Eisiger Wind, klirrende Kälte und monatelange Dunkelheit – die MOSAiC-Expedition der Polarstern in die Arktis war extrem. Über ein Jahr driftete das Forschungsschiff ab 2019 durchs Polarmeer. Das Team sammelte Informationen zum Wandel des arktischen Klimas: ein Meilenstein für die Klimaforschung. Die Ausstellung „Dünnes Eis“ in der Ladestraße des Deutschen Technikmuseums in Berlin nimmt die Besuchenden ab dem 23. November mit auf Klima-Expedition. Schulklassen und Familien erfahren, wie es ist, in der Arktis zuforschen. Sie messen die Eisdicke, suchen nach Mikroorganismen und finden heraus, wie lange es noch mehrjähriges Eis geben wird. Klar wird: Die Arktis ist unser Frühwarnsystem. Es bleibt wenig Zeit. Wir müssen jetzt handeln, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Die Ausstellung ist in Kooperation mit dem Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung entstanden.
Joachim Breuninger, Vorstand der Stiftung Deutsches Technikmuseum Berlin, sagte beim Pressetermin zur Eröffnung der Ausstellung am Dienstag: „Für die Zukunft unserer Gesellschaft ist der Klimawandel ein zentrales Thema. Deshalb stellen wir als publikumsstarkes Familienmuseum ihn in den Fokus unserer aktuellen Sonderausstellung. Wir wollen unsere Besuchende ermutigen, ihr Verhalten zu ändern, um die Folgen des Klimawandels abzudämpfen. Unser Umgang mit Technik kann dabei eine wichtige Rolle spielen.“
Prof. Dr. Markus Rex, Klimaforscher am Alfred-Wegener-Institut und Expeditionsleiter: „Gerade auf die jungen Menschen und die Familien kommt es an beim Klimaschutz. Wir nehmen sie gerne mit auf unsere Reise in die schwindende Welt des Arktischen Eises. Hier im Epizentrum des Klimawandels zu forschen, ist wahnsinnig spannend und dies kann in der Ausstellung nun jede und jeder selber erleben.“
Bettina Stark-Watzinger, Bundesforschungsministerin und Schirmherrin der Ausstellung: „Der Klimawandelist eine Realität, der wir uns als Gesellschaft und als Politik stellen müssen. Die Forschung gibt uns dabei wichtiges Wissen an die Hand. In der Arktis werden die Auswirkungen besonders deutlich. Die Ausstellung „Dünnes Eis“ im Deutschen Technikmuseum zeigt das eindrucksvoll. Sie klärt nicht nur auf, sondern regt zum Handeln an.“
Der Klimawandel wird in der Arktis besonders deutlich
Der von uns Menschen verursachte Klimawandel ist die größte Herausforderung der Gegenwart. Die Arktis ist davon bereits jetzt besonders stark betroffen. Im Laufe der vergangenen Jahrzehnte nahm die arktische Eisbedeckung dramatisch ab: Waren in den 1980er Jahren im Sommer noch rund sieben Millionen Quadratkilometer Ozean mit Eis bedeckt, sind es 2023 nur noch rund 4,5 Millionen Quadratkilometer. Hält dieser Trend an, wird die Arktis in manchen Sommern nahezu vollständig eisfrei sein. Eine solche Entwicklung würde sich auf das weltweite Klima auswirken und von uns deutlich zu spüren sein. Die Unsicherheiten in den Prognosen, wann dies der Fall sein wird, sind derzeit jedoch noch sehr groß. Der Grund: Wenige Beobachtungsdaten in der zentralen Arktis führen dazu, dass verschiedene Klimamodelle unterschiedliche Werte prognostizieren.
