Eine gemeinsam an der Universität Wien und am Norwegischen Institut für Luftforschung (NILU) entwickelte neue Technik der Computermodellierung erlaubt es, den atmosphärischen Transport von historischen Emissionen in Eisbohrkernen rückwärts zu rechnen und damit die Quellen von im Eis gefundenen Verunreinigungen zu bestimmen. In ihrer jüngsten Publikation in Nature wies ein internationales Wissenschafter:innen-Team mit Beteiligung von Andreas Stohl nach, dass das Abbrennen der Wälder Neuseelands ab dem 13. Jahrhundert durch die Māori der Grund für Ruß-Ablagerungen in der Antarktis war. Die Eisbohrkerne stammen von Feldexpeditionen, die das Alfred-Wegener-Institut und der British Antarctic Survey (BAS) durchgeführt haben.
Vor einigen Jahren fanden Wissenschafter:innen des Desert Research Institute in den USA ein merkwürdiges Signal in einem Eisbohrkern von der antarktischen Halbinsel: Die Konzentration von Black Carbon, üblicherweise als Ruß bezeichnet, begannen um das Jahr 1300 herum deutlich anzusteigen. Ruß entsteht bei der Verbrennung von Biomasse oder fossilen Brennstoffen. Da dieser Zeitpunkt ziemlich genau mit der Erstbesiedelung Neuseelands durch die Māori zusammenfällt, entstand die Vermutung, dass das Abbrennen der Wälder Neuseelands durch die Māori der Grund für die Ruß-Ablagerungen war.
Mit der Technik der atmosphärische Transportmodellierung ist ein Überprüfen dieser Theorie möglich gewesen. Insbesondere war nämlich merkwürdig, dass der Anstieg der Ruß-Ablagerungen in anderen Eisbohrkernen in der Ostantarktis nicht zu sehen war. „Rückwärtsrechnungen mit unserem Transportmodell von allen diesen Eisbohrkernen zeigten, dass die Ruß-Ablagerungen auf der antarktischen Halbinsel bei gleichzeitigem Fehlen solcher Ablagerungen in der Ostantarktis nur mit Ruß-Emissionen in Patagonien, Tasmanien und Neuseeland erklärbar sind“, erklärt Andreas Stohl von der Universität Wien: „Weiter nördlich gelegene Gegenden in Afrika, Australien oder etwa der Amazonas-Region konnten wir als Quellregionen ausschließen, da diese in der Ostantarktis einen ähnlichen Anstieg der Ruß-Deposition verursacht hätten wie auf der antarktischen Halbinsel.“
Analysen von Sedimenten aus Seen in Patagonien, Tasmanien und Neuseeland zeigten schließlich nur in Neuseeland einen Anstieg von Holzkohle-Ablagerungen vor 700 Jahren. Damit war klar, dass das zeitliche Zusammentreffen der Ankunft der Māori in Neuseeland und der Anstieg der Ruß-Konzentrationen in der 6.000 km davon entfernten Ostantarktis kein Zufall war.
„Die Idee, dass Menschen bereits vor 700 Jahren eine deutliche Änderung in den atmosphärischen Ruß-Konzentrationen durch Abbrennen der Wälder verursacht haben, ist sehr überraschend”, sagt Joe McConnell, Hauptautor der Studie und verantwortlich für die Messungen im Eisbohrkern.
Die Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse über die Erdatmosphäre und das Klima. Obwohl oft angenommen wird, dass menschliche Einflüsse auf die Erde in vorindustriellen Zeiten vernachlässigbar waren, liefert diese Studie neue Beweise dafür, dass menschliche Aktivitäten die Erdatmosphäre und möglicherweise ihr Klima viel früher und in weitaus größeren Maßstäben beeinflusst haben als bisher angenommen.
„Eisbohrkernaufzeichnungen sind sehr wichtig, um mehr über die Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt in der Vergangenheit zu erfahren“, so McConnell. „Selbst die entlegensten Teile der Erde waren in vorindustriellen Zeiten nicht unbedingt unberührt.“ „Eiskerne haben den unschätzbaren Vorteil, dass sie sehr genau zu datieren und weit weg von lokalen Quellen möglicher Verunreinigungen sind. So zeichnen sie ein nahezu perfektes Abbild der Atmosphäre der Vergangenheit auch über weite Distanzen nach“, ergänzt Johannes Freitag, Mitautor der Studie und verantwortlich für die Eiskernbohrungen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) Bremerhaven.
Die Ergebnisse erlauben außerdem genauere Schlüsse über den Zeitpunkt der Ankunft der Māori in Neuseeland, einem der letzten bewohnbaren Orte der Erde, der von Menschen besiedelt wurde. Dieser Zeitpunkt variierte bisher vom 13. bis zum 14. Jahrhundert, aber die genauere Datierung, die durch die Eiskernmessungen möglich wurde, zeigt den Beginn der großflächigen Verbrennung durch die frühen Māori in Neuseeland etwa um 1297, mit einem Unsicherheitsrahmen von etwa 30 Jahren.