08. Dezember 2022
Pressemitteilung

40 Jahre Polarstern

Alfred-Wegener-Institut feiert Ikone der deutschen Polarforschung
Willkommen zurück, FS Polarstern! (Foto: Alfred-Wegener-Institut / Joachim Hofmann)

Am 9. Dezember 2022 jährt sich die Indienststellung des Forschungseisbrechers Polarstern zum vierzigsten Mal. Er wurde von einem Konsortium der Howaldtswerke-Deutsche Werft in Kiel und Werft Nobiskrug in Rendsburg gebaut. Das Flaggschiff des Alfred-Wegener-Instituts hat über 130 erfolgreiche Expeditionen in Arktis und Antarktis durchgeführt und war ein Zuhause auf Zeit für tausende Forschende aus Deutschland und der ganzen Welt. Dabei hat die Polarstern 1,8 Millionen Seemeilen sicher zurückgelegt. Derzeit ist das Schiff auf einer Expedition nahe Südgeorgien unterwegs.

Ob auf der aktuell stattfindenden Biodiversitäts- oder der Klimakonferenz der Vereinten Nationen, beim Fischereiabkommen für die Zentralarktis oder den Bemühungen zur Einrichtung des weltweit größten Meeresschutzgebietes im antarktischen Weddellmeer: Forschende des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) sind bei internationalen Verhandlungen mit ihrer Expertise gefragt. Häufig gründet diese auf Wissen, das sie auf Polarstern-Expeditionen gewonnen haben.

Einen riesigen Bekanntheitsschub erfuhr das Schiff zusätzlich mit der MOSAiC-Expedition, während der es von September 2019 bis Oktober 2020 festgefroren an einer Eisscholle durch die Arktis driftete. Die Polarstern war auf dieser internationalen Driftexpedition nahe des Nordpols das zentrale Observatorium und Zuhause für über 400 Menschen und lieferte einen einmaligen Datenschatz aus dem Epizentrum des Klimawandels. Dieser besondere Forschungseisbrecher hat auch viele weitere Geheimnisse der Polarregionen gelöst. So konnten Forschende erstmals in der Arktis etwa explosiven Vulkanismus unter dem Eis beschreiben oder sogenannte Schwarze Raucher nachweisen – Hydrothermalquellen in der Tiefsee mit besonderen Lebensgemeinschaften. Riesige Begeisterung löste die Entdeckung des weltweit größten bekannten Fischbrutgebietes im antarktischen Weddellmeer aus, oder die Beobachtung von großen Gruppen von gemeinsam Krill-jagenden Walen im Südozean.

Der Einsatz neuer Unterwassertechnologien spielt auch bei der Planung der Nachfolge der Polarstern eine große Rolle: Nach 40 Dienstjahren muss die „Alte Dame“ trotz bester Wartung bald ersetzt werden. Das BMBF versetzte das AWI nach Beschluss des Bundeshaushalts im Sommer 2022 in die Lage, die europaweite Ausschreibung für den Neubau eines Forschungseisbrechers starten. Die Indienststellung des Nachfolgeschiffs ist für das Jahr 2027 geplant. Die Polarforschung ist dankbar, dass die neue Polarstern auch eine Botschafterin für nachhaltigen Schiffbau und regenerative Energien in der Seefahrt werden soll.

„Wir lieben unser Schiff Polarstern, was so vielen Menschen ein sicheres Zuhause in extremen Bedingungen gegeben hat und gratulieren ihr herzlichst zum 40. Geburtstag“, sagt AWI-Direktorin Prof. Antje Boetius. Sie ergänzt: „Damit das AWI auch in den kommenden und für die Zukunft des Planeten entscheidenden Jahrzehnten seinen Forschungsauftrag erfüllen kann, freuen wir uns natürlich nun auch auf eine würdige Nachfolgerin für die Polarstern: Ein modernes Schiff, das unter allen Eisbedingungen in Arktis und Antarktis einsetzbar ist und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Möglichkeit gibt, Beobachtungen und Daten aus den am stärksten vom Klimawandel betroffenen Regionen zu liefern. Diese Erkenntnisse benötigt unsere Gesellschaft dringend, um die richtigen Entscheidungen zu Klima-, Umwelt- und Naturschutz zu treffen – für die Zukunft der Polarregionen, der Lebensvielfalt an Land und im Meer und für kommende Generationen.“