Um diese Datenlücken zu verringern, braucht es Beobachtungsdaten vor Ort – und über das gesamte Jahr. So erst können der Status quo erkannt und Prozesse verstanden werden. Deshalb brach das Forschungsschiff Polasrtern des Alfred-Wegener-Instituts im Herbst 2019 zur MOSAiC-Expedition in die Arktis auf. Das Ziel war die Erforschung des arktischen Klimas: Ein Jahr lang sollten mehrere Forschungsteams Klimadaten sammeln. Dazu dockte sich die Polarstern an einer Eisscholle an und ließ sich dort einfrieren. Mit dieser Scholle trieb das Schiff einmal durch das Nordpolarmeer. Auf der Eisscholle rund um das Schiff wurde ein interdisziplinäres Forschungscamp errichtet. So konnte das internationale Forschungsteam Phänomene beobachten und erforschen, die bislang verborgen waren, für das Verständnis des arktischen Klimas aber unabdingbar sind.
Heute liegen erste Ergebnisse vor und zeigen deutlich, dass sich das Klima der Arktis bereits stark verändert hat. Doch noch ist es nicht zu spät. Diese Botschaft hat das Deutsche Technikmuseum dazu angeregt, die Expedition zum Thema einer Ausstellung zu machen, die sich speziell an Schulklassen und Familien richtet. Die Botschaft: Es besteht noch Hoffnung für die Arktis und unser gemäßigtes Klima, aber nur, wenn sich Gesellschaft und Politik dazu entscheiden, jetzt zu handeln. Die Ausstellung verknüpft diese Aussage mit der Geschichte der Expedition und der Darstellung wissenschaftlicher Forschung in einer extremen Umwelt.
Besuchende auf Eisbärenwacht und bei der Messung von Eisbohrkernen
„Dünnes Eis“ nimmt die Besuchenden mit auf Klima-Expedition. Sie können eintauchen in die Welt der Arktisexpedition und Klimaforschung und in die Rolle der Forschenden schlüpfen. Die Besuchenden betreten das Forschungsschiff Ppolarstern, informieren sich über das Leben an Bord und lernen, dass die Kälte das größte Risiko darstellt. Sie erfahren, dass es äußerst kompliziert ist, mit dicken Polarhandschuhen Messinstrumente zusammenzuschrauben und werden dazu eingeladen, sich mit der Sicherheitsausrüstung und der Gefahr der Eisbären auseinanderzusetzen. Eine selbstgebaute Hütte, die dem Eisbärenwacht-Team auf der Polarstern Schutz gegen Kälte und Wind bot, ist eines der Highlights der Ausstellung. Bekritzelt wie eine Schultoilette finden sich hier spannende Eindrücke aus dem Alltag der Eisbärenwachen.
Im zweiten Teil der Ausstellung verlassen die Besuchenden das Schiff und betreten das Forschungscamp. Anhand von fünf Forschungsbereichen wird gezeigt, mit welchem technischen Aufwand und personellem Einsatz Daten gesammelt werden. Sie lernen, welche alarmierenden Thesen sich im Hinblick auf das Klima und die drohende Klimakatastrophe durch die Daten belegen lassen. So misst der Heliumballon mit dem Spitznamen „Miss Piggy“ die Temperatur über der Arktis, die Tauchroboter „Beast“ und „Beauty“ sammeln Proben von Mikroorganismen, die an der Unterseite des Meereises leben. Eisbohrkerne geben Aufschluss über die Geschichte des Meereises. Die komplexen Zusammenhänge des Klimawandels werden so deutlich. Und es wird klar, dass sich die Arktis bereits verändert hat und enorm unter dem Klimawandel leidet.
Im letzten Teil der Ausstellung kehren die Besuchenden auf das Schiff zurück und stellen fest: Die Forschungsergebnisse sprechen eine deutliche Sprache: Wir haben keine Zeit mehr und müssen jetzt handeln! Hier kommt das Forschungsteam der Expedition ebenso zu Wort wie klimapolitische Initiativen. Auch die Besuchenden selbst können ihre Eindrücke hinterlassen und sind aufgefordert, ihre Thesen zum Klimawandel an die Wand zu pinnen.
Mehr Informationen zur Ausstellung finden Sie auf der Website des Deutschen Technikmuseums: technikmuseum.berlin/duennes-eis