Floe Navi - Systembeschreibung
Dokumentations- und Navigationssystem für Arbeiten auf Meereis
Messungen und Probenahmen auf arktischem und antarktischem Meereis sind ein elementarer Bestandteil von Arbeiten auf/mit Polarstern. Anders als bei Stationsarbeiten an Bord war es zuvor nicht möglich die Arbeiten auf dem Meereis in Form eines Stationsbuchs zu erfassen. Es wurde lediglich die Eisstation an sich im Stationsbuch erfasst. Es ist jedoch zwingend notwendig, dass die relative räumliche Anordnung und zeitliche Abfolge von Messungen und Probenahmen systematisch dokumentiert und registriert wird. Bislang wurde dies mit individuellen, manuellen und dezentralen Methoden für einzelne Expeditionen umgesetzt, zumeist aber gar nicht dokumentiert. Die wesentliche Schwierigkeit resultiert aus der ständigen Bewegung (Drift) des Meereises, so dass die Registrierung geographischer Länge und Breite nicht ausreichend ist. Es wird ein zweites Koordinatensystem für jede Eisstation (Scholle) benötigt, das statisch mit dem Eis verbunden ist, und so die Dokumentation von Arbeiten und auch die Orientierung auf dem (sich bewegenden) Meereis erlaubt. Als solches System wurde das sogenannte FloeNavi von der Sektion Meereisphysik in Zusammenarbeit mit anderen AWI Sektionen, dem AWI Rechenzentrum und der Hochschule Bremerhaven entwickelt. Das System wurde erstmalig bei MOSAiC (seit September 2019) eingesetzt und soll anschließend als Standardsystem für Eisarbeiten auf Polarstern und anderen Schiffen etabliert werden.
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Das Konzept des Systems wird anhand der Abbildungen 1 bis 3 beschrieben. Grundsätzlich basiert es auf der Verarbeitung von kontinuierlichen Datenströmen über AIS (Automatic Identification System) Geräte, wie sie standardmäßig in der Schifffahrt eingesetzt werden. Diese Geräte melden ihre Position kontinuierlich innerhalb des Netzwerks. Im Hintergrund werden Datenbanken betrieben, die diese Daten erfassen und zusätzlich die Stations- und Gerätedaten verwalten. Alle Daten werden in Echtzeit in das lokale x/y Koordinatensystem konvertiert und graphisch dargestellt. Sämtliche Sensor- und Stationsdaten werden mit einem Zentralrechner synchronisiert und auf diesem archiviert.
Beim FloeNavi werden mindestens 2 AIS Geräte statisch auf dem Meereis ausgebracht. Diese spannen das lokale Koordinatensystem (x und y Koordinate in Metern) auf und werden als Basisstationen bezeichnet (Abbildung 1). Weitere Basisstationen können ausgebracht werden, um die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Systems zu erhöhen und auch um das System auch im Falle eines Zerbrechens der Scholle oder des Ausfalls einer Basisstation aufrecht zu erhalten. Bei komplexen Aufbauten, wie insbesondere bei MOSAiC soll gleichzeitig mit bis zu 7 solcher Basisstationen gearbeitet werden (Abbildung 2). In diesem Fall werden wesentliche, positionsfeste Messstationen zu Basisstationen. Aufbauend auf den Basisstationen besteht das System vor allem aus mobilen AIS Geräten, die bei allen Arbeiten auf dem Eis (ein Gerät pro Gruppe) mitgeführt werden. Da auch diese Geräte kontinuierlich ihre Position übertragen, können so alle Bewegungen auf dem Eis im räumlichen Zusammenhang erfasst und dargestellt werden (Abbildung 3). Aus dieser Vorgehensweise resultiert ein unmittelbarer Gewinn für die Sicherheit während Eisstationsarbeiten, da die Positionen (auf dem Eis) alle Gruppen von der Brücke aus beurteilt werden können. Selbst beim Zerbrechen der Scholle oder einem Versagen des FloeNavi sind die Personen auch im Schiffs-AIS-System zu sehen.
An Bord steht ein Zentralcomputer, auf dem die Verwaltung des Systems (Basis- und Mobilstationen) läuft, die zentrale Datenbank gepflegt wird und mit dem die Synchronisation aller Mobilstationen abgewickelt wird. Zusätzlich werden alle aktiven AIS Einheiten auf dem Schiffsradar auf der Brücke angezeigt.
Die mobilen Geräte (Abbildung 5) bestehen aus drei Elementen:
AIS Transponder,
Stromversorgung und
Tablet Computer.
Aktuell verfügen wir über 14 Mobilgeräte, die im täglichen Einsatz verwendet werden, z.B. auf Scootern, Pistenbullis, Pulkas, Booten.
Auf den Tablets läuft eine speziell entwickelte Softwareumgebung. Diese Software erfüllt drei wesentliche Aufgaben:
- Konvertierung aller AIS Daten (geographische Positionen) in das lokale x/y Koordinatensystem.
- Graphische Darstellung aller Positionsdaten (Basis- und Mobilstationen) in einer Umgebung von mehreren Kilometern. Außerdem können Wegpunkte (waypoints) gesetzt werden.
- Die Protokollierung aller wissenschaftlich-technischer Aktionen auf dem Meereis. Es können unterschiedliche Aktionen registriert werden: Aufbau von Stationen, Messungen mit wissenschaftlichen Geräten und Probenahmen.
Im Detail besteht die Softwareumgebung aus unterschiedlichen Komponenten:
- Die Berechnungen werden in Java durchgeführt
- Die graphische Oberfläche ist mit Android Studio erstellt
- Die Datenbanken im Hintergrund laufen auf MySQL
- Zusätzlich gibt es noch kleinere Tools, die die Schnittstellen zu D-Ship
Bevor Geräte ausgebracht oder für Messungen verwendet werden können, müssen sie in einer Datenbank angelegt werden. Für die aktuelle Anwendung findet eine Synchronisation mit D-Ship statt. Diese enthält alle verfügbaren Geräte. Beim Ausbringen und bei Messungen wird das entsprechende Gerät ausgewählt und Zusatzdaten können eingegeben werden.
Im Feld werden alle Aktivitäten über die Software im Tablet registriert. Im Anschluss an die Arbeiten auf dem Eis werden die einzelnen Tablets dann über einen zentralen Computer an Bord (manuell) miteinander synchronisiert, so dass die Gesamtheit der Messungen zusammengeführt wird und alle Tablets den gleichen Informationsstand erhalten. Außerhalb des Floe Navi Systems werden diese Daten dann in das D-Ship Stationsbuch übertragen. Der Einsatz der AIS Geräte wurde mit der Bundesnetzagentur abgestimmt und durch diese für den Einsatz in Polarregionen und Tests in Bremerhaven genehmigt.