10. August 2023
Online-Meldung

Studie bringt neue Erkenntnisse zur Gefährdung von Kaltwasserkorallen

Auswirkungen des Klimawandels auf Kaltwasserkorallen sind komplexer als gedacht
Kaltwasserkoralle (Foto: Thomas Heran)

Wie reagieren Kaltwasserkorallen auf die wechselnden Umweltbedingungen durch den Klimawandel? Bisherige Experimente haben sich bei dieser Frage ausschließlich auf ausgewachsene Kaltwasserkorallen konzentriert. Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) haben nun auch die verschiedenen jüngeren Lebensstadien der Korallen untersucht. Dabei konnten sie zeigen, dass junge und ausgewachsene Tiere sehr unterschiedlich auf negative Umwelteinflüsse reagieren. Dies – so die Forschenden – muss bei künftigen Untersuchungen, Prognosen und Schutzmaßnahmen dringend berücksichtigt werden. Die Studie ist im Fachmagazin Science of the Total Environment erschienen.

Kaltwasserkorallen leben anders als ihre tropischen Verwandten in kühlen Gewässern mit Temperaturen überwiegend im einstelligen Bereich. Hier – etwa in den Tiefen der Fjorde Norwegens oder Chiles – spielen sie eine wichtige Rolle im marinen Ökosystem und bieten vielen Fischen Brut- und Schutzraum. Forschende des AWI haben nun über mehrere Monate untersucht, wie drei verschiedene Lebensstadien der Kaltwasserkoralle Caryphyllia huinayensis auf durch den Klimawandel ausgelöste Umwelteinflüsse reagieren. Dabei wurden die Ozeanversauerung, die Erwärmung des Wassers und eine reduzierte Nahrungsverfügbarkeit berücksichtigt. Das sechsmonatige Experiment in einer kontrollierten Aquarienumgebung gab den Forschenden die Möglichkeit, verschiedene Kombinationen von negativen Umwelteinflüssen zu testen. Frühere Studien konzentrierten sich dagegen meist nur auf ausgewachsene Kaltwasserkorallen und den jeweiligen Einfluss eines einzelnen Umweltparameters.

„Wir haben herausgefunden, dass die verschiedenen Lebensstadien unterschiedlich auf veränderte Umweltbedingungen reagieren“, erklärt AWI-Forscherin Kristina Beck, Erstautorin der Studie. „Die ausgewachsenen Korallen zeigten unter zukünftigen Umweltbedingungen eine höhere Sterblichkeit, die Jungtiere hingegen ein verringertes Wachstum. Zusammen gefährden beide Effekte den Fortbestand der Population: Wegen der höheren Sterblichkeit pflanzen sich weniger erwachsene Korallen fort. Und wegen des verringerten Wachstums pflanzen sich die Jungtiere auch erst deutlich später fort.“

„Wir konnten zudem zeigen, dass Kaltwasserkorallen vor allem negativ durch Erwärmung und reduzierte Nahrungsverfügbarkeit beeinflusst werden und dass die lebenden Korallen in unserem Experiment kaum von Ozeanversauerung betroffen waren“, erläutert Kristina Beck. Und auch die Länge des Zeitraums, in dem die Korallen den negativen Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, spielt eine Rolle für die Gesundheit der Tiere. „Einige Zeit können sie den wechselnden Einflüssen noch entgegenwirken, da sie in den ersten drei Monaten unseres Experiments wahrscheinlich auf verfügbare Energiereserven zurückgreifen konnten“, sagt die AWI-Forscherin. „Deshalb sind bei künftigen Experimenten mehrere Punkte wichtig. Zum einen müssen sie ausreichend lang sein, um belastbare Resultate sehen zu können. Zum anderen müssen sie für alle Lebensstadien und mit verschiedenen Kombinationen von Umwelteinflüssen durchgeführt werden, damit verlässliche Zukunftsprognosen für ganze Populationen von Kaltwasserkorallen möglich sind.“

Originalpublikation

Kristina K. Beck, Jan Nierste, Gertraud M. Schmidt-Grieb, Esther Lüdtke, Christoph Naab, Christoph Held, Gernot Nehrke, Grit Steinhoefel, Jürgen Laudien, Claudio Richter, Marlene Wall, “Ontogenetic differences in the response of cold-water coral Caryophyllia huinayensis to ocean acidification, warming and food availability”, Science of the Total Environment, 2023, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.165565