12. April 2024
Online-Meldung

Rasches Wachstum des Landeises durch sommerliche Schneefälle

Erdmodellierung über eine Terminal-Schnittstelle und sphärische Visualisierung mit einem Projektionsglobus. (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Lu Niu)

Während des letzten glazialen Maximums (LGM, vor ca. 21.000 Jahren) bedeckte der Laurentidische Eisschild große Teile Nordamerikas und erreichte eine Eisdicke von mehr als 3 km, bevor dieser schließlich mit dem Ende der Eiszeit geschmolzen ist. Bislang gibt es nur wenige detaillierte Studien über die Entwicklung des nordamerikanischen Eisschildes zum LGM. In einer neuen Studie, die in der Zeitschrift Nature Geoscience veröffentlicht wurde, haben Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) ein neu entwickeltes Klima-Eis-Modell verwendet, um Rückschlüsse auf seine räumliche Ausdehnung ziehen zu können. Sie haben herausgefunden, dass vor allem der Schneefall im Sommer das Wachstum des Eisschildes begünstigte und den Meeresspiegel beeinflusste.

Die Studie simuliert den Aufbau des nordamerikanischen Eisschildes vor dem LGM und zeigt, welche Faktoren sein Wachstum beeinflusst haben. Durch die Entwicklung eines neuen Erdsystemmodells, das Eisschilde in die Simulationen einbezieht, war es möglich, die notwendige Komplexität des Systems angemessen zu erfassen. „Diese neue Funktion in unserem neuen Modellsystem ermöglicht Rückkopplungen, die in den aktuellen Szenarien noch nicht enthalten sind“, erklärt Lu Niu, Erstautor der Veröffentlichung und Wissenschaftler am AWI.

Das Forschungsteam untersuchte insbesondere den Zeitraum des besonders starken Eiswachstums bis zum LGM: In dieser Zeit nahm das Volumen des Kontinentaleises um etwa 50 Meter zu, was einem Rückgang des Meeresspiegels in etwa der gleichen Größenordnung entsprach. Die Ergebnisse zeigen, dass die rasche Ausdehnung des nordamerikanischen Eisschildes durch sommerliche Schneefälle erklärt werden kann und durch den Transport von Feuchtigkeit aus den wärmeren niedrigeren Breiten des Atlantiks in das Innere des nordamerikanischen Kontinents begünstigt wurde. „Dieser Mechanismus führte nicht nur zu mehr Eis, sondern auch zu einer größeren Schneedecke über Nordamerika, die das Sonnenlicht effektiver reflektierte und so das Schmelzen verringerte“, ergänzt Gregor Knorr, Mitautor der Studie. Diese Rückkopplung hebt hervor, wie das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Erdsystemkomponenten auch für künftige Veränderungen der antarktischen und grönländischen Eisschilde eine Rolle spielen könnte.

Aus der Vergangenheit lassen sich Erkenntnisse darüber gewinnen, wie Prozesse in der Atmosphäre die heutigen Eisschilde und den Meeresspiegel beeinflussen und verändern können. „Gekoppelte Eisschild-Klimamodelle werden einen neuen Standard für Meeresspiegelprojektionen unter Erwärmungsbedingungen setzen“, betont Gerrit Lohmann, Leiter der Abteilung Paläoklimadynamik am AWI und Mitautor der Studie. Die Forschung ist Teil eines großen deutschen Forschungsprojekts PalMod mit dem Ziel, die letzten 120.000 Jahre bis in die Zukunft zu simulieren.

 

Originalpublikation:

L. Niu, G. Knorr, U. Krebs-Kanzow, P. Gierz, G. Lohmann: Rapid Laurentide Ice Sheet growth preceding the Last Glacial Maximum due to summer snowfall, Nat. Geosci. (2024). DOI: https://doi.org/10.1038/s41561-024-01419-z

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