In einem „Letter to Science“ fordert eine internationale Gruppe von Fachleuten, die Produktion neuer Kunststoffe zu begrenzen, um das Problem der Umweltverschmutzung mit Plastik in den Griff zu bekommen. Das Team um die Erstautorin Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut argumentiert, dass wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge alle anderen Maßnahmen nicht ausreichen werden, um mit dem Tempo der steigenden Plastikproduktion, dem damit verbundenen Eintrag in die Umwelt und den Klimafolgen Schritt zu halten.
Zwei Monate nach dem historischen Mandat der Vereinten Nationen für ein globales Plastik-Abkommen werden am 30. Mai 2022 die Verhandlungen für die internationale Vereinbarung aufgenommen, die 2024 verabschiedet werden soll. Dabei dürfte es zu hitzigen Debatten darüber kommen, welche Maßnahmen erforderlich sind, um die Verschmutzung der Luft, Böden, Flüsse und Meere durch Plastikmüll und Mikroplastik zu beenden.
In einem Schreiben an die Fachzeitschrift Science plädiert eine internationale Gruppe von Expertinnen und Experten nun dafür, das Problem gleich an der Wurzel anzugehen, indem die Produktion neuer Kunststoffe gedeckelt und somit nach und nach heruntergefahren wird.
„Selbst wenn wir mehr recyceln und die Abfallentsorgung optimieren, würden wir immer noch mehr als 17 Millionen Tonnen Plastik pro Jahr in die Natur freisetzen“, sagt Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI), die Initiatorin des Briefes. „Wenn die Produktion weiter zunimmt, stehen wir vor einer Sisyphos-Aufgabe.“
Jüngste Forschungsergebnisse, die 2020 in Science veröffentlicht wurden, zeigen, dass die weltweite Plastikverschmutzung in den nächsten 20 Jahren nur dann um 79 Prozent gesenkt werden kann, wenn alle heute verfügbaren Lösungen umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem der Ersatz unverzichtbarer Plastikprodukte mit nachhaltigeren Materialien und eine verbesserte Abfall- und Kreislaufwirtschaft.
„Die massive Produktion ist die eigentliche Ursache des Plastikproblems, und die Mengen an Plastik, die wir bisher produziert haben, haben bereits unsere planetaren Grenzen überschritten. Wenn wir das nicht in Angriff nehmen, werden wir das Ziel der Minderung des Plastik-Eintrages nicht erreichen", fügt Bethanie Carney Almroth von der Universität Göteborg, Schweden hinzu.
Daher sollte ein Ausschleichen der Produktion neuer Kunststoffe aus neuen Rohstoffen Teil einer systemischen Lösung zur Beendigung der Plastikverschmutzung sein, argumentieren die Expertinnen und Experten aus Kanada, Schweden, Deutschland, Indien, Norwegen, der Türkei und den USA. Ein solcher Ansatz basiert auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Vorschlägen von Fachleuten der Politik- und Rechtswissenschaften.
Ein systemischer Ansatz, um das Plastikproblem zu lösen, muss sowohl die Nachfrage- als auch die Angebotsseite einbeziehen, also die Menge an Plastik, die produziert und auf den Markt gebracht wird. Wenn die Plastikproduktion Stück für Stück gesenkt würde, wird das nach Ansicht der Autorinnen und Autoren viele gesellschaftliche, ökologische und wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen.
„Produzieren wir weniger neues Plastik, erhöht das den Wert von Kunststoffen. Außerdem fördert das andere Maßnahmen zur Eindämmung der Plastikverschmutzung, trägt zur Bekämpfung der Klimakrise bei und bringt eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft voran“, sagt Martin Wagner von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie.
Originalpublikation
Melanie Bergmann, Bethanie Carney Almroth, Susanne M. Brander, Tridibesh Dey, Dannielle S. Green, Sedat Gundogdu, Anja Krieger, Martin Wagner, Tony R. Walker: A global plastic treaty must cap production, Science (2022). DOI: 10.1126/science.abq0082