Der Neubau soll dann auch - ebenso wie die aktuelle Polarstern - die Versorgung der Neumayer-Station in der Antarktis übernehmen. Bereits bei der Planung vor über 40 Jahren spielte die Kombination aus Forschungs- und Versorgungsschiff eine große Rolle. Kräne, die tonnenschwere Container oder Pistenraupen für die Antarktisstation auf die 20 Meter hohe Eiskante in der Atkabucht hieven können, waren ebenso gefragt, wie gute Qualitäten als Eisbrecher. Eine permanent besetzte Antarktisstation war im Jahr 1981 die Grundlage dafür, dass die Bundesrepublik Deutschland Konsultativstatus im Antarktis-Vertrag erlangte. Der Anspruch reichte jedoch noch weiter: Die Polarstern ermöglichte auch die Erforschung des Ozeans rund um die Antarktis, während sich viele andere Nationen auf den Kontinent beschränkten.

In der Folge hat das AWI im Weddellmeer eine Langzeitdatenreihe etabliert, die beispielsweise Erkenntnisse über die Tiefenwasserbildung erlaubt, welche die globalen Meeresströmungen antreibt. Wie warmes Wasser unter die riesigen Eisschilde der Antarktis strömt und sie von unten schmelzen lässt, wurde ebenfalls auf Polarstern-Expeditionen studiert. Derzeit arbeitet das AWI an einer Antarktisstrategie, die die Erforschung des Südlichen Ozeans in internationaler Kooperation mit einem multidisziplinären Ansatz noch stärker in den Fokus rückt. Auf der Nordhalbkugel konnte das AWI mithilfe der Polarstern das weltweit einzige Langzeitobservatorium in der arktischen Tiefsee errichten: den seit über 20 Jahren angesteuerten AWI-Hausgarten. Mittlerweile ergänzt um bewegliche Komponenten wie Tiefseeroboter, Eisbojen, Gleiter und autonom navigierende Unterwasserroboter bildet er zusammen mit der Tiefsee-Verankerungskette in der Arktis die FRAM-Infrastruktur, die eine ganzjährige Datenaufnahme erlaubt.

Aktuell befindet sich das Schiff nordöstlich von Südgeorgien, wo ein internationales Team unter Leitung der AWI-Geochemikerin Prof. Sabine Kasten die biogeochemischen Stoffflüsse von den Gletschern der Insel in die Fjorde sowie den offenen Ozean untersucht hat. „Wir freuen uns sehr, dass wir dank der Polarstern den widrigen Bedingungen der ‚furious fifties‘ im Südozean trotzen und innerhalb von zwei Wochen in unserem Arbeitsgebiet Südgeorgien erfolgreich mehr als 50 Stationen durchführen konnten“, sagt die Expeditionsleiterin. „Gemeinsam mit der Crew der Reederei Laeisz um Kapitän Moritz Langhinrichs und den wissenschaftlichen Fahrtteilnehmenden feiern wir 40 Jahre Polarstern mit einem festlichen Empfang und Zusammensein im sogenannten Blauen Salon des Schiffes“, berichtet Sabine Kasten und ergänzt: „Dieses feierliche Ereignis möchte ich zum Anlass nehmen, um Kapitän Langhinrichs und der Crew des Schiffes im Namen des gesamten Wissenschaftsteams für die perfekte Unterstützung und die von Ihnen geschaffene wunderbare Atmosphäre an Bord zu danken.“

Die Polarstern hat zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 1,8 Millionen Seemeilen (fast 3,5 Millionen Kilometer) zurückgelegt - das entspricht rechnerisch nahezu 86 Erdumrundungen auf Höhe des Äquators. Nächstes Ziel ist Kapstadt, Südafrika, wo kurz vor Weihnachten ein neues Forschungsteam zu einer geowissenschaftlichen Expedition im Bellingshausen- und Amundsenmeer aufbrechen und auf der Anfahrt auch die Neumayer-Station III versorgen wird. In Ihrem Heimathafen Bremerhaven soll die Polarstern planmäßig Mitte April 2023 wieder festmachen.

 

Anlässlich des Geburtstags gibt es für Polarstern-Fans noch ein paar spezielle Aktionen:

Polarstern-Geburtstagsseite
40 Jahre Polarstern-Quiz: https://polarstern-quiz-awi.eventfive.de/
3-D-Animation Schiffsrundgang: https://polarstern-3d.awi.eventfive.de/

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