Holozän

Historisch bis Gegenwart bis Zukunft

Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, ob die wachsende menschliche Bevölkerung und die Industrialisierung bereits signifikante Veränderungen im Erdkli­ma verursacht haben oder das Potenzial dazu besitzen, die Gesundheit, Sicherheit und den Wohlstand der menschlichen Bevölkerung zu gefährden. Um diese Frage richtig zu beantworten, benötigen wir quantitative Informationen über das Ausmaß und die Geschwindigkeit natürlicher Schwankungen in den Ozeanen, über den Kontinenten und in der Kryosphäre.

Der beste Weg, das Ausmaß vergangener Veränderungen festzustellen, ist die Untersuchung historischer Zeitreihen direkter Messungen oder Dokumentationen solcher Umweltbeobachtungen. Leider sind die direkten Messdaten, die es uns ermöglichen würden, den Klimawandel auf globaler Ebene zu quantifizieren, zu kurz und fallen bereits in die Periode des starken menschlichen Einflusses auf natürliche Bedingungen. Daher erweitern wir unsere Perspektive auf das Studium des Holozäns. Diese geologische Epoche repräsentiert das derzeitige Interglazial nach dem Ende der letzten Eiszeit und der anschließenden Entglazierung. Während des Holozäns haben moderne Menschen verschiedene Klimaschwankungen erlebt, und vergangene Gesellschaften mussten sich entweder anpassen oder untergehen. Wir können die Klimavariabilität im Holozän untersuchen, um den vom Menschen beeinflussten Klimawandel mit natürlichen Schwankungen in Beziehung zu setzen, die auch ohne den Menschen aufgetreten wären. Informationen zum voranthropogenen Zustand des Holozäns können entweder aus Praxis gewonnen werden, die vergangenen Klima- und Umweltbedingungen aufzeichnen, oder durch die Simulation des Klimas mit umfassenden Modellen des Klimasystems unter geeigneten äußeren Veränderungen.

Das paläoklimatische Archiv bietet eine langfristige Perspektive auf die Klimavariabilität und eine ausgezeichnete Testumgebung für Modelle. Wir können die Fähigkeit von Klimamodellen, die für Projektionen einer zukünftigen warmen Welt verwendet werden, an modellunabhängigen Schlussfolgerungen zur natürlichen Variabilität im aktuellen Interglazial überprüfen.

In unserer Forschung setzen wir verschiedene statistische und numerische Werkzeuge sowie verschiedene Datensätze ein. Historische und Reanalyse-Daten helfen uns, Zusammenhänge zwischen atmosphärischer Zirkulation und Mustern der Meeresoberflächentemperatur zu untersuchen, die einen wesentlichen Teil der natürlichen Variabilität wie die El Niño-Southern Oscillation bestimmen. Ein Ziel solcher Studien ist es, die Telekonnektionen (d.h. weitreichende Auswirkungen natürlicher Klimavariabilität) zu verstehen, die die niedrigfrequenten Variationen in den Proxy-Daten steuern. Im Idealfall liefert die Methode eine Rekonstruktion von Klimamodi jenseits des instrumentellen Archivs und hilft uns so, die vor-observierten mit den beobachteten Klimaschwankungen zu verknüpfen. Dadurch können wir Klimaverschiebungen, wie sie in den 1970er Jahren beobachtet wurden, in einen langfristigen Kontext setzen. Proxy-Daten und Simulationen der Klimaevolution im Holozän können Schätzungen zur natürlichen Klimavariabilität in der vorindustriellen Ära liefern und unsere Erwartungen an den Umwelteinfluss auf den Menschen in einem sich erwärmenden Klima verfeinern.

Beispiele aus unserer Forschung

Ma, Q. et al. ‘Revisiting climate impacts of an AMOC slowdown: Dependence on freshwater locations in the North Atlantic’, Science Advances, 10(47) (2024). doi:10.1126/sciadv.adr3243.


Wirtz, K.W., Antunes, N., Diachenko, A. et al. Multicentennial cycles in continental demography synchronous with solar activity and climate stability. Nat Commun 15, 10248 (2024). doi:10.1038/s41467-024-54474-w. 


Hörhold, M., Münch, T., Weißbach, S. et al. Modern temperatures in central–north Greenland warmest in past millennium. Nature 613, 503–507 (2023). doi: 10.1038/s41586-022-05517-z. 


Shi, X., Lohmann,G., Sidorenko, D. and Yang, H,: Early-Holocene simulations using different forcings and resolutions in AWI-ESM. The Holocene. (2020). doi: 10.1177/0959683620908634.