Ändern sich die Ozeantemperaturen, so reagieren die natürliche Variabilität der Sauerstoffversorgung und die damit verbundenen biogeochemischen Stoffkreisläufe nicht linear. Stattdessen gab es vor etwa 6.000 Jahren einen relativ rasch auftretenden Kipp-Punkt. Das ist das Ergebnis einer Studie, die Wissenschaftler unter Leitung von Geologen des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) jetzt in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht haben.
Sauerstoffminimumzonen gehören ebenso wie steigende Temperaturen und Ozeanversauerung zu den Phänomenen, die die Ökosysteme im Zuge des globalen Klimawandels bedrohen. Solche Zonen könnten auch schon bei weniger als zwei Grad Erwärmung verglichen mit der vorindustriellen Zeit vermehrt entstehen. „Wir haben in einem kombinierten Ansatz erstmals untersucht, wie sich die Belüftung des Nordpazifiks innerhalb der gegenwärtigen Warmphase der Erde (Holozän) verändert hat, also während der letzten 12.000 Jahre“, sagt Dr. Lester Lembke-Jene, Erstautor der jetzt in den US amerikanischen Proceedings der National Academy of Sciences (PNAS) erscheinenden Studie.
Das Autorenteam hatte aus Sedimentkernen hochaufgelöste paläo-ozeanographische „Proxy-“ oder Stellvertreterdaten aufgenommen. Sie stammen aus dem Ochotskischen Meer, einer Schlüsselregion, in der neue Wassermassen gebildet werden, welche weite Teile des Nordpazifiks mit Sauerstoff und diversen Nährstoffen versorgen. Außerdem ist das Ochotskische Meer die südlichste Regione der Nordhemisphäre, in der winterliches Meereis entsteht.
Mit einem komplexen Erdsystem-Modell haben die Geo- und Klimawissenschaftler rekonstruiert, wie sich Temperaturschwankungen auf die physikalischen Rahmenbedingungen der Ventilation und die räumliche Verteilung dieser neuen Wassermassen auswirken. Die Proxydaten und Modellierungen zeigen übereinstimmend: Vor etwa 6.000 Jahren hat sich die Sauerstoffversorgung vermutlich drastisch geändert. Zusätzlich hat sich auch der Charakter der Belüftung geändert, von einem System, welches überwiegend die Zwischenwässer belüftet und mit Sauerstoff versorgt, hin zu einem unter wärmeren Klima, welches mehr Sauerstoff konsumiert als einträgt. „Die von uns beobachteten Änderungen liegen in einer Größenordnung, die wir sonst eher von Wechseln zwischen großen Kalt- und Warmzeiten kennen“, berichtet Lembke-Jene.
In der jüngsten geologischen Vergangenheit scheinen auf natürlichem Wege (also ohne menschlichen Einfluss) in dieser Region bereits Änderungen der Ventilationsdynamik stattzufinden, wenn die oberen Wasserschichten „nur“ ein bis zwei Grad wärmer werden. Zum Vergleich: Die Nordsee hat sich in den letzten 50 Jahren um mehr als 1,7 Grad erwärmt. Selbst unterhalb der gegenwärtig gesellschaftlich avisierten Begrenzung zur anthropogenen Klimaerwärmung in der Zukunft ist es also möglich, dass sich Sauerstoffminimumzonen ausbreiten. „Bislang ist eine Quantifizierung der Sauerstoff-Abreicherung nur bedingt möglich, die mit der Ventilationsänderung einhergeht. Unsere erste Abschätzung deutet aber an, dass mit einem Sauerstoffverlust von 25-50 % gegenüber heutigen Werten zu rechnen sein könnte, wenn es wärmer wird“, so Lembke-Jene. Dies würde dazu führen, dass in weiten Teilen des Zwischenwasserstockwerks im subpolaren Pazifik episodisch Sauerstoffmangelbedingen herrschten. Dies könnte sich auch negativ auf das Nahrungsnetz bis hin zu den ökonomisch bedeutsamen Fischgründen im Beringmeer auswirken. Um die Auswirkungen auf den Pazifik besser zu verstehen und die Hintergründe und Ursachen zu erforschen, unternehmen Wissenschaftler vom AWI und dem GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung diesen Sommer mit dem Forschungsschiff Sonne eine gemeinsame Expedition in den Nordwestpazifik.
Originalpublikation:
Lester Lembke-Jene, Ralf Tiedemann, Dirk Nürnberg, Xun Gong, and Gerrit Lohmann: A rapid shift and millennial-scale variations in Holocene North Pacific Intermediate Water ventilation. Proceedings oft he National Acedemy of Sciences oft he United States of America (PNAS). doi/10.1073/pnas.1714754115