Schwindende Strände auf der tunesischen Insel Djerba stehen im Mittelpunkt eines einwöchigen Workshops, der ab 14. November am Alfred-Wegener-Institut auf Helgoland stattfindet. Im Rahmen des gemeinsam mit der tunesischen Universität Sfax beantragten Projekts „Oceanographic and Ecological Data for Nature-based coastal protection” (ORIENTATE) treffen sich 15 Studierende sowie Vertretungen von Jugend- und Tourismusverbänden aus Tunesien mit ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen. Sie tauschen sich aus zu wissenschaftlichen Methoden und diskutieren gemeinsam Lösungen, die mit der Natur und nicht dagegen arbeiten, um den wichtigen Wirtschaftszweig Tourismus auf Djerba zu erhalten.
Veränderungen an den Küsten unserer Meere sind seit jeher ein natürlicher und stetiger Begleiter für die Bewohnerinnen und Bewohner. Jedoch können sie bedingt durch die Klimakrise dramatisch zunehmen und regelrecht ausufern. Mit steigendem Meeresspiegel und einer Zunahme an extremem Stürmen findet an vielen Küsten starke Erosion statt – nicht nur an der Nord- und Ostsee, sondern auch am Mittelmeer. Die Insel Djerba als beliebtes Urlaubsziel in Tunesien ist ein deutliches Beispiel, hier ist der Abtrag mit bis zu mehr als 4 m pro Jahr besonders deutlich. Das heißt sowohl Einwohnende als auch Touristinnen und Touristen sehen ihre Strände von Jahr zu Jahr schwinden.
Mit Hilfe von Seegras-Anpflanzungen arbeiten Forschende am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) mit der Biologische Anstalt Helgoland und der Wattenmeerstation Sylt sowie der Universität Sfax in Tunesien daran, diesen Prozess zu verlangsamen. Im Rahmen der UN Ozeandekade wird dieses Projekt gefördert, da hier gesellschaftliche und ökologische Prozesse Hand in Hand gehen.
Fischerei und Räumung der Strände haben in der Vergangenheit die dichten und großflächigen Seegraswiesen im Mittelmeer um Djerba stark dezimiert. Man empfand die Seegrasreste am Strand als abschreckend für Feriengäste. Inzwischen ist eine starke Küstenerosion und ein Verlust von ganzen Strandabschnitten auf der Insel allgegenwärtig. Ein Umdenken tritt ein. Durch Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen, wie Fischereivertretungen, Jugendorganisationen, aber auch Hotelbetreibenden, entwickeln nun die Forschenden der Universität Sfax und des AWI neue Ansätze. Das Seegras kann Strände stabilisieren und somit zu ihrem Erhalt und dem des Ökosystems beitragen, es erhöht die Artenvielfalt und bietet - richtig kommuniziert – einen Markt als Tourismus Attraktion zum Beispiel durch geführte Schnorchel- oder Bootstouren. Diese „Arbeiten mit der Natur“ ist in vielen Küstenbereichen erfolgreicher als das Arbeiten gegen die Natur.
„Ich bin ganz begeistert vom Engagement der beteiligten lokalen Gruppen“, sagt Dr. Eva-Maria Brodte. „Dank unserer tunesischen Partner der Universität in Sfax, die viel Vorarbeit auf Djerba geleistet haben, begegnen uns alle Gruppen sehr hilfsbereit und vertrauensvoll.“ Der Workshop auf Helgoland ist bereits der Dritte, im Oktober 2022 und Frühjahr 2023 fanden bereits zwei Arbeitstreffen auf Djerba statt. Nun startet die Vorbereitung für die praktische Testphase mit Seegras-Anpflanzungen im Projekt. Im Laufe des nächsten Jahres pflanzen die Projektbeteiligten Seegras auf ausgewählten Teststandorten an und begleiten und kontrollieren die Entwicklung durch wissenschaftliche Datenerhebung. Erste Ergebnisse gibt es dann hoffentlich nach einem Jahr.