Wie viel Klimawandel steckt im Wetter?

Immer häufiger machen ungewöhnliche Hitzewellen, Dürren oder sintflutartige Regenfälle Schlagzeilen. Schnell steht dann die Frage im Raum: Ist der Klimawandel schuld an solchen Katastrophen? Antworten darauf liefern neue Modellierungsmethoden und ein am AWI entwickeltes Online-Tool in Nahe-Echtzeit. Für Öffentlichkeit, Politik und Medien wird so greifbar, was die globale Erwärmung für das Wetter eines bestimmten Tages bedeutet. 

Das Sturmtief „Boris“, das im September 2024 zu extremen Niederschlägen in Mittel- und Osteuropa geführt hat, hätte ohne Klimawandel rund neun Prozent weniger Regen gebracht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Modellierung des AWI in Nahe-Echtzeit. Auf einer frei zugänglichen Online-Plattform können sich alle Interessierten mithilfe solcher Berechnungen ein anschauliches Bild vom Einfluss des Klimawandels auf das heutige Wetter machen. Darüber hinaus können sie mit dem Online-Tool auch einen Blick in eine noch wärmere Zukunft werfen. Nützlich sind solche Simulationen zum Beispiel für die Landwirtschaft oder für die Infrastruktur-Planung. So hängen Überlandleitungen umso mehr durch, je wärmer es ist. Daher ist es für Stromnetz-Betreiber gut zu wissen, mit welchen Wetterverhältnissen sie künftig rechnen müssen. 

Möglich werden solche Aussagen durch den sogenannten „Storyline-Ansatz“. Dabei erzählen wir zu einem konkreten Wetterereignis eine wissenschaftlich fundierte Geschichte: Wie wäre diese Hitzewelle oder dieser typische nasskalte Novembertag in der kühleren Welt vor dem Beginn der Industrialisierung ausgefallen? Und wie sähe das Ganze aus, wenn der Klimawandel weiter fortschreitet?

Das AWI-Klimamodell kann solche Szenarien durchrechnen. Dazu schreiben wir ihm vor, wie sich die für das Wetter entscheidenden globalen Windverhältnisse entwickeln sollen: Wir speisen die tatsächlichen Winddaten des Europäischen Zentrums für Mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) ein und „schubsen“ das Modell dann Stunde für Stunde in Richtung dieser echten Winde. Mit dieser als „Nudging“ (englisch für „anstupsen“) bezeichneten Technik lässt sich das tatsächliche Wettergeschehen sehr gut nachbilden. Anschließend berechnet das Modell, wie die gleiche Situation in einer kühleren und in einer wärmeren Welt aussehen würde. 

Da die Simulationen auf dem Hochleistungsrechner des Deutschen Klimarechenzentrums kontinuierlich für die ganze Welt laufen, lässt sich der Fingerabdruck des Klimawandels auch für Tage mit unspektakulärem Wetter bestimmen.