Weddellmeer-Schutzgebiet

Das Weddellmeer liegt im atlantischen Sektor der Antarktis, östlich von der Antarktischen Halbinsel. Es ist eines der letzten weitgehend unberührten Meeresgebiete weltweit. Da das Meer selbst im Sommer teilweise zugefroren ist, wurde es nie im großen Stil befischt. Dadurch sind die empfindlichen Pflanzen- und Tiergemeinschaften am Meeresboden weitgehend intakt geblieben. Das Weddellmeer ist damit eine der biologisch bedeutendsten Regionen der Antarktis. Daher gibt es schon seit einigen Jahren Pläne, einen großen Bereich des Weddellmeeres zu schützen, um die einzigartige Vielfalt dieses Gebietes für die Zukunft zu erhalten. Forscherinnen und Forscher des AWI haben die Lebensräume in der Region über viele Jahre genau untersucht. Die Daten sind die Grundlage für internationale Verhandlungen über ein Weddellmeer-Schutzgebiet.

Eine Artenvielfalt wie im tropischen Korallenriff

Im Weddellmeer leben viele Tier- und Pflanzenarten, die in Nahrungsnetzen miteinander verwoben und voneinander abhängig sind. Eine zentrale Rolle spielt das Meereis, welches das Weddellmeer im Winter zu rund drei Vierteln bedeckt. An der Unterseite des Meereises wachsen Eisalgen und Bakterien, von denen sich das Zooplankton ernährt, zu dem Flohkrebse, andere Kleinstlebewesen und der Krill zählen, eine in der Antarktis weit verbreitete Garnelenart. Das Zooplankton dient Fischen als Nahrung, die wiederum – wie der Krill –  von Pinguinen, Robben und Walen gefressen werden. Zudem sinken am Ende des Südsommers große Mengen abgestorbenen Zooplanktons zum Meeresboden, die von den Bodenorganismen gefressen werden. Auf dem Grund des Weddellmeeres leben rund 14.000 Tierarten. Damit ist das Meer dort stellenweise so artenreich wie tropische Korallenriffe. Gerade auf dem Kontinentalschelf des Weddellmeeres wachsen Glasschwämme, Nesseltiere, Weichkorallen, Seescheiden und andere Tiere teilweise so dicht neben- und aufeinander, dass sie meterhohe „Unterwasser-Wälder“ bilden. Das Weddellmeer gilt auch als ein bedeutender Rückzugsort für viele Meerestiere, für den Fall, dass sich die Ozeane mit dem Klimawandel weiter erwärmen sollten. Viele antarktische Organismen haben sich über Jahrmillionen an die kalte Umgebung angepasst. Sie könnten künftig in das Weddellmeer ausweichen, das sich dank der Eisbedeckung und günstiger Meeresströmungen wahrscheinlich über längere Zeit kalte Wassertemperaturen bewahren wird. Es besteht die Hoffnung, dass sich kälteliebende Meerestiere hier im Schutz des Weddellmeeres über Generationen langsam an die steigenden Wassertemperaturen anpassen – und so überleben.

Wie soll das Weddellmeer unter Schutz gestellt werden?

Um die Antarktis insgesamt als Lebensraum zu schützen, haben eine Reihe von Staaten bereits im Jahr 1959 den Antarktisvertrag verabschiedet. Dieser schreibt vor, dass der Südkontinent und seine Meeresgebiete für alle Zeiten friedlich und nachhaltig genutzt und erforscht werden sollen. Um genauer zu definieren, wie die lebenden Meeresressourcen der antarktischen Gewässer genutzt werden dürfen, verabschiedeten die Vertragsstaaten im Jahr 1982 zusätzlich das „Übereinkommen über die Erhaltung der lebenden Meeresschätze der Antarktis“ (Convention on the Conservation of Antarctic Marine Living Resources, CCAMLR). CCAMLR legt beispielsweise fest, wie viel Krill oder Seehecht um die Antarktis gefangen werden darf. Um sicherzustellen, dass das besonders wichtige Weddellmeer auch für die Zukunft unberührt und unbefischt bleibt, hatte die Bundesrepublik Deutschland im Jahr 2012 angekündigt, einen Vorschlag für ein Weddellmeer-Schutzgebiet (Weddell Sea Marine Protected Area, WSMPA) unter CCAMLR auszuarbeiten. Daraufhin beauftragte das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft das AWI damit, wissenschaftliche Daten zum Weddellmeer zusammenzutragen, zu analysieren und daraus ein Schutzkonzept zu entwickeln. Im Jahr 2016 reichte dann die Europäische Union den ersten Vorschlag für ein Weddellmeer-Schutzgebiet ein, der mittlerweile nach einigen Überarbeitungen von 18 der 26 CCAMLR Mitgliedsstaaten unterstützt wird. Zunächst soll das Gebiet westlich des Null-Meridians zum Schutzgebiet erklärt werden, später dann die Region östlich davon. Damit das Weddellmeer tatsächlich unter Schutz gestellt wird, müssen allerdings alle CCAMLR Vertragsstaaten den Antrag einstimmig verabschieden.

Zahlen und Fakten

14.000

Tierarten

Auf dem Grund des Weddellmeeres leben rund 14.000 Tierarten.

300.000

Brutpaare

Das Weddellmeer dient 300.000 Brutpaaren des Antarktischen Sturmvogels als Jagdrevier.

1/3

aller Kaiserpinguine

Auf dem Wedellmeer-Meereis wird rund ein Drittel aller Kaiserpinguine geboren.

