Wie verändert der Klimawandel das Leben im Meer?

Prof. Dr. Hans-Otto Pörtner, Physiologe und Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut, ehemaliger Ko-Vorsitzender der IPCC-Arbeitsgruppe II und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für Globale Umweltfragen (WBGU).

IPCC

Klimawandel

Ozeanversauerung

Der menschengemachte Klimawandel verändert die Lebensbedingungen in den Ozeanen auf so drastische Weise, wie es die Erde in den zurückliegenden 50 bis 300 Millionen Jahren nicht erlebt hat. Die Ozeane werden wärmer, weil sie mehr als 90 Prozent der durch Treibhausgase in der Atmosphäre festgehaltenen Wärme aufnehmen; gleichzeitig absorbieren sie große Mengen Kohlendioxid, welches mit Bestandteilen des Meerwassers chemisch reagiert und dazu führt, dass die Ozeane saurer werden.

Allein dabei aber bleibt es nicht: Wärmer werdende Meere speichern aus verschiedenen Gründen weniger Sauerstoff. Ihnen geht also nach und nach ihr Lebenselixier verloren. Lebewesen aber müssen atmen, damit ihr Körper Energie erzeugen kann – und je wärmer die Meere werden, desto stärker steigt ihr Sauerstoffbedarf. Der Fähigkeit, den eigenen Körper mit ausreichend Sauerstoff zu versorgen, sind jedoch artspezifische Grenzen gesetzt, wie wir am AWI herausgefunden haben. Wird eine solche Grenze überschritten, kollabiert das Herz-Kreislaufsystem.

AWI-Biologen untersuchen seit Jahren, wie sich im Zuge des Klimawandels der Energiebedarf von Meeresorganismen verändert, wie groß ihre pH-, Temperatur- und Sauerstofftoleranzen sind und durch welche Verhaltensweisen es ihnen eventuell gelingt, sich an die neuen Umweltbedingungen anzupassen. Bislang sieht es so aus, als würde der überwiegende Teil der Meeresbewohner vor der Wärme flüchten, sofern das geografisch möglich ist. Weltweit verlagern Arten ihre Lebensräume polwärts oder aber wandern in größere Tiefe ab. Die zunehmende Sauerstoffarmut der Meere reduziert zeitgleich die Zahl der ihnen noch verbleibenden Rückzugsorte. Die steigende Ozeanversauerung setzt die Organismen zusätzlich unter Druck. Gemeinsam verstärken sich die drei Klimafolgeerscheinungen nämlich in ihrer Wirkung. Wissenschaftler sprechen deshalb auch von einem tödlichen Trio, welches das Leben im Meer derzeit auf dramatische Art und Weise reduziert, so wie es dies wohl auch während großer Massensterben in der Erdgeschichte getan hat.