Lagerhalle, Unternehmenszentrale und jetzt ein Zentrum der Wissenschaft – nach einer wechselvollen Geschichte wird das ehemalige Verwaltungsgebäude der Nordsee GmbH an der Klußmannstraße im Bremerhavener Fischereihafen Arbeitsplatz für Klimaforschende. Das 1865 als Lager errichtete Gebäude kann ab sofort nach einer umfassenden Sanierung und Neugestaltung durch die Fischereihafen-Betriebsgesellschaft mbH (FBG) rund 200 Beschäftigte des Alfred-Wegener-Institutes, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) beherbergen.
Wichtiger Bestandteil des Wissenschaftszentrums „AWI-Campus“
Mit der Nutzung durch das AWI wird das historische Gebäude wichtiger Bestandteil des Wissenschaftszentrums „AWI-Campus“, der derzeit auf dem Gelände an der Schnittstelle zwischen Fischereihafen und Innenstadt entsteht. Unmittelbar neben dem „Nordsee-Gebäude“ errichtet das AWI das „Technikum“ für Werkstätten und Labore der international renommierten Forschungseinrichtung. Das neue Zentrum entsteht in etwa dort, wo vor mehr als 125 Jahren der heutige Fischereihafen gegründet wurde. „Das unterstreicht zum einen die Wandlungs- und Zukunftsfähigkeit des Fischereihafens“, betont die Senatorin für Wissenschaft und Häfen, Dr. Claudia Schilling, „zum anderen ist es ein beeindruckendes Beispiel dafür, welche Entwicklungen in Bremerhaven durch die enge Kooperation zwischen Stadt und Land, Wirtschaft und Wissenschaft angestoßen werden können.“
Sichtbarer Akzent am Eingang zu Bremerhavens neuem Stadtteil
Mit der Sanierung der ehemaligen Zentrale der „Nordsee“ Deutsche Hochseefischerei setzt die FBG einen sichtbaren Akzent im Fischereihafen. Das dreigeschossige Bauwerk markiert an der Ostseite des Hafens den Beginn des „Werftquartiers“, das in den kommenden Jahren als neuer Bremerhavener Stadtteil entstehen soll. „Dank der Initiative von AWI und FBG wachsen Stadtzentrum und Fischereihafen ein weiteres Stück zusammen“, freut sich der FBG-Aufsichtsratsvorsitzende, Bremerhavens Oberbürgermeister Melf Grantz, „zugleich lässt die architektonische Kombination aus alt und neu bereits heute erkennen, welche Bereicherung der neue Stadtteil für Bremerhaven sein wird.“ Mit dem AWI-Campus sei im traditionsreichen Fischereihafen ein zukunftsweisendes Projekt realisiert worden, betonte Grantz.
Die Historie und die Zukunft des Campus haben für die FBG beim Umbau der früheren Nordsee-Zentrale einen hohen Stellenwert gehabt. „Auch vor diesem Hintergrund haben wir bei der Sanierung in Absprache mit dem zukünftigen Mieter sehr großen Wert auf die Gestaltung und Ausstattung des Gebäudes gelegt“, betont FBG-Geschäftsführerin Petra Neykov. Nach außen wird das unter Denkmalschutz stehende 158 Jahre alte Gebäude seinen historischen Charakter und damit seinen besonderen Charme bewahren.
Die alte verputzte Fassade erwies sich allerdings während der laufenden Arbeit als extrem widerspenstig. „Sie war deutlich widerstandsfähiger, als wir angenommen hatten“, berichtet FBG-Projektleiter Sven Hoffmann. Solche Überraschungen sind bei der Sanierung historischer Gebäude fast schon an der Tagesordnung: „Für Bauwerke mit einer so langen Geschichte gibt es keine detaillierten Unterlagen, wie sie heute bei jedem Neubau selbstverständlich sind“, erläutert der Projektleiter. Unter anderem offenbarte sich erst nach Beginn der Fassadenarbeiten die teilweise stark sanierungsbedürftige Tragkonstruktion der bis zu einem Meter tiefen Fensteröffnungen.
