06. Februar 2025
Online-Meldung

Der aktuelle Zustand des arktischen Kohlenstoffkreislaufs

Neue Studie zum arktischen Kohlenstoffkreislauf liefert wichtige Erkenntnisse und zeigt Forschungsbedarf auf
Land-Ozean-Stofftransport durch Küstenerosion entlang der Herschel-Insel, Kanada (Foto: Léo Chassiot)

Die Arktis spielt eine zentrale Rolle im globalen Klimasystem, insbesondere durch ihre Funktion als Kohlenstoffsenke. Doch der Klimawandel könnte ihr Gleichgewicht empfindlich stören. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts und der Vrije Universiteit Amsterdam hat eine umfassende Analyse des aktuellen arktischen Kohlenstoffkreislaufs vorgelegt. Die Ergebnisse, die in der renommierten Fachzeitschrift Nature Reviews Earth & Environment erschienen sind, liefern neue Zahlen und zeigen bestehende Unsicherheiten auf.

Die Land- und Wassermassen der Arktis speichern erhebliche Mengen Kohlenstoff. Allerdings wirken sich klimatische Veränderungen zunehmend auf die Kohlenstoffvorräte, -flüsse und -kreisläufe aus, mit potenziellen Konsequenzen für Ökosysteme und das globale Klima. Bisherige Übersichten zu diesem Thema sind mehr als 15 Jahre alt und berücksichtigen nicht die rapide Erwärmung der letzten 10 Jahre. Um die aktuellen und künftigen Entwicklungen besser zu verstehen, haben Forschende unter der Leitung des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) und der Vrije Universiteit Amsterdam einen umfassenden Datenüberblick zusammengestellt. Diese Analyse zeigt nicht nur aktuelle Zahlen zum Kohlenstoffhaushalt der Arktis, sondern identifiziert auch bestehende Wissenslücken und Forschungsbedarfe.

Arktische Kohlenstoffspeicherung unter Druck

Der neue Gesamtüberblick basiert auf Daten internationaler Studien und dem europäischen Permafrost-Forschungsprojekt NUNATARYUK (2017–2023), das umfangreiche Informationen über den Kohlenstoffkreislauf der Arktis zusammengetragen hat. „26 Partnerinstitutionen aus 12 Ländern haben zusammengearbeitet, um zu verstehen, wie auftauender Permafrost an Land, entlang der Küste und unter dem Meer das globale Klima und das Leben in der Arktis beeinflusst“, erklärt Dr. Michael Fritz, Co-Erstautor der Studie und Geowissenschaftler am AWI.

Die Analyse zeigt, dass die Arktis insgesamt noch eine Kohlenstoffsenke ist. „Der Arktische Ozean speichert jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen CO2 aus der Atmosphäre“, erläutert Dr. Jorien Vonk von der Vrije Universiteit Amsterdam, Co-Erstautorin der Studie. „Auch die Landmassen binden weiterhin Kohlenstoff, allerdings mit abnehmender Kapazität. Besonders der auftauende Permafrost, Waldbrände und Bodenerosion könnten langfristig zu einer Netto-Kohlenstoffquelle führen.“ Zudem zeigen arktische Binnengewässer, wie Flüsse und Seen, bereits heute erhebliche Emissionen von CO2 und Methan.

Neue Erkenntnisse und künftiger Forschungsbedarf – internationale Zusammenarbeit für ein besseres Verständnis

Die Studie liefert umfassende Informationen darüber,

  • wie viel Kohlenstoff in arktischen Böden, im Ozeanboden und in der Wassersäule des Arktischen Ozeans gespeichert ist,
  • wie viel Kohlenstoff durch Küstenerosion sowie über Flüsse in den Arktischen Ozean gelangt,
  • und wo Treibhausgase gespeichert werden oder entstehen.

Um die Unsicherheiten im arktischen Kohlenstoffkreislauf weiter zu reduzieren, sind jedoch noch zahlreiche Forschungsfragen zu klären. „Wir müssen den Fokus stärker auf kleine Flusseinzugsgebiete und küstennahe Regionen legen, da dort Klimaveränderungen besonders starke Auswirkungen haben“, betont Michael Fritz. Zusätzlich sollten kurzfristige und plötzlich auftretende Ereignisse wie Waldbrände oder Hitzewellen intensiver untersucht werden.

Um zuverlässige Prognosen über die künftige Entwicklung der Arktis als Kohlenstoffsenke oder -quelle treffen zu können, sind weitere internationale Forschungsanstrengungen im großen Stil erforderlich. „Die wissenschaftliche Komplexität muss verständlich kommuniziert werden, damit Politik und Gesellschaft fundierte Entscheidungen treffen können“, hebt Jorien Vonk hervor. „Erst wenn wir das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten im arktischen Kohlenstoffkreislauf in ihrer Funktionsweise und Anfälligkeit gegenüber Klimaveränderungen verstehen, können wir zuverlässige Aussagen über die Zukunft der Arktis als Kohlenstoff-Senke oder Kohlenstoff-Quelle treffen“, fasst Michael Fritz zusammen.
 

Weitere Informationen:

Projektseite NUNATARYUK: nunataryuk.org


Originalpublikation

Vonk, J.E., Fritz, M., Speetjens, N., Babin, M., Bartsch, A., Basso, L., Bröder, L., Goeckede, M., Gustafsson, Ö., Hugelius, G., Irrgang, A., Juhls, B., Kuhn, M., Lantuit, H., Manizza, M., Martens, J., O’Regan, M., Suslova, A., Tank, S., Terhaar, J., Zolkos, S., 2025. The land–ocean Arctic carbon cycle. Nature Reviews Earth & Environment. https://doi.org/10.1038/s43017-024-00627-w.

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