Der Antarktische Zirkumpolarstrom ist die größte Ozeanströmung der Welt, der immer im Uhrzeigersinn um die Antarktis herumströmt. Er transportiert Wärme sowie Nährstoffe und übernimmt dadurch eine wichtige Rolle für unser Klima. Trotz dieser Bedeutung wissen wir noch relativ wenig über sein Verhalten. Um dem Verständnis der Strömung einen Schritt näher zu kommen, haben Forschende des Alfred-Wegener-Instituts und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde aus einem Sedimentdatensatz rekonstruiert, wie der Antarktische Zirkumpolarstrom in den letzten 790.000 Jahren auf Klimaänderungen reagiert hat. Das Ergebnis: Die rekonstruierte Strömung und die Temperatur der Meeresoberfläche haben in der Vergangenheit gemeinsam reagiert. Je mehr die Temperaturen stiegen, desto stärker wurde der Antarktische Zirkumpolarstrom. Abkühlungsereignisse im nördlichen Ozean scheinen ebenfalls miteinander verbunden zu sein. Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Forschenden in der Fachzeitschrift Nature Communications (https://doi.org/10.1038/s41467-025-58458-2).
Der Antarktische Zirkumpolarstrom (engl. Antarctic Circumpolar Current, ACC) verbindet den Pazifik, den Atlantik und den Indischen Ozean miteinander und beeinflusst so den ozeanischen Transport von Wärme und Nährstoffen auf der ganzen Welt. Schwankungen in der Stärke und Position des ACC haben daher einen erheblichen Einfluss auf verschiedene Elemente unserer Welt: unser Klima, den Kohlenstoffkreislauf des Ozeans und die globale meridionale Umwälzzirkulation. „Wie genau sich diese Schwankungen sich auswirken, verstehen wir jedoch noch nicht vollständig, unter anderem weil es nur wenige Sedimentaufzeichnungen gibt, die mehrere Glazial-Interglazial-Zyklen abdecken“, sagt Dr. Vincent Rigalleau vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar und Meeresforschung (AWI). Diese Paläodaten sind dringend nötig, um das Verhalten des ACC in der Vergangenheit zu rekonstruieren und Klimamodelle zu verbessern.

Deshalb hat der AWI-Geologe gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen des AWI und des Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) Sedimentkerne aus Chile genauer untersucht. Diese geben Einblicke über die Strömungsstärke und die Meeresoberflächentemperatur des Kap-Horn-Strom, der ein Teil des subantarktischen ACC ist. Sie enthalten Daten aus mehreren Gletscherzyklen der letzten 790.000 Jahre in der südlichen Hemisphäre. Anhand dieser Daten haben die Forschenden die Schwankungen der Meeresoberflächentemperatur und der Strömungsstärke am chilenischen Rand rekonstruiert, um zu verstehen, wie der ACC hier auf anhaltende Klimaschwankung während der letzten acht Eiszeiten reagiert hat: „Wir konnten sehen, dass es eine signifikante Korrelation zwischen der Stärke der Strömung und den Meeresoberflächentemperaturen während der antarktischen Wärmeperioden gab,“ erklärt Vincent Rigalleau. Je wärmer die Meeresoberfläche war, desto stärker wurde die Strömung des ACC.
Ein wichtiger Teil der Studie vergleicht die CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Der Südliche Ozean gestaltet den Austausch von CO2 zwischen der Tiefsee und der Atmosphäre. Denn der ACC beeinflusst, wieviel Kohlenstoff die biologische Kohlenstoffpumpe von der Meeresoberfläche in die Tiefen des Ozeans befördert und wieviel Kohlenstoff aus der Tiefe an die Oberfläche und als CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Zudem zeigen die Daten, dass sich kurzfristige Klimaschwankungen in der südlichen Hemisphäre gegensätzlich auswirkten als in der nördlichen Hemisphäre. Das ist das Prinzip der „Klima-Wippe“: Es besagt, dass Warmphasen im Südichen Ozean mit Kaltphasen im Norden einhergehen – und umgekehrt. Während sich der Ozean im Süden also erwärmte, wurde der Nordatlantik kälter, was vermutlich mit Veränderungen in der atlantischen thermohalinen Zirkulation, dem globalen Förderband, einhergehen. „Unsere Ergebnisse stimmen mit den gegenwärtigen Beobachtungen überein, dass sich der Südliche Ozean erwärmt und beschleunigt in Verbindung mit der weithin erwarteten Abschwächung der atlantischen meridionalen Umwälzzirkulation (AMOC) als Reaktion auf menschengemachte Einflüsse.“ Es scheint also eine interhemisphärische Verbindung zwischen den Bedingungen im Südlichen Ozean, der nordatlantischen Zirkulation und den atmosphärischen CO2-Konzentrationen zu geben.
Dieser neue Datensatz liefert ein globales Bild der starken Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Ozean, die in den letzten 800.000 Jahren geherrscht haben. „In diesem Zeitraum hat das Klima große, kurzfristige Veränderungen erfahren, darunter acht Gletscherzyklen und zahlreiche kurzfristige Klimaveränderungen im Jahrtausendmaßstab“, fasst Vincent Rigalleau zusammen. „Diese zum Teil abrupten Klimaschwankungen mit großer Amplitude liefern wichtige Informationen über mögliche Klimazustände im Südlichen Ozean, einem Gebiet, das erst allmählich von der anthropogenen globalen Erwärmung betroffen ist und für eine mögliche künftige Instabilität des antarktischen Eisschilds von entscheidender Bedeutung ist.“
Neben dem AWI und dem IOW waren an der Studie beteiligt: MARUM Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, Cardiff University, Universidade Federal Fluminense und die Columbia University.
Originalpublikation
Rigalleau, V., Lamy, F., Ruggieri, N. et al. 790,000 years of millennial-scale Cape Horn Current variability and interhemispheric linkages. Nat Commun 16, 3105 (2025). https://doi.org/10.1038/s41467-025-58458-2.