FAQ

Wodurch zeichnen sich die Meerestiere im Weddellmeer aus?

Die Lebensbedingungen im Weddellmeer sind extrem, da die Meerestemperatur sogar unterhalb von Null Grad Celsius liegen kann. Das Salz verhindert in diesem Falle, dass das Wasser gefriert. Die Meerestiere müssen solche Temperaturen überstehen können. Eisfische zum Beispiel besitzen Frostschutz-Proteine, die verhindern, dass ihr Blut gefriert. Zudem müssen die Bewohner Energie sparen, um zu überleben. Eine Energiesparstrategie ist, besonders langsam zu wachsen. Das bedeutet, dass die meisten Fischarten erst in einem Alter zwischen drei und neun Jahren geschlechtsreif werden. Viele der am Meeresboden lebenden Fischarten und wirbellosen Tiere betreiben zudem intensive Brutpflege. Sie bauen Nester, produzieren relativ wenig Laich, statten die Eier aber mit viel Dotter aus, was die Überlebenschancen der Nachkommen erhöht. Die weltweit größte Kolonie von Fischnestern mit über 60 Millionen Nester des Jonahs Eisfisch auf 240 Quadratkilometern, wurde erst kürzlich (im Jahr 2021) von AWI Wissenschaftlern im südlichen Weddellmeer entdeckt. Da sich antarktische Fische generell nur sehr langsam vermehren, sind ihre Bestände besonders durch Fischerei und Überfischung gefährdet. 

Wie groß wäre das Weddellmeer-Schutzgebiet im Vergleich zu anderen Meeresschutzgebieten weltweit?

Mit einer Fläche von 2,2 Millionen Quadratkilometern wäre allein schon der westliche Teil des Weddellmeeres das größte Meeresschutzgebiet weltweit. Die Vereinten Nationen haben das Ziel ausgegeben, dass bis zum Jahr 2020 zehn Prozent der Weltmeere unter Schutz gestellt werden sollten und bis zum Jahr 2030 sogar 30 Prozent. Bisher sind allerdings nur knapp acht Prozent erreicht worden. Würde man das westliche Weddellmeer unter Schutz stellen, käme man diesen Zielen schon einen großen Schritt näher.

Wann soll der östliche Teil des Weddellmeeres unter Schutz gestellt werden?

Während der Antrag um die Einrichtung eines Schutzgebietes im Westen des Weddellmeeres bereits 2016 bei der CCAMLR eingereicht worden ist, laufen die Arbeiten für das östliche Schutzgebiet noch. Für das östliche Schutzgebiet werden derzeit noch umfangreiche wissenschaftliche Daten ausgewertet. Diese Aufgabe wird von norwegischen Wissenschaftlern übernommen, mit Unterstützung von Experten anderer CCAMLR-Mitglieder. Zwischen Norwegen und Deutschland besteht eine enge Kooperation, da das AWI für den westlichen Teil zuständig ist. Ein Vorschlag für das künftige Schutzgebiet im östlichen Weddellmeer soll bis zum Jahr 2023 vorliegen.

Was wäre künftig in dem Schutzgebiet erlaubt, was wäre verboten?

Durch den Schutz würde das Weddellmeer der friedlichen internationalen Zusammenarbeit und der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten bleiben. Eine streng regulierte Fischerei, die mit den Zielen des Schutzgebiets vereinbar sein muss, wäre nur in einem kleinen Teilgebiet möglich.

Wie steht es sonst um den Schutz der antarktischen Meeresgebiete?

Insgesamt strebt die CCAMLR an, rund um die Antarktis mehrere Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas, MPA) einzurichten. Im Zuge des Klimawandels dürften künftig größere Meeresregionen über längere Zeit im Jahr eisfrei sein. Damit könnten Fangschiffe in bislang unbefischte Regionen der Antarktis vorstoßen. Das Netzwerk aus Schutzgebieten soll das verhindern. Zwei Meeresschutzgebiete sind in den vergangenen Jahren bereits eingerichtet worden. Das Schutzgebiet um die Süd-Orkney-Inseln wurde im Jahr 2009 auf Antrag von Großbritannien eingerichtet. Es umfasst eine Fläche von 94.000 Quadratkilometern, in denen die kommerzielle Fischerei verboten ist. In diesem Gebiet liegen unter anderem wichtige Nahrungsgründe des Adélie Pinguins sowie Meeresareale mit einzigarten bodenlebenden Tiergemeinschaften. Das zweite antarktische Schutzgebiet ist das Rossmeer, das südlich von Neuseeland liegt. Es wurde ursprünglich 2012 von den USA und Neuseeland vorgeschlagen und in 2016 von CCAMLR angenommen. Das Schutzgebiet hat das Ziel, das marine Ökosystem als Ganzes mitsamt seinen Nahrungsketten zu schützen, sowohl die Top-Räuber wie Pinguine, Robben und Wale, als auch deren hauptsächlichen Nahrungsquellen wie der Krill und der Antarktische Silberfisch. Das 1,55 Million Quadratkilometer große Schutzgebiet ist in drei Zonen unterteilt, in denen verschiedene Aktivitäten erlaubt oder eingeschränkt sind. Fischereiaktivitäten sind im größten Teil (über 70 Prozent) des Gebietes verboten.

Kontakt

Portrait von Dr. Stefan Hain

Stefan Hain

Dr. Stefan Hain, Experte für umweltpolitische Fragen rund ums Weddellmeer