In der Antarktis suchen international führende Eis- und Klimawissenschaftler von 14 Institutionen aus zehn europäischen Ländern nach dem ältesten Eis der Erde. Ziel ist es zu erkunden, wo in der Antarktis zukünftig der am weitesten in die Erdgeschichte zurückreichende Eiskern erbohrt werden kann. Ein solcher Bohrkern erlaubt durch die Entschlüsselung vergangener Klimaprozesse bessere Prognosen für die Zukunft. Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) koordiniert das mit 2,2 Millionen Euro von der EU finanzierte Projekt „Beyond EPICA - Oldest Ice“ (BE-OI).
Bis zu 1,5 Millionen Jahre altes Eis zu finden, das zukünftig erbohrt werden kann, ist das Ziel von „Beyond EPICA – Oldest Ice“ (BE-OI). Zum Vergleich: Der bisher älteste Eiskern reicht 800.000 Jahre zurück. In solchen Kernen ist die Luft vergangener Zeiten eingeschlossen. Durch deren Analyse lässt sich die Zusammensetzung der Atmosphäre entschlüsseln. „Wir wissen derzeit nicht, was dazu geführt hat, dass es vor 900.000 bis 1.200.000 Jahren einen Wechsel in der Periodizität von Kalt- und Warmzeiten gegeben hat“, erklärt Projektkoordinator Prof. Dr. Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut.
Vor diesem sogenannten mittleren Pleistozän-Übergang wechselten sich Warm- und Kaltzeiten etwa alle 40.000 Jahre ab. Seitdem beträgt diese Periode etwa 100.000 Jahre. Dieses Wissen der Forscher stammt beispielsweise aus Sedimentkernen, die jedoch keine Gase beinhalten. „Wir können die Rolle der Treibhausgase bei diesem Übergang bisher nicht gezielt untersuchen, weil uns schlicht die geeigneten Proben für solche Messungen fehlen“, so der AWI-Glaziologe Prof. Dr. Frank Wilhelms, der als Teilprojektleiter mitwirkt.
Das soll BE-OI nun ändern: Das Projekt beinhaltet geophysikalische Messungen, Schnellbohrverfahren und Altersbestimmungen von Eis vor Ort. Außerdem werden notwendige Bohrtechnologien weiterentwickelt und erprobt. Die ersten praktischen Arbeiten dazu starten bereits in Kürze: In der Antarktis werden AWI-Glaziologen gemeinsam mit ihren europäischen Partnern die Dicke des Eispanzers sowie seine physikalischen Eigenschaften und die Topographie des darunterliegenden Bodens an zwei verschiedenen Orten mit dem Flugzeug und vom Boden aus erkunden. Die Eisdicke ist dabei lediglich ein erster Hinweis auf das Alter, denn unterschiedlicher Schneezutrag und das Fließverhalten beeinflussen, wie dick der Eispanzer heutzutage ist.
In einem Bodenprogramm messen Forscher deshalb parallel in einem Feldcamp den Schneezutrag und setzen neue Technologien zum Abteufen von Bohrlöchern ein, um in diesen die Temperatur zu erfassen. „Aus früheren Studien haben wir Gebiete herausgearbeitet, in denen wir das älteste Eis der Erde vermuten“, sagt Olaf Eisen. „Jetzt gilt es, möglichst viel über die Ablagerungsprozesse und die Beschaffenheit des Eises zu lernen“, so der Projektkoordinator weiter.
Neben solchen wissenschaftlichen Fragestellungen hat BE-OI auch die Aufgabe, technische und personelle Kapazitäten für ein Bohrprojekt zusammenzustellen, einen Wissenschafts- und Managementplan dafür aufzustellen sowie Budget und Finanzierung zu etablieren. Um einen möglichst großen wissenschaftlichen Erkenntniszuwachs zu generieren, bindet das Projekt außerdem weitere Paläoklimatologen und Modellierer mit ein.
Hintergrund:
Das Beyond EPICA – Oldest Ice (BE-OI)-Konsortium und seine internationalen Partner vereinen eine weltweit einmalige Konzentration von wissenschaftlicher Expertise und Infrastrukturen für Eiskern-Untersuchungen. BE-OI ist eine EU Koordinierungs- und Unterstützungsmaßnahme (Coordination and Support Action - CSA) unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts. Sie liefert die technische, wissenschaftliche und finanzielle Basis für einen kompletten Plan, um in einem zukünftigen Projekt „Beyond EPICA – Drilling Phase“ bis zu 1,5 Millionen Jahre altes Eis zu erbohren. Dies wäre ein wichtiger Beitrag für die zukünftige Erforschung der Antarktis und verspricht einzigartige Erkenntnisse über das Klima und die globalen Kohlenstoffflüsse. Dieses Wissen verbessert mit soliden quantitativen Daten die Vorhersagen für die Klimaentwicklung und erlaubt so gezieltere Strategien, um mit der gesellschaftlichen Herausforderung des globalen Wandels umzugehen.
BE-OI ist der europäische Beitrag für die weltweite Suche nach der geeigneten Stelle für eine Eisbohrung. Das Konsortium übernimmt die Vorstudien für die Standortwahl rund um Dome C und Dome Fuji, beides potentiell geeignete Regionen in der Ostantarktis. Weitere Wissenschafts-Konsortien untersuchen im Rahmen von IPICS (International Partnerships in Ice Core Sciences) andere Lokationen. Dieses Projekt wird gefördert von der Europäischen Union im Horizon 2020 Forschungs- und Innovationsprogramm unter der Förderungsnummer 730258.
Mitglieder im BE-OI-Konsortium:
· Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI, Deutschland), Koordination
· Institut Polaire Français Paul Émile Victor (IPEV, Frankreich)
· Agenzia nazionale per le nuove tecnologie, l'energia e lo sviluppo economico sostenibile (ENEA, Italien)
· Centre National de la Recherche Scientifique (CNRS, Frankreich)
· Natural Environment Research Council - British Antarctic Survey (NERC-BAS, Großbritannien)
· Universiteit Utrecht – Institute for Marine and Atmospheric Research (UU-IMAU, Niederlande)
· Norwegian Polar Institute (NPI, Norwegen)
· Stockholms Universitet (SU, Schweden)
· Universität Bern (UBERN, Schweiz)
· Università di Bologna (UNIBO, Italien)
· University of Cambridge (UCAM, Großbritannien)
· Kobenhavns Universitet (UCPH, Dänemark)
· Université Libre de Bruxelles (ULB, Belgien)
· Lunds Universitet (ULUND, Schweden)
Weitere Bilder finden Sie in unserer Mediathek: http://bit.ly/2fzVdCR.
Zusätzliche Informationen zum Projekt finden Sie unter: http://www.beyondepica.eu/