Kommende Woche startet in Hobart, Australien, die diesjährige Sitzung der Internationalen Kommission zur Erhaltung der lebenden Meeresschätze in der Antarktis (CCAMLR). Die Kommission legt unter anderem Fangquoten für die Fischerei im Südlichen Ozean fest, darunter die für Antarktischen Krill. Diesem Thema widmet die wissenschaftliche Fachzeitschrift Science ein Editorial von Bettina Meyer, Biologin am Alfred-Wegener-Institut und ihrem Kollegen So Kawaguchi von der Australian Antarctic Division.
Mit 300 bis 500 Millionen Tonnen Biomasse ist der Antarktische Krill (Euphausia superba) die größte Population einer mehrzelligen Wild-Tierart auf der Erde. Folglich spielt er eine entscheidende Rolle in den biogeochemischen Kreisläufen der Meere, die das Klima und die Produktivität der Ozeane beeinflussen. Die frei schwimmende Krebsart lebt im Südlichen Ozean rund um den antarktischen Kontinent und ist im Nahrungsnetz die direkte Verbindung zwischen Phytoplankton auf der einen Seite und Räubern wie Fischen, Seevögeln, Pinguinen, Robben und Walen auf der anderen.
Doch Klima- und Fischereistress setzen dem Antarktischen Krill stark zu: Steigende Ozeantemperaturen und schwindendes Meereis verändern seinen Lebensraum, vor allem rund um die antarktische Halbinsel. In diesem Sektor leben etwa 70 Prozent des Krills, so dass hier auch viele Räuber vorkommen und außerdem ein starker Fischereidruck herrscht. Rund um die antarktische Halbinsel wurde in den vergangenen Jahren die Fanggrenze immer früher im Jahr erreicht und in der Folge nahm der Druck zu auf die Bestände um die weiter östlich gelegenen Süd-Orkney-Inseln. In diesen beiden Teilgebieten des Südpolarmeers sind die Krillfänge dementsprechend heute räumlich und zeitlich konzentrierter als je zuvor.
Prof. Dr. Bettina Meyer, Biologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung und Dr. So Kawaguchi, Forschungsleiter an der Australian Antarctic Division in Tasmanien stellen im Science Editorial die Frage, ob die Fangbeschränkungen in der richtigen zeitlichen und räumlichen Dimension festgelegt und verteilt werden, und zwar jetzt und in der Zukunft. Zur Beantwortung dieser Frage seien weitere Forschungsarbeiten erforderlich, um die Biologie des Krills sowie die Interaktion zwischen Krill und den von ihm abhängigen Arten besser zu verstehen. Unklar sei auch, wie diese Wechselwirkungen durch den Klimawandel beeinflusst werden.
Die Forschung kann laut Bettina Meyer und So Kawaguchi diese Fragen nur beantworten, wenn sie mit der Fischereiindustrie selbst zusammenarbeitet, denn im Gegensatz zu Forschungsschiffen ist die neue Generation von Krillfischern fast das ganze Jahr über im Einsatz. Eine Zusammenarbeit kann regelmäßige wissenschaftliche Krill-Probenahmen im datenarmen australischen Herbst und Winter ermöglichen, um Wissenslücken zu schließen.
Beide sagen: „Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft - von staatlichen Behörden über Nichtregierungsorganisationen bis hin zur Industrie - diese Forschungsrichtung unterstützt.“ Sie sind Berater für ihre Länder in der CCAMLR für die Bewertung der Krillbestände. Derzeit werden neue Strategien für das Management und die Bewirtschaftung des Krills entwickelt, einschließlich einer räumlichen und saisonalen Begrenzung der Fangmengen an der Antarktischen Halbinsel, um das Gleichgewicht des Ökosystems des Südlichen Ozeans zu gewährleisten. In der kommenden Kommissionssitzung (24. Oktober bis 4. November) beschäftigen sich die Mitgliedsstaaten unter vielen anderen Themen auch mit der Einrichtung von Meeresschutzgebieten (Marine Protected Areas, MPAs) im Südlichen Ozean. Die Europäische Union hatte im Jahr 2016 einen Antrag für ein MPA im Weddellmeer eingereicht, der federführend von AWI-Forschenden ausgearbeitet wurde. Der Vorschlag wird mittlerweile von 18 der 26 CCAMLR Mitgliedsstaaten unterstützt, aber die erforderliche Zustimmung aller CCAMLR-Vertragsstaaten hat die Einrichtung bisher verhindert.