscillation suppressed by Pacific intertropical convergence zone shift, Nature Geoscience (2022), DOI: 10.1038/s41561-022-009999-y

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