Versteckte Herausforderungen bei der Sanierung flexibel gemeistert
Gemeinsam mit den planenden Architekten Haslob, Kruse + Partner und in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutzamt machte die FBG aus der Not eine Tugend: Anstelle der Verkleidung mit einer dunklen und geglätteten Putzoberfläche hat die Fassade nun einen hellen Schlemmputz mit gleich zwei Vorteilen erhalten: „Wir erhalten die Ziegelstruktur der Wände und schaffen zugleich eine atmungsaktive Oberfläche“, betont Hoffmann: „Feuchtigkeit kann nach außen entweichen, aber von außen kann kein Wasser eindringen.“
Mit vergleichbaren Herausforderungen hatten Projektleiter, Planer und Bauausführende auch bei der Entkernung des 90 Meter langen, 20 Meter breiten und 15 Meter hohen Bauwerkes zu tun. „Im Inneren haben wir praktisch alles von Asbest über PCB bis zu Teer in den Wänden gefunden, was ein sehr vorsichtiges Arbeiten erfordert“, berichtet Hoffmann. Aber auch hier spricht das Ergebnis für sich. Nach der Sanierung verfügt die ehemalige Nordsee-Verwaltung über 87 helle und freundliche Büros sowie die komplette Infrastruktur wie Serverräume, Datenleitungen und Konferenzmöglichkeiten für das künftige wissenschaftliche Arbeiten. „Der Umbau des Nordsee-Gebäudes zeigt beispielhaft, wie gut sich historisch wertvolle Bausubstanz bei entsprechendem Willen und der richtigen Planung für moderne Nutzungen herrichten lässt“, attestiert Olaf Mahnken als Vertreter der Unteren Denkmalschutzbehörde den Projektverantwortlichen.
Beim Umbau historische Details betont – Treppenhaus im Original der 1930er erhalten
In den Innenräumen achteten die Planer ebenfalls auf historische Details. Beispielsweise wurden die gusseisernen Säulen der Tragstruktur des Gebäudes in das Raumkonzept integriert - um sie zu erhalten, musste jede einzelne Stütze den heutigen Brandschutzbestimmungen entsprechend beschichtet werden. „Das Highlight ist sicherlich das Treppenhaus, das wir fast im Original der 1930er Jahre erhalten konnten“, freut sich Hoffmann.
Für das AWI zählt aber nicht nur die Liebe zum Detail, die das Projekt kennzeichnet. „Für uns ist es auch ganz pragmatisch gesehen ein wichtiger Beitrag dazu, den Platzbedarf unseres Institutes langfristig abdecken zu können“, betont AWI-Verwaltungsdirektor Dr. Karsten Wurr. Das Nordsee-Gebäude wird nun Teil des neuen Klimacampus Klußmannstraße, dessen Nähe zum AWI-Campus am Handelshafen den Mitarbeitenden aus Wissenschaft, Technik und Administration des Institutes zudem die Zusammenarbeit erleichtert: „Auch deswegen freuen wir uns, dass wir mit diesem Projekt unseren Platz im Herzen der Stadt ausbauen konnten.“
Der Umbau wurde durch Fördermittel aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dessen Kofinanzierung durch das Land Bremen von der Senatorin für Wissenschaft und Häfen in Höhe von 50 Prozent der Fördersumme von insgesamt circa 1,8 Millionen Euro unterstützt. Mit insgesamt 5,7 Millionen Euro übernimmt die FBG den größten Teil der Finanzierung. „Dieses Vorhaben ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir als FBG mit unseren Investitionen in Gebäude und Infrastruktur Impulse für die Entwicklung Bremerhavens setzen“, betont FBG-Geschäftsführerin Petra Neykov.
Haustechnik mit Luft-Wärmepumpe und Photovoltaik auf den Stand der Technik gebracht
An der Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ist zu erkennen, dass das „Nordsee-Gebäude“ energietechnisch jetzt auf dem Stand der Technik ist. Das Haus wird mit einer Kombination aus Luft-Wärmepumpe und Gas-Brennwertkessel beheizt; die Photovoltaikanlage liefert die dafür sowie für weitere Anwendungen im Haus notwendige elektrische Energie. „Im Interesse der Energieeffizienz nutzen wir den hier erzeugten Strom nur intern und speisen ihn nicht ins öffentliche Netz ein“, erläutert der Projektleiter Hoffmann.
Die Qualität der Gebäudetechnik und des Ausbaus insgesamt steht auf der Agenda der FBG ganz oben. „Der Erhalt und die Modernisierung alter Bausubstanz gehören zu den Kernaufgaben der FBG“, sagt Petra Neykov. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf der energetischen Sanierung: „Das senkt nicht nur die Betriebskosten für unsere Mieter, sondern dient auch dem Umwelt- und Klimaschutz“, betont die FBG-Geschäftsführerin. Diese Grundhaltung der FBG passt perfekt zur Zukunft des Nordsee-Gebäudes: Der Klimawandel zählt zu den Forschungsschwerpunkten der 200 AWI-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die dort künftig arbeiten werden.